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Was ist Musik? Bedeutungslose Unterhaltung oder eine chiffrierte Sprache, die Hieroglyphe eines Mysteriums? Ist ihr Zauber Betrug oder Grundlage einer Weisheit? Das sind die tiefen Fragen, denen der bedeutende französische Philosoph Vladimir Jankélévitch in seinem musikphilosophischen Meisterwerk auf den Grund geht. Erstmals 1961 in Frankreich erschienen, ist es nun endlich in deutscher Übersetzung zu entdecken.In der Musik gibt es für Jankélévitch eine doppelte Komplikation, die metaphysische und moralische Probleme bewirkt: Musik ist zugleich ausdrucksvoll und ausdruckslos, tiefgründig und…mehr

Produktbeschreibung
Was ist Musik? Bedeutungslose Unterhaltung oder eine chiffrierte Sprache, die Hieroglyphe eines Mysteriums? Ist ihr Zauber Betrug oder Grundlage einer Weisheit? Das sind die tiefen Fragen, denen der bedeutende französische Philosoph Vladimir Jankélévitch in seinem musikphilosophischen Meisterwerk auf den Grund geht. Erstmals 1961 in Frankreich erschienen, ist es nun endlich in deutscher Übersetzung zu entdecken.In der Musik gibt es für Jankélévitch eine doppelte Komplikation, die metaphysische und moralische Probleme bewirkt: Musik ist zugleich ausdrucksvoll und ausdruckslos, tiefgründig und oberflächlich, sie hat einen Sinn und doch auch keinen. Wie das Leben wird sie in die Zukunft gelebt beziehungsweise gehört, aber in die Vergangenheit hinein verstanden. Jede neue Erfahrung, jeder neue Ton kann das Vorherige in seiner Bedeutung verändern. Mit einer Reflexion über Musik und Stille endet dieses hochpoetische Buch, das heute als die bedeutendste musikphilosophische Schrift französischer Sprache des 20. Jahrhunderts gilt und unter anderem Emmanuel Levinas und Roland Barthes beeinflusst hat.
Autorenporträt
Vladimir Jankélévitch (1903-1985) war ein französischer Philosoph, Musiker und Musikwissenschaftler. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung wurde ihm während des Zweiten Weltkriegs die Staatsangehörigkeit entzogen. 1941 trat er der Résistance bei. Nach dem Krieg unterrichtete er von 1951 bis 1979 auf dem Lehrstuhl für Moralphilosophie an der Sorbonne in Paris. Sein umfangreiches Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Ulrich Kunzmann, geboren 1943, studierte Romanistik und arbeitete zunächst 20 Jahre lang als Dramaturg. Seit 1969 übersetzt er literarische Texte und Sachbücher aus dem Spanischen, Französischen und Portugiesischen ins Deutsche.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Andreas Mayer versteht gut, dass die Musik keine Sprache ist, aber auch nicht zum Mystizismus taugt, wenn er die Texte des französischen Philosophen Vladimir Jankelevitch liest. Jankelevitchs Einlassungen zu Ravel und Fauré, Mussorgski oder Smetana lassen Mayer von einem Anti-Adorno sprechen, einem "Gegenkanon" zu deutsch-österreichischen Musikschulen. Als Schlüssel zum Gesamtwerk des Autors taugt das kurze Werk laut Mayer, da Musik zu den zentralen Denkmotiven des Autors gehöre, aber auch, weil Jankelevitchs Denken in einer hier gut sichtbaren Verbindung von Gnostik und Drastik, Intellekt und Intuition bestehe. Dieselbe im Ton besser aufzuheben, hat die mit wenig "Mut zur poetischen Freiheit" gesegnete Übersetzung leider größtenteils versäumt, meint Mayer etwas traurig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2016

Es muss nicht immer die Wiener Schule sein
Mit "Die Musik und das Unaussprechliche" erscheint ein Hauptwerk von Vladimir Jankélévitch erstmals auf Deutsch

Der französische Philosoph Vladimir Jankélévitch (1903 bis 1985) blieb dem deutschsprachigen Publikum lange Zeit unbekannt. Erst in den letzten zehn Jahren sind einige seiner wichtigsten Schriften - wie "Die Ironie" (1964), "Der Tod" (1966) und "Das Verzeihen" (1967) - auf Deutsch erschienen. Für diese Verspätung gab es vor allem zwei Gründe. Der erste lag in der unversöhnlichen Haltung des Philosophen, der als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer und Kämpfer in der Résistance unwiderruflich mit Deutschland gebrochen hatte. Ein zweiter, ebenso gewichtiger Grund ist, dass das Philosophieren Jankélévitchs in der französischen Landschaft der Nachkriegszeit als durchaus unzeitgemäß, wenn nicht gar altmodisch anmuten musste. Denn der von Henri Bergson entscheidend geprägte Philosoph, der mehrere Jahrzehnte hindurch an der Sorbonne Moralphilosophie lehrte, ging konsequent auf Distanz zu den dominanten intellektuellen Strömungen seiner Zeit.

Mit "Die Musik und das Unaussprechliche", großteils bereits 1957 in einem Artikel unter dem nüchternen Titel "Philosophie et musique" ausgearbeitet und in Buchform 1961 erschienen, liegt nun ein weiteres Hauptwerk von Jankélévitch auf Deutsch vor. In seiner Kürze und programmhaften Anlage bietet es auch einen Schlüssel zu seinem Gesamtwerk, denn die Musik stand von Beginn an im Zentrum dieses Denkers, der seine Reflexionen, zumindest im privaten Kreis, auch selbst pianistisch begleiten konnte.

Jankélévitch war mit einer Reihe von Komponisten oder deren Nachfahren gut bekannt oder befreundet: so etwa mit Maurice Ravel oder mit dem erst jüngst wiederentdeckten katalanischen Komponisten Frederic Mompou, dessen "Musica callada" von Bedeutung für seine Reflexionen über das Schweigen in der Musik sind. Von einem bisher kaum sondierten Wechselspiel von philosophischer und musikalischer Praxis wiederum zeugt seine Freundschaft mit Gabriel Faurés älterem Sohn Philippe Fauré-Frémiet, dessen Schrift "Pensée et récréation" (1934) zahlreiche Resonanzen im Schreiben des Philosophen hat.

Sind mit den Namen Fauré, Ravel und Mompou drei stets wiederkehrende Referenzen Jankélévitchs im Bereich der Musik benannt, so sind auch die weiteren in der Zeit zwischen 1840 und 1940 hauptsächlich im französischen Repertoire situiert (Chopin, Debussy, Sévérac, Satie), mit gelegentlichen, aber wichtigen Ausflügen ins russische (Rimski-Korsakoff, Mussorgski, Skriabin, Prokofieff, Stravinsky), tschechische (Dvorak, Smetana, Janáccek), ungarische (Liszt, Bartók) und spanische Repertoire (Albniz, Falla).

Mit dieser Auswahl aus der Musikgeschichte stellt Jankélévitch bewusst einseitig und eigenwillig einen Gegenkanon zu der deutsch-österreichischen Musik der Wiener Klassik und Romantik auf, aber auch zur Zweiten Wiener Schule (Schönberg, Berg und Webern), als deren Theoretiker sich sein gleichaltriger Zeitgenosse Theodor W. Adorno besonders hervortun sollte. Ist Jankélévitch darum als eine Art "Anti-Adorno" zu verstehen, wie etwas plakativ aus dem Buchrücken der amerikanischen Ausgabe (2003) von "La musique et l'ineffable" zu lesen war? Und ist das Buch, wie die amerikanische Musikwissenschaftlerin Carolyn Abbate in einem vieldiskutierten Aufsatz behauptete, ein anti-musikwissenschaftliches Manifest, das eine "drastische", an der musikalischen Praxis orientierte Auffassung von Musik gegen eine "gnostische", textbezogene Befassung mit Musik ins Treffen führt? Damit wurde Jankélévitch' Buch in polemischer Verkürzung gegen analytische oder hermeneutische Ansätze in der Musikwissenschaft mobilisiert. Die deutsche Ausgabe, von einem kenntnisreichen Nachwort von Andreas Vejvar begleitet, steht erfreulicherweise im Zeichen einer mittlerweile erreichten differenzierteren Wahrnehmung von Jankélévitchs Musikphilosophie.

Jankélévitch geht es zuallererst um die Zuspitzung des Paradoxons, das jeglichen Diskurs über Musik betrifft: Die Musik ist keine Sprache, sie entwickelt keine Ideen und erzählt oder beschreibt keinen klar bestimmbaren Inhalt. Als "köstliches Vergnügen einer unnützen Beschäftigung", wie sie Ravel einmal mit einem Wort Henri de Régniers bezeichnet hat, scheint sie überdies ein zweifelhafter Gegenstand für philosophische Reflexionen zu sein. Dass die Musik in einer anderen, auf Sprache nicht reduzierbaren Ordnung operiert, verurteilt jedoch den Philosophen nicht zum Schweigen, sondern im Gegenteil zum stets erneuten Ansetzen, um dem spezifischen "Zauber" (charme) dieses "Beinahe-Nichts" wenigstens in Annäherungen gerecht zu werden. Die Musik mit dem "Unaussprechlichen", - oder besser dem Ungreifbaren und Unbestimmbaren zu identifizieren - führt somit zu keinem Mystizismus, wie Kritiker geargwöhnt haben, sondern zu einem Wissen um die Beschränktheit der Mittel. Auch Jankélévitch greift auf ein analytisches und hermeneutisches Instrumentarium zurück, sowie auf das Wissen des musikalischen Interpreten. Sein Text präsentiert sich so als ein Ineinandergreifen von Gnostik und Drastik, von Intellekt und Intuition.

Viel vom eigentümlichen Charakter dieser Art des Philosophierens hängt an ihrem Ton, und man ist versucht zu sagen, am Ton ihres Vortrags durch den Autor selbst. Wie Emmanuel Levinas bemerkte, prägte sich dieses "poetische Denken" durch eine Sprechweise ein, die "stets ein wenig atemlos war und in der, bei der äußersten Klarheit der Aussage, jedes Wort neu hervortrat, ebenso unvorhersehbar wie das vorangegangene". In der vorliegenden Übersetzung, die insgesamt sehr wörtlich ausgefallen ist, lässt sich dies nicht immer ganz nachvollziehen. Etwas Mut zur poetischen Freiheit hätte hier nicht geschadet. So erreicht die Stimme von Vladimir Jankélévitch, deren Tonfall in der Übersetzung zumindest gebrochen vernehmbar wird, nun auch seine deutschsprachigen Leser.

ANDREAS MAYER

Vladimir Jankélévitch: "Die Musik und das Unaussprechliche".

Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Mit einem Nachwort von Andreas Vejvar. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 268 S., geb., 29,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Die Musik und das Unaussprechliche ist kühn, auch ein wenig bizarr, dabei überaus ideenreich ausgeführt.« Gisela von Wysocki DIE ZEIT 20170119