Der Erste Weltkrieg wird häufig als die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet, denn mit ihm brach das alte europäische System zusammen: die Monarchien in Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland verschwanden, das Osmanische Reich zerfiel und auf dem Balkan entstand ein neuer
Vielvölkerstaat. Mit nationaler Begeisterung, die Massen auf allen Seiten erfasst hatte, war man 1914 in den…mehrDer Erste Weltkrieg wird häufig als die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet, denn mit ihm brach das alte europäische System zusammen: die Monarchien in Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland verschwanden, das Osmanische Reich zerfiel und auf dem Balkan entstand ein neuer Vielvölkerstaat. Mit nationaler Begeisterung, die Massen auf allen Seiten erfasst hatte, war man 1914 in den Krieg gezogen. Vier Jahre später lag Europa in Trümmern.
Der Publizist und Journalist Kersten Knipp beleuchtet in seinem neuen Buch in fünf ausführlichen Kapiteln (Teilen) dieses „europäische Schicksalsjahr“. Zunächst zieht er eine nüchterne und erschreckende Bilanz. Immerhin verloren etwa 8,6 bis 11 Millionen Soldaten ihr Leben, dazu kamen noch rund 6,5 Millionen Zivilisten. Das war die Erbmasse dieses Krieges. Im zweiten Kapitel widmet er sich der Diplomatie, die schon während des Krieges stattgefunden hatte - so der Rückkehr Polens in die europäische Staatenwelt und dem tschechischen Unabhängigkeitskampf. Daneben wollte der amerikanische Präsident Woodrow Wilson sein Land lange Zeit aus dem "Großen Krieg" heraushalten, ehe er die USA im April 1917 doch auf das europäische Schlachtfeld führte.
Der dritte Teil ist der Pariser Friedenskonferenz vorbehalten, an der Knipp bereits eine Quelle des neuen Hasses ausmacht. Die Politik, die nach den Pariser Verträgen (oft als „Friedensdiktat bezeichnet) betrieben wurde, war für Loyalität und Integration kaum gemacht. Die neue europäische Weltordnung führte nicht zu einem gerechten Ausgleich der nationalen und wirtschaftlichen Interessen. Das vierte Kapitel widmet sich ganz der ehemaligen Monarchie Österreich-Ungarn, die mit dem Friedensschluss einen hohen Preis der Zerstückelung zahlen musste. Hier betrachtet Knipp auch die Problematik der Osmanen, Armenier und Griechen. Im letzten Teil „Prinzip Hoffnung“ wird vorrangig die Kultur der frühen 1920er Jahre beleuchtet, in denen Europa auf der Suche nach einer neuen Identität und nach Selbstverständnis war.
Mit viel Detailwissen und reichlich Quellenangaben (immerhin 15 Seiten) gibt der Autor einen Überblick über die europäische Umbruchzeit nach 1918. Eine umfangreiche Bibliografie und einige historische Abbildungen komplettieren diese interessante Darstellung.