Erst 2018 hat der Ulmer Verlag ein monumentales Werk über die Wildbienen veröffentlicht, das mit enzyklopädischem Umfang und einer bis dahin unerreichten Vollständigkeit Maßstäbe setzte. Paul Westrichs „Die Wildbienen Deutschlands“ war und ist ein Meilenstein.
Wenn nun kaum zwei Jahre später eine fast ebenso umfangreiche Monografie zum gleichen Thema erscheint, dann liegt es nahe, beide Werke eingehend miteinander zu vergleichen. Wiesbauer vs. Westrich: Wer eignet sich für was?
Betrachten wir zunächst das Erfassungsgebiet: Westrich beschränkt sich auf Deutschland, während Wiesbauer
Mitteleuropa (AT, CH, CZ, DE, HU, PL, SK, SL) bearbeitet. Im Vergleich zur ersten Auflage, die sich weitgehend auf Österreich fokussierte, bedeutet das bei Wiesbauer eine deutliche Erweiterung des…mehrErst 2018 hat der Ulmer Verlag ein monumentales Werk über die Wildbienen veröffentlicht, das mit enzyklopädischem Umfang und einer bis dahin unerreichten Vollständigkeit Maßstäbe setzte. Paul Westrichs „Die Wildbienen Deutschlands“ war und ist ein Meilenstein.
Wenn nun kaum zwei Jahre später eine fast ebenso umfangreiche Monografie zum gleichen Thema erscheint, dann liegt es nahe, beide Werke eingehend miteinander zu vergleichen. Wiesbauer vs. Westrich: Wer eignet sich für was?
Betrachten wir zunächst das Erfassungsgebiet: Westrich beschränkt sich auf Deutschland, während Wiesbauer Mitteleuropa (AT, CH, CZ, DE, HU, PL, SK, SL) bearbeitet. Im Vergleich zur ersten Auflage, die sich weitgehend auf Österreich fokussierte, bedeutet das bei Wiesbauer eine deutliche Erweiterung des Erfassungsgebiets, jedoch mit dem Nachteil, dass sich die systematische Vollständigkeit reduziert hat. Westrich beschreibt tatsächlich alle Arten Deutschlands (auch wenn es, aufgrund der Seltenheit, nicht von allen Fotos gibt), Wiesbauer erfasst nur etwa 50 % der im Gebiet vorkommenden.
Beide Autoren strukturieren das Thema in einen allgemeinen Teil, in dem Biologie und Ökologie im Fokus stehen, und einen speziellen Teil mit Artensteckbriefen. Der allgemeine Teil bei Westrich ist etwa doppelt so umfangreich wie bei Wiesbauer, wobei der größere Umfang in diesem Fall auch eine deutlich höhere Eindringtiefe und die ausführliche Behandlung von vielen Spezialthemen zur Folge hat. Alleine die Kapitel zur Verhaltensbiologie sind bei Westrich von einer Präzision und einer Detailfülle, wie sie Wiesbauer nicht erreicht. Um ein Beispiel zu nennen: Wildbienen sind oft hochgradige Nahrungsspezialisten. Westrich hat ein umfangreiches Kapitel zu Nahrungspflanzen und zum Pollensammelverhalten, mit Listen, die man sehr gut auch zur Eingrenzung bei der Artbestimmung heranziehen kann. Wiesbauer erwähnt zwar Oligo- oder Polylektie in den Artensteckbriefen, manchmal auch Pflanzengattungen, die als Nahrung dienen, liefert aber ansonsten keine aufbereiteten Hilfsinformationen. Eher auf Augenhöhe bewegen sich dagegen die Kapitel zur Landschaftsökologie und Gefährdungslage, auch wenn Wiesbauer generell einen eher volkstümlichen Tonfall wählt. Das gibt dem Ganzen aber auch eine persönliche Note, wenn er z. B. „Karls Garten“ beschreibt, wo die größten Bienenraritäten Österreichs ein Zuhause haben.
Die Artenportraits im speziellen Teil sind bei Westrich ebenfalls erheblich detaillierter und vor allem wissenschaftlich auf dem neuesten Stand. Zu jedem Faktum gibt es eine Quellenangabe, die Beschreibungen zum (Brut/Nist/Paarungs-)Verhalten und insbesondere den Nahrungspflanzen sind ausgesprochen ausführlich und präzise. Das alles findet sich bei Wiesbauer eher summarisch und ohne Quellenangabe. Im Gegensatz zu Westrich verzichtet Wiesbauer weitgehend auf Details wie Generationenfolge, Überwinterung oder der Beschreibung von Nist- oder Brutverhalten. Kuckucksbienen erwähnt Wiesbauer, weitere Parasiten dagegen nicht, anders als Westrich.
Die Qualität der Lebendfotografien ist in beiden Werken vergleichbar, ebenso wie die technische Wiedergabe. Beide Autoren sehen ihre Publikationen nicht als Bestimmungsbücher, aber als Bestimmungshilfe, z. B. zur Rückbestätigung, wobei Westrich alleine wegen der vielen Zusatzinformationen hier die bessere Quelle ist. Im Einzelfall hilft sowieso nur ein Sezierbesteck, Mikroskop und Fachliteratur.
Zusammenfassend hat Wiesbauer gegenüber Westrich in beiden Teilen Lücken, sowohl was Umfang, Eindringtiefe und wissenschaftliche Dokumentation angeht. Wer sich mit dem Thema Wildbienen wirklich intensiv beschäftigen will, der kommt aus meiner Sicht an Westrich nicht vorbei, wer dagegen einen gut ausgestatteten Bildband (diese Bezeichnung verwendet Wiesbauer selber mehrfach) für einen ersten Eindruck sucht, der interessante Informationen und einen soliden ökologischen Hintergrund liefert, ist auch mit Wiesbauer gut bedient.