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Alyce weiß nicht, wie sie Fischen und Tanzen in Einklang bringen soll. Ruth hat ein Geheimnis, das sie nicht mehr lange verbergen kann. Dora will ihren Vater nie wieder sehen und wird von Dumplings Familie aufgenommen. Hank und seine Brüder hauen von zu Hause ab, doch einer von ihnen gerät dabei in große Gefahr. Und trifft auf Alyce ... Hier, unweit des nördlichen Polarkreises, wo der Alltag manchmal unerbittlich ist, kreuzen sich ihre Lebenswege immer wieder. Sie kommen einander näher, versuchen einander zu retten. Und wenn man es am wenigsten erwartet, gelingt es.
Deutscher Jugendliteraturpreis 2017
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Produktbeschreibung
Alyce weiß nicht, wie sie Fischen und Tanzen in Einklang bringen soll. Ruth hat ein Geheimnis, das sie nicht mehr lange verbergen kann. Dora will ihren Vater nie wieder sehen und wird von Dumplings Familie aufgenommen. Hank und seine Brüder hauen von zu Hause ab, doch einer von ihnen gerät dabei in große Gefahr. Und trifft auf Alyce ... Hier, unweit des nördlichen Polarkreises, wo der Alltag manchmal unerbittlich ist, kreuzen sich ihre Lebenswege immer wieder. Sie kommen einander näher, versuchen einander zu retten. Und wenn man es am wenigsten erwartet, gelingt es.

Deutscher Jugendliteraturpreis 2017
Autorenporträt
Bonnie-Sue Hitchcock ist in Alaska geboren und aufgewachsen. Sie war viele Jahre mit ihrer Familie in der Fischerei tätig und zog ihre Kinder auf einem Boot groß. Außerdem arbeitete sie als Reporterin für Alaska Public Radio und war Moderatorin und Produzentin der "Independent Native News" mit Schwerpunkt auf den indigenen Völkern Nordamerikas.

Sonja Finck übersetzt aus dem Englischen, Französischen und Spanischen. Für ihre Übersetzung des Romans Fever von Leslie Kaplan bekam sie den André-Gide-Preis der DVA-Stiftung verliehen. Sie lebt in Berlin und Kanada.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2016

Mutter war halb Mensch, halb Robbe

Eine glückliche Greisin duftet nach Möbelpolitur: Bonnie-Sue Hitchcock zeichnet den Weg von vier Jugendlichen nach, die im jungen Bundesstaat Alaska ihren Platz in der Welt suchen.

Während eines sommerlichen schottischen Regenschauers im Jahr 1881 gelingt es Robert Louis Stevenson, seinen zwölfjährigen Stiefsohn Lloyd mit einer Zeichnung zum Verbleib in der trockenen Wohnstube zu bewegen. Er skizziert die Umrisse einer Insel: "Sie war aufwendig und (wie ich fand) wunderschön gefärbt", erinnert er sich später in einem Essay, das Ergebnis nennt er "Die Schatzinsel". Interessant ist dabei seine Beschreibung des kreativen Prozesses: "Ihre Form beflügelte meine Fantasie auf unsagbare Weise", notiert er, so dass er die zukünftigen Figuren des Buches "zwischen imaginären Wäldern" lebhaft vor sich sieht. Die Karte war für Stevenson nicht nur die Erschließung eines Handlungsorts für den späteren gleichnamigen Roman, sondern die Voraussetzung für die Entwicklung von Geschehen und Charakteren.

Auf die vermeintlich einfache Frage - Wo spielt Literatur? - gibt auch die amerikanische Schriftstellerin Bonnie-Sue Hitchcock eine vermeintlich einfache Antwort: mit einer Landkarte. So finden sich auf den ersten beiden Seiten ihres Debütromans "Der Geruch von Häusern anderer Leute" nicht regelmäßige schwarze Striche, also Buchstaben, sondern unregelmäßige gewölbte, dicke und dünne, durchgehende und gestrichelte. Die Karte zeigt Amerikas größten Bundesstaat Alaska in weißer und grauer Schattierung, rechts daneben das noch größere Kanada. Drei grob gepinselte Häuschen markieren den Wohnort der Protagonistinnen Dora, Ruth und Alyce in der Stadt Fairbanks, ein kleines schwarzes Kreuz kennzeichnet das Kloster "Unsere Jungfrau des ewigen Leids" etwa 800 Kilometer südöstlich, während ein weitläufiges Fischfanggebiet im Süden sich in sattem Dunkelgrau abhebt.

Hitchcocks Karte ist, so wie einst Stevensons, mehr als eine Metapher, und der Ort, den sie abbildet, mehr als eine Kulisse: "Der Geruch von Häusern anderer Leute" ist auf zweierlei Weise ein Entwicklungsroman, denn das Erwachsenwerden der Figuren vollzieht sich im Alaska der sechziger und siebziger Jahre. Dieses befindet sich in einer ähnlichen Schwellensituation wie die jugendlichen Helden, seit es 1959 vom "Territorium" zum neunundvierzigsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten wurde - einem abgelegenen, abstrakten Ort, den sich die Figuren als mit Waschmaschinen und Trocknern gefüllt vorstellen, und von dem sie nur als "der Süden" sprechen. Kein Wunder, liegen die Städte Fairbanks und Anchorage doch näher bei Tokio als bei Washington DC.

Der Roman alterniert zwischen den vier Perspektiven familiengeplagter Ich-Erzähler, die alle ein Aufgebot an Randfiguren mit sich bringen: Ruth, die ungewollt schwanger wird und von ihrer strengen Großmutter in ein kanadisches Kloster geschickt wird; Dora, die sich nicht sicher sein kann, was schlimmer ist - die Realität ihrer gewalttätigen und alkoholsüchtigen Eltern oder die Möglichkeit, bei den fürsorglichen Eltern ihrer Freundin Dumpling einzuziehen und so jeden Tag die Mangelhaftigkeit ihrer eigenen Familie zu spüren; Alyce, deren hochfliegender Traum vom Tanzstudium beschwert wird durch die Pflichtgefühle gegenüber ihrem hart arbeitenden Lachsfischer-Vater; und, viele Kilometer weiter, im Alexanderarchipel, Hank, der seine Mutter und deren neuen Freund in Sitka zurücklässt, um mit seinen zwei jüngeren Brüdern als blinde Passagiere an Bord eines Fährschiffs gen Süden zu gehen.

Hitchcock, die fünfzehn Jahre als Journalistin für das Alaska Public Radio gearbeitet hat, beweist eine Vorliebe für Zusammenhänge - zwischen Gesellschaft und Individuum, Mensch und Natur, sogar Legende und Wirklichkeit. Ruths Vater kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, auf dem Weg zurück aus Kanada, wo er sich gegen das Bundesstaatengesetz einsetzen wollte. In Ruths Vorstellung wird dieses zum Naturereignis, dem auch ihre Mutter zum Opfer gefallen sein muss, als sie einfach verschwindet: "Als Mama am nächsten und übernächsten und überübernächsten Tag nicht zurückkam, nahm ich an, dass das Bundesstaatsgesetz auch ihr etwas angetan hatte." Alyce wiederum stellt sich vor, dass ihre Eltern sie "im Regenwald gefunden haben, eine magische Kreatur aus Moos und Bartflechten". Und auch Ruths beste Freundin, die als Baby adoptiert wurde, erzählt manchmal, ihre Mutter sei eine Selkie, eine mythische Seekreatur, halb Mensch, halb Robbe, und würde im Meer leben. Hitchcock scheint ihr recht zu geben - das Mädchen hat tatsächlich schwarze Robbenaugen und heißt, wenn schon nicht Selkie, zumindest Selma.

Wie dicht allerdings auch die Biographien einzelner Figuren miteinander verzweigt sind, offenbart sich erst nach und nach. Selma zum Beispiel weiß nichts über ihre Herkunft - bis ein Seemann von einem neugeborenen Mädchen erzählt, das er vor Jahren auf einer Hafentoilette fand, vor dem Erfrieren bewahrte und Selma nannte. Hank hingegen ist nach Ankunft der Fähre in Kanada nicht nur unterwegs nach Fairbanks, wo Selma, natürlich ohne sein Wissen, wohnt. In einem kanadischen Gemischtwarenladen begegnet er zwischendurch auch noch Ruth und findet ihre verlorene rote Haarschleife, ein Geschenk von Dumpling, überbracht mit den Worten: "Manchmal braucht man etwas, woran man sich festhalten kann." Am Ende treffen sich alle am Busbahnhof in Fairbanks, ohne sich abgesprochen zu haben.

So sonderbar artifiziell diese Entwicklungen auf den ersten Blick erscheinen mögen - Hitchcock hantiert mit Schicksal und Zufall nicht fahrlässig. Vielmehr handelt es sich hier um ein radikales Aufbegehren gegen das Gefühl existentieller Einsamkeit und, viel schlimmer noch, des Alleingelassenseins, das sich kontinuierlich durch diesen Roman voller Halbwaisen, Adoptivkinder und Vernachlässigter zieht. Ruth formuliert es am deutlichsten: "Ich bin ganz allein auf der Welt. Das Gefühl überkommt mich urplötzlich." An kaum einem anderen Ort kann man diesen Satz so ernst meinen wie in Alaska um 1970, wo (gemäß den verlässlichsten, dennoch ziemlich unverlässlichen Statistiken) ungefähr doppelt so viele Paarhufer wie Menschen gezählt wurden. In einem einsamen, oft ungastlichen Raum wie Alaska, oder auch der Psyche eines Jugendlichen, ist das Gefühl, das eigene Dasein habe weder Kontext noch Konsequenzen, nie weit. Dumpling hat schon recht - man muss sich an etwas, an jemandem festhalten können. Dazu ist es hilfreich, Ereignissen, Erinnerungen und Mitmenschen rote Schleifen umzubinden, wirkliche oder imaginäre. Wie könnte man sie sonst je wiederfinden? Ja, wie sich selbst finden, wenn nicht im ständigen Bezug auf andere?

Die stärkste orientierungs- und identitätsstiftende Kraft verortet Hitchcock interessanterweise in etwas Immateriellem. Die Luft in Alaska ist voller Gerüche, sie haften an Orten genauso wie an Gefühlen, Erinnerungen und Träumen. Die Jugendlichen, wahre Synästhetiker, sammeln sie alle - Väterdüfte aus Hirschblut und Old Spice Parfüm, das nach den Zedernholzmöbeln des ersten Freundes riechende Gefühl, zum ersten Mal richtig gesehen zu werden. Freundschaft riecht wie frisch geerntete Blaubeeren und die Gedanken an die eigenen Versagereltern nach schwarzem Rauch und angebranntem Toast. Es ist vor allem ihr nuancierter Geruchssinn, eigentlich ein System zur Erfassung der eigenen emotionalen Landschaften, der es den Figuren ermöglicht, festzustellen: Wer bin ich? Wer nicht? Wer sind die anderen? Wie Ruth im Laufe der Zeit bewusst wird, duften Häuser, in denen Mütter wohnen, anders als mutterlose (Erstere deutlich mehr nach Wildblumen als Letztere). Und eine mit dem Schicksal hadernde Großmutter anders als eine mit ihm versöhnte (neben Möbelpolitur, Spülmittel und Hills-Brothers Kaffee auch noch nach einer Gesichtscreme der Sorte Milch und Honig).

Als phantasievolle Kartographin widmet sich Hitchcock den Leben der Figuren, ihre Buchstaben sind reißende Flüsse und chaotische Meere, ihre Wörter Linien und Kurven, ihre Sätze Straßen. Den Prozess des Erwachsenwerdens ebenso biographisch wie geographisch beleuchtend, zeigt sie eindrücklich, was es bedeutet, den eigenen Platz in der Welt zu suchen.

KATHARINA LASZLO.

Bonnie-Sue Hitchcock: "Der Geruch von Häusern anderer Leute".

Aus dem Englischen von Sonja Finck. Verlag Königskinder, Hamburg 2016. 320 S., geb., 17,99 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2016

Blinde
Passagiere
Jugendliche im Alaska
der siebziger Jahre
Der Geruch von Hirschblut, Wildblumen, alten Leuten und Zedernholz, von nordamerikanischen Hemlocktannen und sogar von Schuld und Sühne – all diese Gerüche finden sich in einem Roman, den man so schnell nicht vergisst. Man kann die Häuser förmlich sehen, alles riechen, die Stimmungen empfinden. Und das, obwohl sich die Geschichten zigtausend Meilen entfernt und 46 Jahre vor unserer Zeit ereignen – im Debütroman der in Alaska aufgewachsenen und lebenden Autorin Bonnie-Sue Hitchcock, der im Original The Smell of Other Peoples' Houses heißt. Es ist der Übersetzerin Sonja Finck und dem Lektorat des Carlsen Verlags hoch anzurechnen, dass sie den Titel eins zu eins ins Deutsche übertrugen: Der Geruch von Häusern anderer Leute.
  Es ist nicht so, dass man als Leser in diesem Jugendroman ständig von einem Geruchsort zum nächsten stolpert. Die Gerüche existieren vielmehr wie selbstverständlich in der Geschichte – besser gesagt: in den Geschichten, den Erinnerungen der vier Erzähler Ruth, Dora, Alyce und Hank, die aus ihren persönlichen Perspektiven, und anfangs völlig unabhängig voneinander, von Ereignissen berichten, die ihnen im Jahr 1970 widerfuhren.
  Die Ereignisse führen die Leser nach Fairbanks in Zentralalaska, wo Ruth, Dora und Alyce leben und tausend Meilen südöstlich auf den Fischkutter von Alyces Vater, und auf ein Fährschiff, auf dem Hank und seine beiden Brüder als blinde Passagiere von ihrem ungeliebten Zuhause flüchten. Selbst die Kreise der 16jährigen Mädchen aus Fairbanks scheinen sich nur gelegentlich zu berühren. Man könnte von einem Roman sprechen, in dem sich Episoden aus dem Leben einzelner Menschen auf wundersame Weise zu einem größeren Ganzen zusammenfügen: Durch Zufälle, durch das, was man Schicksal nennt, oder durch die Zauberhand der Autorin, die ihren Figuren Leben einzuhauchen vermag. Im Alltagsmilieu. In den Träumen. In den Sichtweisen auf das Geschehen und in der individuellen Poesie der Sprache. Das alles eingebunden in die atemberaubende Landschaft, das raue Meer und die Schrecknisse zivilisierter Orte.
  Dabei eröffnet sich die ganze Vielfalt des Lebens im fernen Alaska. Katholische Frömmigkeit, Liebessehnsüchte, gegenseitige Hilfe, eine schier unüberwindbare Kluft zwischen wohlhabenden und armen Menschen, katastrophale Familienverhältnisse, Gewalt, die Geborgenheit intakter Gemeinschaften, die harte Arbeit von Fischern und Jägern, die unterschiedlichen Lebensweisen von Inupiat – den Ureinwohnern – Athabaskan – den Indianern und den Weißen. Dieser Kosmos kommt einem auch deshalb nahe, weil die Räume, die Orte und Landschaften für die Leser so fassbar erscheinen wie die Seelenstimmungen der Menschen, selbst wenn wir hier in einem ganz anderen Kultur- und Naturkreis leben. Auf eigentümliche Weise verbinden sich die Schauplätze mit Erinnerungen an eigene sinnliche Erfahrungen von Gerüchen von Häusern anderer Leute und den Geschichten, die wir damit verbinden. (ab 14 Jahre)
SIGGI SEUSS
Bonnie-Sue Hitchcock: Der Geruch von Häusern anderer Leute. Aus dem Englischen von Sonja Finck. Königskinder 2016. 320 Seiten, 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dieser wunderbare Jugendroman besticht schon allein durch seine olfaktorischen Reize, versichert Rezensent Siggi Seuß, der hier die Wildblumen, das Hirschblut oder das Zedernholz geradezu zu riechen meint. Und dass Bonnie Sue Hitchcock in ihrem Debütroman all diese Gerüche auch noch brillant in die aus vier verschiedenen Episoden bestehende Geschichte über Ereignisse in Zentralalaska im Jahr 1970 zu einzubinden weiß, ringt dem Kritiker ohnehin große Anerkennung ab. Und so taucht er fasziniert ein in diesen poetischen Roman voller grandioser Landschaftsschilderungen, der von katholischer Frömmigkeit, Liebessehnsüchten, Gewalt und der Kluft zwischen Armen und Reichen ebenso erzählt wie von den Inupiat und der Arbeit von Fischern und Jägern.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Man kann die Häuser förmlich sehen, alles riechen, die Stimmung empfinden." Siggi Seuss Süddeutsche Zeitung 20160624