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Horror-Comics gibt es seit den frühen 1950er-Jahren. Sofort wurden sie von konservativen Kräften der amerikanischen Gesellschaft der McCarthy-Ära angefeindet, was 1954 zur Verabschiedung eines Selbstzensur-Codes der Industrie führte. Zensur ist eigentlich ein No-Go für westliche Demokratien, aber Horrorcomics - insbesondere die des EC-Verlags - waren zu subversiv, zu gesellschaftskritisch und zu autonom im Sinne einer unerwünschten Jugendkultur. Ab den späten 1960er-Jahren setzte schließlich eine Liberalisierung ein und Horror wurde zu einer festen Größe der Pop- und Comic-Kultur. Vampire,…mehr

Produktbeschreibung
Horror-Comics gibt es seit den frühen 1950er-Jahren. Sofort wurden sie von konservativen Kräften der amerikanischen Gesellschaft der McCarthy-Ära angefeindet, was 1954 zur Verabschiedung eines Selbstzensur-Codes der Industrie führte. Zensur ist eigentlich ein No-Go für westliche Demokratien, aber Horrorcomics - insbesondere die des EC-Verlags - waren zu subversiv, zu gesellschaftskritisch und zu autonom im Sinne einer unerwünschten Jugendkultur. Ab den späten 1960er-Jahren setzte schließlich eine Liberalisierung ein und Horror wurde zu einer festen Größe der Pop- und Comic-Kultur. Vampire, Werwölfe, Frankensteins Monster: sie alle wurden jetzt auch als Comic adaptiert. Dazu Geister und Dämonen, Okkultismus und Zombies, sowie Manga-Gore aus Japan.Diese Publikation präsentiert 70 Jahre Horror-Comics, vorgestellt durch seltene Dokumente und Meisterwerke von Graham Ingels, Jack Davis, Bernie Wrightson, Richard Corben, Mike Mignola, Hideshi Hino, Shintaro Kago u.v.m. - darüber hinaus liefert Alexander Braun ganz nebenbei auch einen spannenden Ritt durch Gesellschafts- und Kulturgeschichte.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Fritz Göttler lässt sich von Alexander Braun gern einladen auf einen Trip in den Untergrund der amerikanischen Kultur. Der Kunsthistoriker widmet sich dem Horror im Comic, begonnen 1946 bei den ersten Heften von EC, die mit Darstellungen von Sex, Gewalt und Unterdrückung Tabus brachen und die "Lust am Anarchischen" befriedigten, wie Göttler erinnert. Bereits in den Fünfzigern wurde auf Drängen der Republikaner ein Code zur Zensur der Inhalte verabschiedet, so wurden sie als Underground Comics publiziert, bis sich die Regulierung wieder lockerte, fährt Göttler fort. Diesen Kampf zwischen Anarchie und Zensur zeichnet Braun zunächst sehr lesenswert nach, um sich dann im zweiten Teil thematischen Aspekten wie Zombies, Psychopathen und der Apokalypse zu widmen, freut sich der Rezensent, der mit dem Autor schließlich auch noch in italienische Horror-Comics der Siebzier und Achtziger lugt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2022

Verführung zum Grauen
Wie Horror im Comic die Bilder unseres Unterbewussten ans Licht
brachte und deswegen bald in den Untergrund gedrängt wurde
VON FRITZ GÖTTLER
Das Markenzeichen war EC, es signalisierte Horror pur im amerikanischen Comic, in all seinen drastischen Formen. Und ein drastisches Ereignis gab es zu Beginn der EC-Verlagsgeschichte, einen Crash. Der Verleger Max Gaines hatte in den Dreißigern erkannt, dass man die beliebten kurzen Bildgeschichten nicht nur den Zeitungen verkaufen konnte, als Comic-Streifen, sondern in eigenen Heften, am Kiosk. Educational Comics nannte er sie erst mal, und die startete er 1946 in seinem eigenen Verlag, biblische oder pädagogisch instruktive Bildgeschichten für Jugendliche. Ein Jahr später, bei einem Ferienaufenthalt am Lake Placid, raste ein Sportboot in das Boot von Max Gaines, bei dem Unfall kam auch der Verleger zu Tode, am 20. August, einen Tag vor seinem 53. Geburtstag.
Der Sohn Bill Gaines übernahm, er scharte kreative junge Erzähler und Zeichner um sich, aber mit ganz anderen Vorgaben – innerhalb von zwei Jahren hatte er die Educational in Entertaining Comics umgewandelt und Heftserien etabliert wie „Vault of Horror“ oder „Crypt of Terror“. Das Markenzeichen EC war etabliert.
Die EC Bände waren Störenfriede, sagt Alexander Braun, der unermüdliche Comic-Fan und -Chronist, der nach diversen Studien und Ausstellungen zu Winsor McCay, George Herrimans Krazy Kat oder Will Eisner seinen neuen Wälzer dem Horror in den Comics widmet – mit jeder Menge Abbildungen, die die Lust am Schaurigen, Anarchischen, Halloweenesken befriedigen, die erschüttern und verstören. Eine Pathologie des Untergrunds der amerikanischen Kultur und der Aktionen der puritanischen Nachkriegsgesellschaft dagegen. Alles findet diese Gesellschaft in diesen Comics ins Bild gebracht, was sie mit Tabus belegt, Sexualität, Unterdrückung, exzessive Gewalt. Im Dezember 1953 gab es eine Story in ShockSuspenStories über den Ku-Klux-Klan in einem Städtchen, der eine weiße Frau mit hundert Peitschenhieben bestraft, weil sie sich mit falschen Leuten eingelassen hatte, sie überlebt das nicht. Die Story endet mit einem emphatischen Appell, sich solcher Zerstörung demokratischer Freiheiten zu widersetzen. Horror mit einem erstaunlich moralischen Impuls.
Die schmerzliche Aggressivität dieser Bilder gegen den menschlichen Körper – Deformation, Verstümmelung, gespreizte Finger, schreckensweite Augen – hat eine lange Tradition in der darstellenden Kunst, die Alexander Braun aufgreift, Rembrandts „Die Anatomie des Doktor Tulp“, Artemisia Gentileschis oder Caravaggios „Judith und Holofernes“, oder, ein schockierender Hingucker, Jan de Baens „Die Leichen der Brüder De Witt“, um 1672, kastriert und ausgeweidet. Susan Sontag bringt Pornografie und Body Horror zusammen, es sei „der Appetit auf Bilder, die Schmerzen leidende Leiber zeigen, fast so stark ... wie das Verlangen nach Bildern, auf denen nackte Leiber zu sehen sind“. Und Alexander Braun kommentiert: „Beides wollen zu dürfen ist ein Grundrecht.“
Das sahen die Republikaner in Amerika anders, sie reagierten empfindlich auf die Horror-Comics, die ihnen die eigene Vergänglichkeit schmerzlich bewusst machten. Ein Senatsausschuss wurde eingerichtet, der die Gefährdung der Jugend untersuchen sollte – gleich dem, der die kommunistische Unterwanderung Hollywoods untersuchte. Sein akademischer Prophet war der Psychologe Dr. Fredric Wertham, mit seinem Bestseller „Seduction of the Innocent“. Bill Gaines und sein Verlag bekamen die volle Breitseite ab, die Konkurrenz duckte sich weg. 1954 wurde die Comics Magazine Association of America (CMAA) gegründet, so wie es die Filmindustrie in den Zwanzigern gemacht hatte, als sie den ominösen Hays Code einführte. Man verzichtete auf alle brisanten, aber auch gesellschaftskritischen Aspekte. Der Verlag von Bill Gaines überlebte nur durch den Erfolg seines satirischen MAD Magazins.
Der Code provozierte natürlich Widersetzlichkeit, und die Underground Comics der Sechziger nahmen die Selbstkontrolle sowieso nicht ernst. 1971 wurden dann die Regeln des Codes gelockert, bestimmte Motive wurden wieder zugelassen, wenn es eine literarische Tradition dafür gab – Dracula, Frankenstein und sein Monster, der Wolf Man. Mit diesen stieg dann Marvel sofort groß ins Horror-Geschäft ein. Gegen diese starke Konkurrenz bot der kleine unabhängige Warren Verlag Vampirella auf, eine Vampirin, für die Frank Fazetta, der Flesh-and-Fantasy-Star-Illustrator, ein gewagtes rotes Kostüm kreierte.
Im ersten Teil berichtet Brauns das Buch vom Kampf zwischen Anarchie und Zensur, im zweiten öffnet er sein unerschöpfliches Archiv mit thematischen Aspekten, Geister und Zombies, Apokalypse und Psychopathen, Unterwasserwesen und Outer Space. George A. Romeros Klassiker „Night of the Living Dead“ wird dabei mit dem Lynchmassaker von Tulsa 1921 in Zusammenhang gebracht, der pathologische Horror der Hexenverfolgung erwischt sogar Batman und Superman, als es sie nach Salem im Jahr 1692 verschlägt, wo Batman auf dem Scheiterhaufen landet.
Sehr stimmungsvoll ist, fast ein Epilog, der Blick auf italienische Horror-Comics, von denen man einst lustvolle Eindrücke erhaschte beim Italien-Urlaub in den Siebzigern und Achtzigern, Kriminal oder Diabolik oder Satanik ... Oder der Ermittler Dylan Dog, ein trockener Alkoholiker, Vegetarier, VW-Käfer-Fahrer, sein Assistent heißt (und schaut aus wie) Groucho, und die Titelbilder sind schon mal von Magritte inspiriert. „Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass Dylan Dog, einer der klügsten Genre-Comics überhaupt, mehr oder weniger ein italienisches Phänomen geblieben ist.“
Als die Zensur gelockert wurde,
stieg Marvel ins Horror-Business
ein. Eine starke Konkurrenz
Alexander Braun:
Horror im Comic.
Avant Verlag,
Berlin 2022.
457 Seiten, 49 Euro.
Steve Ditko, der später bei Marvel zusammen mit Stan Lee Spiderman erfand, entwarf diesen geifernden Riesenwurf für ein Cover für „The Thing“ (1954).
Foto: Avant Verlag
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