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Dieses Buch ist ein Meisterwerk der Wirtschaftsliteratur. Es erklärt und beschreibt, wie der Geschmack zur entscheidenden Leitgröße in der postmodernen Wirtschaft und im globalen Wettbewerb geworden ist. Eine kulturökonomische Globalreise durch Marken, Stile, Moden und ihre Alltagskultur. Früher und heute. Vom Dirndl-Hype bis zu Absolut Vodka und Red Bull. Auf fast 500 Seiten. Ein Muss für Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Designer, Medienmenschen, Philosophen, Politologen, Ethnologen, Historiker und intellektuelle Entdecker in diesem Land, kurz: für alle, die sich für interdisziplinäre…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch ist ein Meisterwerk der Wirtschaftsliteratur. Es erklärt und beschreibt, wie der Geschmack zur entscheidenden Leitgröße in der postmodernen Wirtschaft und im globalen Wettbewerb geworden ist.
Eine kulturökonomische Globalreise durch Marken, Stile, Moden und ihre Alltagskultur.
Früher und heute. Vom Dirndl-Hype bis zu Absolut Vodka und Red Bull. Auf fast 500 Seiten. Ein Muss für Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Designer, Medienmenschen, Philosophen, Politologen, Ethnologen, Historiker und intellektuelle Entdecker
in diesem Land, kurz: für alle, die sich für interdisziplinäre Erkenntnisreisen interessieren. Weit über den Tellerrand hinaus.
Autorenporträt
Ernst Mohr ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Er forscht über den Einfluss von Kultur auf wirtschaftliches Verhalten. Hier vor allem über den Einfluss des Geschmacks auf Konsumentscheidungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2014

Ökonomie mit Geschmack
Über Ordnung in der postmodernen Welt

Von Apple über Red Bull und Prada bis Harley Davidson: Nichts präge die postmoderne Ökonomie stärker als der menschliche Geschmack, sagt der St. Gallener Ökonom Ernst Mohr. Deshalb müsse man die Wirtschaft heute vordringlich von der Geschmacksseite her betrachten. Der Geschmack sei maßgebliche Leitgröße in der postmodernen Wirtschaft und im globalen Wettbewerb. Mit Konsumentscheidungen nach eigenem Gusto schafften wir Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen, nutzten aber auch die Gelegenheit, uns von anderen zu unterscheiden.

Ein nach Geschmack differenzierter Konsum werde dabei umso eher möglich, je offener die Gesellschaft sei. Solche Offenheit bringe der Wirtschaft westlicher Gesellschaften beträchtlichen Vorteil im globalen Wettbewerb. "Globalisierung ist der Prozess der Ausdifferenzierung von Ordnung in der Objektwelt", heißt es in Mohrs Buch und weiter: "Die offenste Gesellschaft im Prozess der Globalisierung verfügt über das ausdifferenzierteste Inventar von Bedeutungen der Objektwelt. Dies ist der natürliche Vorteil im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb."

503 Textseiten, 120 Einzelkapitel, 405 Fußnoten, 11 Schautafeln und 235 Referenztitel weisen multidisziplinär den wissenschaftlichen Weg zu Mohrs Bild postmoderner Wirtschaft, in der Geschmack Ordnung in Dinge und Verhaltensweisen bringt. Im fleißigen Parcours durch Philosophie, Semiotik und Ästhetik, Soziologie, Sozialpsychologie und Alltagskultur, Volks- und Betriebswirtschaftslehre vereint Mohr unterschiedlichste Einzelaspekte zu einer universellen Gesamtschau. Denn: "Erkenntnisse über den Geschmack werden an den Schnittstellen zwischen den Wissenschaften gewonnen." Als handele es sich um ein Seminar für Fortgeschrittene, dekliniert er dabei ausführlich die einschlägige Literatur bis hin zu jüngsten Veröffentlichungen durch, vergisst aber auch nicht die großen Klassiker der Zunft von Pierre Bourdieu über Norbert Elias, Claude Lévi-Strauss und Thorstein Veblen bis zu Georg Simmel und Max Weber. Sein inhaltlich und sprachlich anspruchsvoller Vortrag führt auf bislang von den Wirtschaftswissenschaften wenig beachtetes Neuland. Allerdings verlangt der Text dem Leser Konzentration und Durchhaltevermögen ab. Bisweilen wird es kompliziert bis verschwurbelt, aber nie langweilig.

Im Einzelnen treibt Mohr nicht nur die Frage um, warum die Welt der Konsumgüter so bunt ist und immer bunter wird. Minutiös sucht er zu erklären, wie stilistische Diversität entsteht, weshalb der Rand der Gesellschaft für die Industrie so wichtig ist, in welche Richtung der Geschmack zwischen Ländern diffundiert und warum die Unterscheidung zwischen Produzenten und Konsumenten heutzutage keinen Sinn mehr macht.

Als roter Faden zieht sich durch den Text die Erkenntnis, dass "der postmoderne Geschmack nicht das Resultat der sozialen Struktur ist, sondern nun ihre einzige konstituierende Determinante". Tatsächlich liegt hier der entscheidende Unterschied zur statisch-hierarchischen Auffassung von Geschmacksreproduktion des französischen Soziologen Bourdieu, den Mohr ansonsten für den bedeutendsten Geschmacksforscher überhaupt hält und immer wieder referiert.

Der "Konsum von Gütern als Dingen mit sozial geteilter Bedeutung" und der "Geschmack als realisierte, sozial geteilte Identität" haben bei Mohr viel miteinander zu tun. Sie veranlassen den Autor, nicht länger wie üblich strikt zwischen produzierenden Unternehmen und Verbrauchern zu trennen. Vielmehr gesteht er den Konsumenten ihrerseits die Rolle von Ko-Produzenten zu, weil erst sie im Wertschöpfungsprozess Produkten soziale Bedeutung verleihen, zu der die Unternehmen mit Werbung und Design lediglich Vorleistungen liefern. Mohrs idealer Konsument ist ein vor allem seinem Geschmack verpflichteter, gleichwohl sozial verhafteter Modellmensch, den er als neues Konzept in das Marktgeschehen einführt. Dieser gedachte Agent trifft als "Identitätsoptimierer" Konsumentscheidungen, um sein Ich in einem sozialen Beziehungsgeflecht zu realisieren. Er ist das analytische Gegenstück zum "homo oeconomicus", dem gängigen wirtschaftlichen Nutzenoptimierer der Standardökonomie.

Die Stärke seines "homo sagacis gustus" sieht Mohr "in der durch dieses Verhaltensmodell möglich gewordenen Prognostizierbarkeit und Erklärbarkeit des Abwechslungsreichtums in den Geschmäcken der Menschen und realisierten Identitäten". Nur aus dieser Perspektive sei vorstellbar, dass der in der Objektwelt eines Landes sichtbare Geschmack den Geschmack auch in anderen Ländern beeinflusse, sagt Mohr mit Blick auf die Globalisierung. Ein solches Denkmodell biete nämlich Orientierungshilfe in einer sich öffnenden Gesellschaft mit ihrer Vielfalt an Entscheidungsalternativen, weil es den Blick auf noch offenere Gesellschaften lenke.

Nicht Macht, sondern Attraktivität macht nach Meinung Mohrs den Unterschied zwischen Ländern aus. Attraktiv sei stets, was Aussicht auf Orientierung verspreche. Die Integration des Weltmarkts und die Handelsströme würden weder von relativen Machtunterschieden noch von relativen Faktorausstattungen von Volkswirtschaften getrieben, sondern von relativen Unterschieden in der Offenheit von Gesellschaften geprägt: "Welche Volkswirtschaft Geschmack und die Objekte, an denen man ihn erkennt, exportiert oder importiert, wird durch deren relative gesellschaftliche Offenheit bestimmt."

Hier liegt nach Mohrs Auffassung die Zukunftschance der fortgeschrittenen westlichen Volkswirtschaften. Sie seien zwar relativ arm an Rohstoffen und knapp an Umweltgütern, aber vergleichsweise reich an gesellschaftlicher Offenheit, aus der bekanntlich Wertschöpfung entstehe. Diese Offenheit gelte es im globalen Wettbewerb unter allen Umständen zu bewahren und zu nutzen. Denn, so schreibt Mohr: "Die Offenheit der offenen Gesellschaft ist das verborgene, unausgesprochene, aber wirkungsvollste Verkaufsargument ihrer Geschmacksindustrie."

ULLA FÖLSING

Ernst Mohr: Ökonomie mit Geschmack. Die postmoderne Macht des Konsums. Murmann Verlag, Hamburg 2014, 536 Seiten, 29,99 Euro.

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