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In einem namenlosen Ort, zu einer unbestimmten Zeit, wird Benny geboren. Er ist ein Kind, das sich schon in frühen Jahren zu einem Sonderling entwickelt, einem nachdenklichen Außenseiter, der lieber Kuriositäten sammelt, als mit seinen Mitschülern zu spielen. Als junger Mann arbeitet er im Zoo, wo er eines Tages Becky wiedersieht, das Objekt seiner Begierde aus Kindertagen. Scheinbar versehentlich lässt Becky ihr Skizzenbuch mit erotischen Zeichnungen im Zoo liegen, sodass Benny es findet.Doch Benny ist längst in seiner eigenen, wahnhaften Welt.Nina Bunjevac verarbeitet in Bezimena auf höchst…mehr

Produktbeschreibung
In einem namenlosen Ort, zu einer unbestimmten Zeit, wird Benny geboren. Er ist ein Kind, das sich schon in frühen Jahren zu einem Sonderling entwickelt, einem nachdenklichen Außenseiter, der lieber Kuriositäten sammelt, als mit seinen Mitschülern zu spielen. Als junger Mann arbeitet er im Zoo, wo er eines Tages Becky wiedersieht, das Objekt seiner Begierde aus Kindertagen. Scheinbar versehentlich lässt Becky ihr Skizzenbuch mit erotischen Zeichnungen im Zoo liegen, sodass Benny es findet.Doch Benny ist längst in seiner eigenen, wahnhaften Welt.Nina Bunjevac verarbeitet in Bezimena auf höchst ungewöhnliche Weise ihre eigenen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, in den religiösen Mythos von Bezimena, der "Namenlosen", und als Adaption der griechischen Sage von Artemis und Siproites. Bezimena verweigert sich dabei einer offensichtlichen Moral und versucht stattdessen herauszufinden, was die Menschen dazu treibt, Böses zu tun.Dabei ensteht ein beeindruckend gezeichnetes, ungewöhnliches Epos, das die dunkelsten Seiten der menschlichen Psyche erkundet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Thomas von Steinaecker muss schwer durchatmen nach dieser Graphic Novel der kanadisch-jugoslawischen Zeichnerin Nina Bunjevac. Brillant, aber auch "widersprüchlich" nennt er den Comic, in dem Bunjevac in eindringlichen Schwarzweiß-Panels und hyperrealistischer Detailversessenheit von Benny erzählt, der im frühesten Kindesalter perverse Neigungen entwickelt, später als pädophiler Hausmeister junge Frauen beobachtet und schließlich des Mordes an drei kleinen Mädchen angeklagt wird. Aber dabei belässt es Bunjevac nicht, klärt Steinaecker auf: Sie spielt nicht nur mit Märchenmotiven oder weckt Assoziationen an Fritz Langs "M", sondern verwendet auch filmische Stilmittel und surrealistische Motive. Und damit nicht genug: Weitere Binnenhandlungen machen die Story noch komplexer. Bei so viel Virtuosität und "ekliger Perversion in schönem Gewand" bleiben allerdings sowohl eine "starke weibliche" Perspektive als auch ein differenziertes Psychogramm auf der Strecke, schließt der Rezensent ein wenig unentschieden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2020

Sehen und gesehen werden
Nina Bunjevac erzählt in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern von ekliger Perversion. Ihr Comic „Bezimena“ zeichnet das
verstörende Bild eines Triebtäters – mehrfach gebrochen durch Rahmenhandlungen, in denen Frauen das Wort haben
VON THOMAS VON STEINAECKER
Puh, denkt man sich nach der Lektüre dieser Graphic Novel. Und wäre diese Rezension ein Comic, würde sich das Soundwort in Luft auflösen und dahinter ein großes Fragezeichen erscheinen. „Bezimena“, das dritte Buch der kanadisch-jugoslawischen Zeichnerin Nina Bunjevac, ist auf den ersten Blick großartig, auf den zweiten gruselig und auf den dritten äußerst widersprüchlich. Doch von Anfang an. Und da muss man unbedingt über das sprechen, was einem bei Bunjevacs Comics bisher immer ins Auge stach, hier aber noch einmal eine neue Qualität erreicht: Es gibt nicht viele Künstlerinnen, die derart bestechende Schwarz-Weiß-Bilder zeichnen können. Hyperrealistisch wirken sie in ihrem Detailreichtum, und doch zerfällt jedes Panel beim näheren Hinsehen in eine schier unendliche Zahl von Punkten und Schraffuren, als würde dahinter der unheimliche Untergrund der Wirklichkeit erkennbar. Im Unterschied zu ihren früheren Arbeiten vergrößert Bunjevac im vorliegenden Band die Wirkung ihrer Illustrationen noch, indem sie auf jeder der Doppelseiten links auf schwarzem Hintergrund den Text in weißen Sprechblasen wiedergibt, rechts indes nur ein einziges großes Bild.
Die Ästhetik des schauerlichen Realismus passt hervorragend zur Geschichte. In einer namenlosen Großstadt, wahrscheinlich am Anfang des 20. Jahrhunderts, bekommt ein Paar, das eigentlich keine Kinder kriegen kann, doch noch einen Sohn, Benny. Aber der ist mitnichten ein „Gesegneter“, sondern ein kleiner Teufel. Schon in der Grundschule fummelt er beim Anblick der niedlichen „weißen Becky“ in seiner Hose rum. Später beobachtet der einsame Spanner als Hausmeister im Zoo ungestört junge Frauen in luftigen Sommerkleidern. Eines Tages trifft er hier Becky wieder, die wie zufällig ihr Skizzenbuch vergisst. Als Benny darin blättert, traut er seinen Augen nicht. Nicht nur ist auf den Zeichnungen er selbst beim Fetisch-Sex mit Becky und anderen Frauen dargestellt; neben jedem Bild steht auch noch eine genaue Datumsangabe. So findet sich Benny zur fraglichen Zeit bei Becky ein, und alles geschieht wie beschrieben. Dann steht eines Tages die Polizei vor Bennys Tür, er wird des Mordes an drei kleinen Mädchen angeklagt. Benny will sich auf Beckys Buch berufen, aber auf einmal sind darin nur mehr Kinderzeichnungen von Eisbären …
Bei so viel ekliger Perversion in schönem Gewand ist man bei der Lektüre zumindest beruhigt, dass man das alles kunstgeschichtlich einigermaßen einordnen kann. Im Märchenton der Erzählung klingen die Brüder Grimm an, einsamer Wald, Mondnacht, verirrte Kinder. Und natürlich weckt der junge Benny, der hier als trauriges Opfer seiner Triebe dargestellt wird, Assoziationen an Fritz Langs „M“. Zudem setzt Bunjevac in ihren Zeichnungen auf filmspezifische Stilmittel wie Kreisblende, Rückprojektion oder Bild-in-Bild-Montage. Auch die fragwürdige pädophile Ästhetik der letzten Installation Marcel Duchamps ist nicht weit, „Étant donnés“, wo man durch ein Guckloch einen nackten Mädchenleib mit gespreizten Beinen betrachten kann. Diese männliche Perspektive wird aber durch die archaisch anmutende Rahmenhandlung gebrochen: Bennys Geschichte ist die Erzählung der weisen Bezimena, zu Deutsch „Namenlos“, und zugleich rätselhafte Antwort auf die Klage einer Priesterin über die Verwüstung ihres Tempels. Damit wird die Binnenhandlung zum Gleichnis – für was genau, bleibt allerdings unklar. Um die Sache noch zu verkomplizieren, kommt ein zweiter und dritter Rahmen hinzu. Die Sprechblasen auf den linken Buchseiten lassen auch die Episode mit Bezimena und der Priesterin als Geschichte in der Geschichte erkennen, als weitere Parabel, die sich zwei unsichtbar bleibende Freundinnen erzählen. Und im autobiografischen Nachwort beschreibt Bunjevac erschütternd intensiv, wie sie als Jugendliche knapp einer Vergewaltigung entging. Sie beschließt den Text mit der Widmung an alle „vergessenen und namenlosen Opfer sexualisierter Gewalt“.
Schon einmal, in ihrem Memoir-Comic „Vaterland“, hatte Bunjevac die einfühlsame Annäherung an einen Täter gewagt: Ihr Vater war als Mitglied in einer Terrorzelle serbischer Nationalisten in Kanada beim Bombenbau ums Leben gekommen. Das Buch ist die differenzierte Analyse eines Verbrechers, eines vermeintlich starken, brutalen Mannes, der zugleich das Opfer seiner Kindheit und einer unglücklichen Verkettung von Zufällen war. Versucht der vorliegende Band als Psychogramm eines Getriebenen etwas Ähnliches? Dazu passt weder die spürbare Lust der Autorin am virtuosen Jonglieren mit surrealistischen Stilmitteln noch der völlige Verzicht auf eine starke weibliche Perspektive. So demonstriert „Bezimena“ am Ende unbeabsichtigt, in was für Widersprüche sogar ein handwerklich meisterhafter Comic gerät, soll er an eindeutige ideologische Diskurse angeschlossen werden – selbst wenn die besten Absichten im Spiel sind.
Nina Bunjevac (Text und Zeichnungen): Bezimena. Aus dem Englischen von Benjamin Mildner. Avant-Verlag, Berlin 2020. 224 Seiten, 30 Euro.
Gewidmet ist das Buch allen
„vergessenen und namenlosen
Opfern sexualisierter Gewalt“
Benny glotzt durchs Fenster, aber die „weiße Becky“ blickt selbstbewusst zurück. Nina Bunjevacs Spanner-Geschichte ist (auch) eine Variation der Sagen um die Göttin Artemis, die Männer, die sie nackt sahen, hart bestrafte.
Foto: Reprodukt
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