Ein beklemmendes Buch - das noch lange aktuell bleiben wird.
Ian Johnson, amerikanischer Journalist und Träger des Pulitzer-Preises, hat vor zehn Jahren bei einem Besuch in London eine Entdeckung gemacht, die ihn zum Nachdenken brachte. In einer Buchhandlung fand er beim Stöbern eine Landkarte mit
den berühmten Moscheen der islamischen Welt. Darauf waren die Große Moschee in Mekka, der Felsendom…mehrEin beklemmendes Buch - das noch lange aktuell bleiben wird.
Ian Johnson, amerikanischer Journalist und Träger des Pulitzer-Preises, hat vor zehn Jahren bei einem Besuch in London eine Entdeckung gemacht, die ihn zum Nachdenken brachte. In einer Buchhandlung fand er beim Stöbern eine Landkarte mit den berühmten Moscheen der islamischen Welt. Darauf waren die Große Moschee in Mekka, der Felsendom in Jerusalem und die Blaue Moschee in Istanbul zu sehen – so weit alles normal. Aber es war auch das islamische Zentrum im Münchener Stadtteil Freimann eingezeichnet. Johnson wird nachdenklich und fragt sich, wie ein in seinen Augen eher unscheinbares Gotteshaus, abseits aller Sehenswürdigkeiten in einem Industriegebiet gelegen, derart wichtig sein könne?
Seine daraufhin beginnenden Recherchen dauern drei Jahre, und fördern durchaus Bemerkenswertes zu Tage. In seinem überaus bemerkenswerten Buch „Die vierte Moschee“ beschreibt der Amerikaner, wie sich in München ein wichtiger Brückenkopf des Islamismus in Europa bilden konnte. Es sei nie um ein reines Gebetshaus gegangen, sondern um politische und sogar gewalttätige Aktionen, so die Schlussfolgerung des Autors. Es kommt dem Leser bekannt vor, wenn Johnson schildert, dass der Aufstieg der kleinen Gemeinde von westlichen Behörden und Geheimdiensten nicht nur hingenommen, sondern sogar aktiv unterstützt wurde. Johnson sieht darin sogar Vorläufer der ideologischen und militärischen Auseinandersetzungen, die später dann in Afghanistan und dem Irak stattfanden.
Zuweilen liest sich seine Geschichte wie das Drehbuch eines Films. Es geht um ehemalige Nationalsozialisten, die CIA spielt mal wieder eine unrühmliche Rolle, und undurchsichtige Araber mischen mit. Vor allem die deutschen Nationalsozialisten schaffen das ideologische Fundament für das islamische Zentrum. Die Hauptrolle spielt dabei der Orientalist und ehemalige SA-Angehörige Gerhard von Mende, in der Nazi-Zeit Mitarbeiter des so genannten „Ostministerium“. Muslimische Minderheiten in der Sowjetunionwurden im Kampf gegen die russische Zentralregierung instrumentalisiert. Etliche Tausend dieser Ex-Soldaten landen später in München, und amerikanische Geheimdienste und deutsche Behörden nehmen sie unter ihre Fittiche.
Der muslimischen Gemeinde wird von den Deutschen als Köder der Bau einer Moschee angeboten, aber die Amerikaner sind finanzkräftiger und verbünden sich mit Said Ramadan, dem inoffiziellen Außenminister der Muslimbruderschaft in Ägypten. Es ist müßig, hier die Geschichte der Bruderschaft zu wiederholen, Johnson zeichnet sie akribisch nach – und ihr Einfluss ist in Ägypten heute größer denn je. Der Autor besucht 2004 den damaligen obersten Führer der Muslimbruderschaft, Mahdi Akef, in einer Wohnung in. Von 1984 bis 1987 lebte er in München – als Imam des islamischen Zentrums. Schon das belegt den Charakter der „vierten Moschee“ als wichtigster Außenstelle der Bruderschaft. Schließlich spielen auch die Saudis in München eine Rolle, und Johnson kommt zu der Schlussfolgerung, dass „die Ehe zwischen dem Geld der Saudis und der Ideologie der Muslimbruderschaft“ den Boden für die Verbreitung des Islamismus bereitete, „nicht nur in der muslimischen Welt, sondern auch im Westen – mit …. dem Islamischen Zentrum München als Epizentrum.“
Der Autor schildert das völlige Versagen der Geheimdienste einschließlich des deutschen Verfassungsschutzes, und beschreibt sogar Verbindungen zur Hamburger Al-Kuds-Moschee, die auch Mohammed Atta regelmäßig besuchte. Begonnene Ermittlungen wurden jedoch eingestellt – zwei Jahre später, am 11. September 2001, steuerte Atta das erste der beiden entführten Flugzeuge in das New Yorker World Trade Center. Aber auch in der Folge wurden kaum richtige Schlussfolgerungen gezogen. Was bleibt, ist der Fakt, dass die Muslimbruderschaft nach wie vor eine „abgeschottete Parallelgesellschaft anstrebt. Sie versucht, ihre Leute so abzuschotten, dass sie nach den Regeln des Korans im Westen leben könne