Thomas Galli - Die Schwere der Schuld
Auf fünfzehn Jahre Berufspraxis als Leiter einer Justizvollzugsanstalt kann der
42-jährige Jurist, Kriminologe und Psychologe Thomas Galli zurückblicken. Aktuell ist er Anstaltsleiter der sächsischen Justizvollzugsanstalt Zeithain. Im Verlag „Das Neue
Berlin“ ist nunmehr das Buch von Thomas Galli mit dem Titel „Die Schwere der Schuld“ erschienen. Der…mehrThomas Galli - Die Schwere der Schuld
Auf fünfzehn Jahre Berufspraxis als Leiter einer Justizvollzugsanstalt kann der
42-jährige Jurist, Kriminologe und Psychologe Thomas Galli zurückblicken. Aktuell ist er Anstaltsleiter der sächsischen Justizvollzugsanstalt Zeithain. Im Verlag „Das Neue Berlin“ ist nunmehr das Buch von Thomas Galli mit dem Titel „Die Schwere der Schuld“ erschienen. Der Untertitel „ein Gefängnisdirektor erzählt“ suggeriert auf den ersten Blick, dass hier ein erneutes Werk über den Alltag im Justizvollzug daher-kommt. Aber weit gefehlt! Thomas Galli geht mit der vollzuglichen Wirklichkeit und den etablierten Institutionen der Strafen hart ins Gericht. Nicht aus übertriebener Menschlichkeit, sondern hauptsächlich aus reinem Kosten-Nutzen-Aspekt vertritt er eine radikale Position, indem er postuliert: Der Strafvollzug in der gegenwärtigen Ausprägung gehöre abgeschafft. Begründung: Zu teuer, zu ineffizient, und die Insassen werden in der Institution Strafvollzug weder angemessen resozialisiert und schon gar nicht zu besseren Menschen (Einfluss von Subkultur etc.). In seinem Buch schildert Thomas Galli sehr ausführlich Biografien von Insassen, die ihm während seiner Tätigkeit als Leiter einer JVA begegnet sind. Dabei wird deutlich, dass er
- anders als der herkömmliche Jurist im Strafvollzug, der wohl eher Gerichtsurteil, Strafregisterauszug usw. als Maßstab von Beurteilungen seiner Insassen ansetzt - eine andere Kommunikationskultur pflegt, intensiv zuhört und daher zu sehr detaillierten Einschätzungsmöglichkeiten seiner Klientel gelangt. Dies ist mit Sicher-heit auch dem positiven Umstand geschuldet, dass er als ausgebildeter Psychologe offensichtlich ein höheres Maß an Empathie bei seiner Arbeit einzubringen vermag. Zweifel an der Wirksamkeit von Therapie und Behandlungsmaßnahmen im Straf-vollzug meldet der Autor an, da deren Einfluss auf eine positive Legal-Bewährung empirisch nicht belegt sei. Sein Fazit ist daher ernüchternd und radikal: Freiheits-strafen und Freiheitsentzug sollte es nur noch für gefährliche Verurteilte (Hang- und Überzeugungstäter sowie Menschen mit ausgeprägter und nachgewiesener dissozialer Einstellung) geben, die eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Alternative Sanktionsangebote, die ökonomisch sinnvoller für die Gesell-schaft sind, weil der so Sanktionierte weiter arbeiten, Steuern zahlen und für den angerichteten Schaden aufkommen kann, bietet der Autor als Lösung genügend an. Die von Thomas Galli vorgetragenen Positionen reihen sich in einen Kanon kritischer Schriften zum tradierten Zustand des derzeitigen Sanktions- und Strafvollzugs-wesens (erinnert sei an die wichtige Publikation von Bernd Maelicke, "Das Knast-Dilemma" von 2015) ein. Es ist wichtig, dass Fachleute aus der Praxis wie Thomas Galli einen kritischen Blick auf ihre Arbeit werfen und dabei - bei aller Kritik - einen praktischen Optimismus ausstrahlen. Allen Praktikern im Strafvollzug kann ich diesen gelungenen Band sehr empfehlen.
Thomas Galli: Die Schwere der Schuld. Verlag: Das Neue Berlin, Berlin 2016, broschiert, 192 Seiten, ISBN: 978-3-360-01307-1, Preis: 12,99 €.
Willi Wilhelm, Bornheim, April 2016