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»Flucht und Asyl« lautete das Thema, mit dem sich im Sommersemester 2015 Studierende der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule Augsburg beschäftigten. Recherchiert wurde im Augsburger Grandhotel Cosmopolis, wo Flüchtlingsarbeit erfolgreich neuartige Wege geht. Dort fanden im offenen Cafébereich alle Begegnungen statt, aus denen die Geschichten dieses Heftes entstanden. Neben den Flüchtlingen kamen auch ehrenamtlich Tätige sowie Cafébesucher mit und ohne Migrationshintergund zu Wort. Auch die Studierenden selbst begannen, ihre persönlichen Wahrnehmungen des Projekts zu reflektieren und…mehr

Produktbeschreibung
»Flucht und Asyl« lautete das Thema, mit dem sich im Sommersemester 2015 Studierende der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule Augsburg beschäftigten. Recherchiert wurde im Augsburger Grandhotel Cosmopolis, wo Flüchtlingsarbeit erfolgreich neuartige Wege geht. Dort fanden im offenen Cafébereich alle Begegnungen statt, aus denen die Geschichten dieses Heftes entstanden. Neben den Flüchtlingen kamen auch ehrenamtlich Tätige sowie Cafébesucher mit und ohne Migrationshintergund zu Wort. Auch die Studierenden selbst begannen, ihre persönlichen Wahrnehmungen des Projekts zu reflektieren und aufzuzeichnen. So entstanden acht vielschichtige Comicreportagen, locker verbunden durch mehrere fiktionale Sequenzen, die Inhalte ergänzen, Lokalkolorit hinzufügen und Augsburgs historische Verknüpfungen zum Thema Krieg und Religionsfrieden anklingen lassen. Der Ton der Erzählungen wechselt zwischen heiter und ernst - ganz wie das Leben ...
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.03.2016

In die Seele gezeichnet
Bei diesem Comic-Band gibt es nichts zu lachen: Design-Studenten der Hochschule Augsburg erzählen die Lebensgeschichten und Schicksale von Flüchtlingen
Augsburg – Normal ist an diesem Comic-Buch gar nichts. Weder die Entstehungsgeschichte noch der Aufbau. Auch die erzählten Storys sind nicht das, was man von einem Comic-Band gewöhnt ist. Man erwartet lustige oder anderweitig unterhaltsame Geschichten, die der Fantasie des Zeichners entsprungen sind. Meist sind Comics gemalte Fiktion und gelten als leichte Kost. Dieses 90-seitige Taschenbuch ist ganz anders. Der Titel „Geschichten aus dem Grandhotel“ klingt nach einer Pointen-Sammlung aus einem Fünf-Sterne-Palast, doch der Untertitel stellt klar, worum es wirklich geht: „Comics aus der Wirklichkeit. Blicke in den Flüchtlingsalltag“.
  Gestaltet wurde das Buch von Studenten der Hochschule Augsburg. Die „Projektgruppe Comic-Werkstatt“ der Fakultät für Gestaltung hat sich mit Flüchtlingen getroffen und deren Lebensgeschichten mit dem Zeichenstift dokumentiert. Das Ergebnis ist spannend und beeindruckend. Jede der acht Comic-Reportagen ist berührend, manche bedrückend. Heitere Pointen bietet dieses Buch nicht. Sondern schwere Schicksale.
  Schon die erste Story rührt fast zu Tränen. Sie heißt „Meine stärkste Erinnerung an Zuhause“ und spielt in Palästina. Danach erzählt ein Afrikaner, wie ihn Schlepper irgendwo vor Australien zwangen, vom Schiff zu springen. Er überlebte durch viel Glück. Und Pouya aus Afghanistan berichtet, wie die Taliban einen Bombenanschlag auf seine Familie verübten, weil er in einem vom Westen finanzierten Krankenhaus arbeitete. Die Bombe verfehlte ihre Wirkung nicht: Sein Vater starb. Pouya ergriff die Flucht.
  Passend zum Thema sind die meisten Geschichten recht düster gestaltet. An manchen Stellen merkt man, dass hier Nachwuchskünstler am Werk waren, die ihren Abschluss noch vor sich haben. Der Projektleiter und Dozent Mike Loos ist dennoch zufrieden: „Ich bin schon stolz, denn in wenigen Wochen einen Comic zu recherchieren und fertigzustellen, ist ein dickes Brett.“ Die Design-Studenten hatten ein Semester lang Zeit, ihre Comics zu Papier zu bringen.
  Getroffen hatten sie die Flüchtlinge im Augsburger „Grandhotel Cosmopolis“. Das ist kein Luxushotel, sondern ein utopisches Projekt einer Handvoll Künstler. Sie haben ein leer stehendes Altenheim in eine Herberge für Flüchtlinge und für „normale“ Übernachtungsgäste umgebaut. Anfangs gab ihnen keiner eine Chance, heute aber sind sie bundesweit bekannt. Ihre „soziale Plastik“, wie sie ihr Kind nennen, ist nicht nur Hotel und Flüchtlingsunterkunft, sondern auch Café und Kultur-Treff. Befürchteten die Anwohner einst eine Abwertung ihres Dom-Viertels, bereichert das Grandhotel heute die ganze Stadt. Das Buch erzählt nebenbei auch die abenteuerliche Geschichte dieses Projekts. Die Hälfte des Verkaufserlöses geht an das Grandhotel.
  Die Studenten haben im Laufe des Semesters nicht nur künstlerisch dazugelernt. Sie sind auch menschlich gewachsen. „Früher war mir das Thema eher egal“, sagt Marte Negele. „Jetzt versuche ich, auch andere davon zu überzeugen, dass wir den Menschen helfen müssen, die zu uns kommen.“ Wolfgang Speer erzählt, sein Gesprächspartner habe ihm Dinge berichtet, „die mich wirklich schockierten“. Nicht alles davon konnte in den Comics aufgenommen werden. Sehr wohl aber lassen einige Zeichner offen ihre eigenen Gedanken und Gefühle einfließen. Sie setzen sich auch mit ihren Vorurteilen und Ängsten vor dem Fremden auseinander.
  Das Buchcover hat Loos gezeichnet. Es zeigt eine Familie: Vater, Mutter, drei kleine Kinder. Sie stehen eng zusammen auf einem kleinen Stück Erde. Sie suchen aneinander Halt und blicken voller Angst nach unten. Der Boden bröckelt weg, jeden Moment könnten sie in den Abgrund stürzen. „Mit etwas Glück wirken unsere Erzählungen vielleicht hinein in die Herzen aller Augsburger“, sagt Loos.
  Auf der Rückseite wird das Titelmotiv wieder aufgenommen: Es ist das bröckelnde Stück Erde zu sehen. Die Familie ist verschwunden. Man sieht nur die Füße des Sohnes, sie klettern eine Strickleiter nach oben. Ob sich der Rest der Familie auch retten konnte oder abgestürzt ist, bleibt offen. Der Teddybär der Tochter liegt noch da. Er lächelt.
STEFAN MAYR
  
Geschichten aus dem Grandhotel, Wißner-Verlag Augsburg, 96 Seiten, 12,80 Euro.
Das Comic-Buch „Geschichten aus dem Grandhotel“ bietet düstere Szenen von der Flucht in dunklen Laderäumen, aber auch hoffnungsvolle Ansichten wie die Friedenstaube über den Türmen des Augsburger Doms. Das Ergebnis des Hochschulprojekts ist spannend und berührend.
Fotos: Hochschule Augsburg
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