Mitten hinein ins Alltagsgeschehen eines Madrider Altstadtviertels vor Beginn der spanischen Wirtschaftskrise führt uns der vor drei Jahren im Original, erst im Juli 2018 auf Deutsch beim Hanser-Verlag erschienene Roman „Kleine Helden“ der Autorin Almuneda Grandes (58), die als eine der
erfolgreichsten Schriftstellerinnen ihres Landes schon mehrfach preisgekrönt wurde. Es sind die „Otto…mehrMitten hinein ins Alltagsgeschehen eines Madrider Altstadtviertels vor Beginn der spanischen Wirtschaftskrise führt uns der vor drei Jahren im Original, erst im Juli 2018 auf Deutsch beim Hanser-Verlag erschienene Roman „Kleine Helden“ der Autorin Almuneda Grandes (58), die als eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen ihres Landes schon mehrfach preisgekrönt wurde. Es sind die „Otto Normalverbraucher“ dieses quirligen Viertels, die, egal ob als Ureinwohner oder Einwanderer, seit Jahren wie in einem Dorf mitten in der Großstadt leben, sich kennen, sich lieben, sich zanken, sich sorgen.
Wir treffen im Roman auf Junge und Alte, Singles und Familien. Alle haben auf verschiedene Art mit persönlichen, familiären oder beruflichen Alltagsproblemen zu kämpfen. Da ist Bauingenieur Sebastián, der nach dem Zusammenbruch der spanischen Immobilienbranche seinen Arbeitsplatz verliert und nun als Pförtner arbeiten muss. Oder Marita, die Redakteurin beim nationalen Fernsehsender, die schließlich doch entlassen wird. Ihrem Ehemann hatte sein Arbeitgeber schon vorher das Gehalt gekürzt. Oder Amalia, Inhaberin eines etablierten Friseurgeschäfts, die durch die Wirtschaftskrise, da alle plötzlich sparen müssen, nicht nur ihre Stammkunden verliert, sondern sich zu allem Überfluss auch noch gegen die Konkurrenz eines chinesischen Fingernägel-Studios behaupten, das mit geschäftsschädigenden Dumping-Preisen arbeitet.
Als letztendlich noch das Gesundheitszentrums geschlossen werden soll, erwacht in diesen „kleinen Helden“ des Madrider Altstadtviertels die Macht und Kraft der Solidarität. Almuneda Grandes will ihren Roman als Mutmacher verstanden wissen. In Zeiten von Globalisierung und Wirtschaftskrise gilt es, sich gemeinsam zu erheben, um gegen die schädigenden Folgen der Finanzkrise, gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit zu kämpfen. Denn am Ende sind es doch immer die kleinen Leute, die unter der durch Fehlverhalten von Börse und Politik verursachten Rezession zu leiden haben.
Das von der Autorin behandelte Thema ist nicht nur für Spanier wichtig und wert, den Finger in die Wunde zu legen. Allerdings konnte mich Grandes' Roman nicht ausreichend fesseln, weshalb ich dann doch das 320 Seiten starke Buches nach mehrmaligem Zögern dann doch in dessen zweiter Hälfte enttäuscht abgebrochen habe. Enttäuscht deshalb, da der Roman recht unterhaltsam begonnen hatte und locker geschrieben ist. Doch entwickelt sich das Schicksal der „kleinen Helden“ nicht in einer sich chronologisch aufbauenden Handlung, sondern setzt sich wie ein buntes Puzzle aus einzelnen Geschichten und Situationsschilderungen zusammen, deren Protagonisten mal hier und mal da auftauchen. Wir lernen Marisa und Marita, Pilar und Amalia, Diana und Maria, Aurora und Adela mit ihren Ehemännern und Freunden kennen, ihre Kinder und Enkel, Väter und Großeltern. Kaum hat man beim Lesen die eine Familie in allen drei Generationen mit ihren vielen Namen im Kopf abgespeichert, beginnt schon eine neue Episode mit anderen Bewohnern des Viertels. Hat man sich deren Namen endlich eingeprägt, folgt schon die nächste kleine Geschichte, bis endlich irgendwann in einer anderen Situation die erste Familie wieder erscheint. Doch deren Namen hat man inzwischen längst schon vergessen, weshalb man sie sich wieder neu erarbeiten muss. Als „literarisches Wimmelbild“ wurde dieser Roman mal treffend kritisiert. Durch die Brüche zwischen den einzelnen Episoden kommt keine „Spannung“ auf, überhaupt kein Anreiz, schnell noch die nächste Seite lesen zu wollen. Schlimmer: Unterbricht man das Lesen nur für einen Tag, findet man sich unter den vielen Personen gar nicht mehr zurecht und hat längst vergessen, wer mit wem verheiratet ist und über wessen Kinder gerade gesprochen wird. Eigentlich schade. Denn die einzelnen Geschichtchen sind – jede für sich allein gelesen – humorvoll und flott geschrieben und bei allem Ernst des Themas trotzdem sehr unterhaltsam.