Bei der Lektüre von Ich liebe dich, aber nicht heute kam mir eine Redewendung in den Sinn: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.
Genau das macht Liane, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Gut aussehend, beruflich erfolgreich, privat ein gern gesehener Gast bei Freunden. Doch
weil ihr in ihrer Beziehung mit Marius ein wenig das Kribbeln abhandengekommen ist, beschließt sie…mehrBei der Lektüre von Ich liebe dich, aber nicht heute kam mir eine Redewendung in den Sinn: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.
Genau das macht Liane, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Gut aussehend, beruflich erfolgreich, privat ein gern gesehener Gast bei Freunden. Doch weil ihr in ihrer Beziehung mit Marius ein wenig das Kribbeln abhandengekommen ist, beschließt sie etwas dagegen zu unternehmen.
Setzt sie auf mehr Spontanität? Romantik? Liebesurlaub? Reizwäsche? Rollenspielchen? Nein, obwohl Hauptmann Liane durchaus recht klar beschriebene Sex-Abenteuer erleben lässt. Vielmehr sollen sich Marius und Liane andere Partner suchen, sich verlieben und sich gegenseitig davon berichten. Wirklich betrügen können sie sich so nicht. - Wer es braucht, kann damit glücklich werden. Auch wenn die Idee an sich natürlich den Stolperstein birgt, dass derjenige, der sich verliebt, gar nicht in die alte Beziehung zurück will.
Es gibt noch einen weiteren Erzählstrang, in dem Liane durch einen dummen Zufall ins Visier skrupelloser Verbrecher gerät. Doch keine Angst, die Autorin hat nicht das Genre gewechselt - der Fokus liegt auf Lianes Versuch, Prickeln in ihr Leben zu bekommen.
Bedauerlicherweise kam keine wirkliche Spannung oder Lesespaß auf. Auch die erwähnten Sex-Abenteuer sind nicht so prickelnd beschrieben, dass sie zum schnelleren Umblättern animieren. Insgesamt erscheint der gesamte Roman zu distanziert. Wirkliche Gefühle konnte ich weder bei Liane noch bei Marius, der recht rasch auf Lianes Plan eingeht, entdecken. Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass Liane nicht völlig aus der Luft gegriffen wirkt. Auch ihre Idee dürften reale Paare schon vorgelebt haben. Doch greifbarer macht das Hauptmanns Hauptfigur nicht. Zu den übrigen Beteiligten ist zu sagen, dass sie eher unscheinbar bleiben, sind sie doch allenfalls schmückendes Beiwerk für Lianes Egotrip. Emotionen kann man durch die Art der Beschreibung als LeserIn nicht miterleben und bleibt außen vor. Ich weiß zwar, dass die Hauptfigur vom Bodensee nach England, von dort ganz spontan nach Italien und zurück an den See, kurz nach Ibiza und wieder zurück an den See flattert, doch mitgerissen hat sie mich nicht. Zu trocken gestaltete sich in diesem Zusammenhang teils auch die Beschreibung der Handlungsorte. Der zweite Erzählstrang wirkt im Hinblick auf Lianes Verhalten schlicht unglaubwürdig. Gerät sie in Panik? Das sollte man annehmen. Doch bei Liane hält die Panik gerade mal so lange vor, bis sie sich daran erinnert, dass sie doch etwas erleben möchte. Ihre amourösen Abenteuer scheinen nicht nur wichtiger als ihre Arbeit oder ihre Beziehung zu sein, ihr Leben an sich nimmt den gleichen Stellenwert ein.
Die Intention hinter der Aktion erscheint verwaschen. Hauptmanns Beschreibungen lassen Liane wie jemanden wirken, der nichts mit sich anzufangen weiß. Angst hat etwas zu verpassen, ohne wirklich verzweifelt darüber zu sein. Angesichts der Retourkutsche von Marius sollte man annehmen, dass es da mehr zu schreiben gäbe. Allerdings beschreibt die Autorin so einiges wesentlich ausführlicher, als das klärende Gespräch zwischen Liane und ihrem Partner, bevor sie das Ende rosarot angehaucht ausklingen lässt.
Lebendige, spritzige Dialoge könnten die eine oder andere Länge übertünchen, doch die sucht man meist vergeblich. Öfter findet man zähe Überlegungen, Plattitüden und pseudo-philosophische Schwafeleien. Ein Buch, in dem sich blasse Charaktere in der seicht vor sich hinplätschernden Handlung eher treiben lassen als agieren. Irgendwie hatte ich meine anderen Hauptmann-Romane unterhaltsamer und peppiger in Erinnerung.
© 2013 Antje Jürgens