An einem Vierertisch im ICE treffen Anna und ihre Mutter Ulla zufällig mit Markus zusammen. Markus und Anna drängten bereits mit dem Smartphone am Ohr in den Zug. Anders als Ulla fühlt die junge Generation sich während der Bahnfahrt verpflichtet, für Kollegen und Freunde telefonisch und per Mail
erreichbar zu sein. Seit Markus und sein Geschäftspartner Julian von zwei Wohnorten aus gemeinsam…mehrAn einem Vierertisch im ICE treffen Anna und ihre Mutter Ulla zufällig mit Markus zusammen. Markus und Anna drängten bereits mit dem Smartphone am Ohr in den Zug. Anders als Ulla fühlt die junge Generation sich während der Bahnfahrt verpflichtet, für Kollegen und Freunde telefonisch und per Mail erreichbar zu sein. Seit Markus und sein Geschäftspartner Julian von zwei Wohnorten aus gemeinsam Social-Media-Auftritte organisieren, ist für Markus die Bahn Arbeitsplatz. Markus, der Vater eines kleinen Sohnes ist, fühlt sich in dieser Zeit von privaten Anrufen seiner Frau gestört. Auf Facebook unterwegs zu sein ist für Markus und Julian keine Freizeitbeschäftigung. Der persönliche Vorteil, von überall aus arbeiten und kommunizieren zu können, wird von "kreativ Tätigen" mit der Fron der Präsenzpflicht und der nicht endenden Suche nach Kontakten und Impulsen erkauft. Mit Anfang dreißig hat Markus bereits einen Zusammenbruch hinter sich, nach außen mühsam mit dem neuen Euphemismus "Infektionskrankheit" für Burnout kaschiert. - Anna ist teils beruflich, teils privat unterwegs, stets "auf 14 Kanälen zu erreichen". Sie hat sich selbst den Druck auferlegt, rund um die Uhr die Statusmeldungen ihrer virtuellen Existenzen sofort abzurufen und darauf zu reagieren. Sichtlich genervt, versucht Anna zwischen den Funklöchern auf der Bahnstrecke einige für Außenstehende banal klingende Telefongespräche zu führen. Außer der Suche nach einer Netzverbindung, vordergründig höflich sucht sie die Verbindung vom Gang aus, hat Anna nach einigen Stunden Fahrt noch nichts erledigt und nur weinge Sätze mit ihrer Mutter gesprochen. Auch Annas Privatleben findet im Social Web statt, dort hält sie Kontakt zu einem alten Freund und einer neuen Flamme. In Annas Leben sind die Menschen zu Jenga-Klötzen geworden, die ständig neu gestapelt werden und in jedem Moment das Bauwerk zum Einsturz bringen können. - Nina Pauer (Jahrgang 1982) stellte schon als Achtjährige fest, dass Besitz zur Voraussetzung für Kommunikation werden kann. Als ihr Brieffreund ihr von "Zelda" berichtet, kann sie nur mithilfe der Erklärung des Konsolenspiels durch ihren Klassenkameraden Martin ihre Wissenslücke vertuschen. Den Gameboy erlebt Pauer damals als "ein Jungsding", dessen Besitzer mehr wissen und einfach besser sind. Bereits in Pauers Jugend bahnt sich die Entscheidungsschwäche an, die wir an Anna und Markus beobachten konnten. Alle Augenblicke des Lebens wurden als groß und mitteilenswert genug angesehen, um auf VHS aufgezeichent zu werden. In Annas Leben werden Momente allein dadurch wichtig, dass sie mit anderen geteilt werden. Die Kommunikation über das, was man vielleicht einmal miteinander tun könnte, frisst Annas Freizeit, in der sie im realen Leben Freunde treffen könnte. ... Nina Pauer konfrontiert uns mit einer Generation der Patchwork-Identitäten, die mittels moderner Kommuikationsmethoden Entscheidungen in Beziehungen bis zur letzten Minute hinauszögert, um die ultimative, wirklich wichtige Begegnung nicht zu verpassen. Das Taktieren um den richtigen Zeitpunkt ersetzt in Annas Leben längst reale Kontakte. Annas Situation schreibt die Autorin nicht weiter fort. Falls Anna sich denn dazu entscheiden könnte, wird eines Tages ihr Kind erleben, dass seine Mutter ihm nicht ins Gesicht sieht, während sie mit ihm spricht und dabei in ein kleines Kästchen tippt. - Die launige Bestandsaufnahme unterhält, trägt zum Überwinden des Grabens zwischen Moloch und Pampa jedoch wenig bei. Dazu müssten die Gegenspieler der Hauptfiguren (Markus Frau Lena und Ulla) als ernstzunehmende Gesprächspartner und weniger klischeehaft dargestellt sein.