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Weit über 'Moby-Dick' hinaus war Melville, der in seiner Jugend auf einem Postschiff, später auf einem Walfänger angeheuert hatte, ein Dichter des Meeres: Drei Jahre vor seinem Tod verlegte er anonym, zu Selbstkosten und in einer Auflage von nur 25 Stück die Gedichtsammlung 'John Marr und andere Matrosen', eine Hommage an die Kameradschaft auf See und an eine glanzvolle Epoche der Seefahrt, die mit dem amerikanischen Bürgerkrieg endete.
Zu alt, um noch zur See zu fahren, haben John Marr, Bräutigam Dick und andere weitgereiste Männer sich im Inland Amerikas niedergelassen. Doch in der neuen
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Produktbeschreibung
Weit über 'Moby-Dick' hinaus war Melville, der in seiner Jugend auf einem Postschiff, später auf einem Walfänger angeheuert hatte, ein Dichter des Meeres: Drei Jahre vor seinem Tod verlegte er anonym, zu Selbstkosten und in einer Auflage von nur 25 Stück die Gedichtsammlung 'John Marr und andere Matrosen', eine Hommage an die Kameradschaft auf See und an eine glanzvolle Epoche der Seefahrt, die mit dem amerikanischen Bürgerkrieg endete.

Zu alt, um noch zur See zu fahren, haben John Marr, Bräutigam Dick und andere weitgereiste Männer sich im Inland Amerikas niedergelassen. Doch in der neuen Umgebung werden sie nicht heimisch; mit den gleichmütigen Landmenschen, für die das Meer nur ein "vages Gerücht" ist, verbindet sie nichts. Und so erwachen die Kameraden von einst in den Erinnerungen der Seemänner noch einmal zum Leben. Ihre Stimmen künden von vergangenen Zeiten voll Ehre und Mut, aber auch von Tod, Vergänglichkeit und unausweichlichem Schicksal.

Eins ist klar in den Seemannsgedichten von Herman Melville: Ein echter Matrose kann nie zur Landratte werden. "Sturm ist Leben! - Lasst es stürmen!" Von der Sehnsucht nach Abenteuer und dem Leben im Augenblick erzählen Melvilles weitgehend unbekannte Texte. Ergänzt durch feinsinnige Zeichnungen von Pascal Cloëtta, bietet diese deutsche Erstübersetzung die Möglichkeit, eine wohlvertraute Stimme der amerikanischen Literatur neu zu entdecken.

Englischer Originaltext im Anhang.
Autorenporträt
Herman Melville (1819-1891) reiste als junger Mann auf einem Walfänger in die Südsee. Seine Erlebnisse verarbeitete er in den Reiseromanen 'Typee' und 'Omoo'. Sein 'Moby-Dick' (1851) gilt heute als einer der wichtigsten Romane der amerikanischen Literatur. Nach etlichen Misserfolgen und persönlichen Tragödien arbeitete Herman Melville als Zollbeamter in New York und schrieb Gedichte, die er als Privatdrucke veröffentlichte und an Freunde verschenkte.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Äußerst dankbar zeigt sich Jürgen Brocan über die Übersetzung von Herman Melvilles Dichtung "John Marr". Die gerade einmal 19 Gedichte umfassende Sammlung aus Melvilles Spätwerk beeindruckt den kundigen Rezensenten durch die kunstvoll in ihnen evozierte Weite des Meeres; die ganze Rauheit des Lebens auf dem Meer, aber auch seine metaphysische Leere vergegenwärtigt sie ihm in Form von Abschieds- und Totengedichten. Dass Melvilles Lyrik komplex ist, weiß der Rezensent und freut sich darum über kundige Anmerkungen und ein instruktives Nachwort. Brillant möchte er Alexander Pechmanns Übertragung der von Prosapassagen durchsetzten Balladen allerdings nicht nennen. Eher solide mit vielen guten Lösungen, aber auch mit einer gewissen Bemühtheit, die sich laut Rezensent besonders in der Details verwischenden Metrisierung und Reimgestaltung des leichtfüssigen Originals zeigt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2013

Wie Seetang trieben wir auf hoher See

Herman Melville war nach "Moby-Dick" so erfolglos, dass er das Publizieren aufgab. "John Marr und andere Matrosen" erschien zunächst anonym, nun sind die Geschichten neu übersetzt worden.

Herman Melville schildert in seinem 1850 erschienenen Roman "Weißjacke" das Leben auf der Fregatte "Neversink". Gleichermaßen geliebt und verspottet wird an Bord der Matrose Lemsford, der Shantys und Oden schreibt. Die Besatzung kennt seine Verse auswendig, Lemsford aber sorgt sich um den Nachruhm. "Veröffentlichung von Poesie auf einem Kriegsschiff" heißt das Kapitel, in dem die "Neversink" vor Rio ankert und mit Geschützsalven aus allen Rohren den Küstensalut erwidert. In einer der abgefeuerten Kanonen hatte Lemsford seine Gedichte versteckt. "So muss man publizieren", muntert ihn der Bootsmann auf, "einfach in sie hineinfeuern ... die Dummköpfe durchlöchern, ob sie wollen oder nicht."

Schon in den frühen, noch erfolgreichen Seeromanen "Taipi", "Omu", "Mardi" und "Redburn" ist Melvilles poetischer Herzschlag zu hören. Lied, Strophe und Vers sind das Bindegewebe seiner Prosa. Als 1851 ausgerechnet mit dem Erscheinen des "Moby Dick" sein Stern zu sinken beginnt, sind es auch Melvilles Anverwandlung lyrischer Stilmittel und die immer wieder metrisch rhythmisierte Syntax, die die literarische Öffentlichkeit in Amerika so befremden, dass Weißjacke und Lemsford bald schon ebenso in Vergessenheit gerieten wie Starbuck und Ahab.

Melville wird Zollinspektor im New Yorker Hafen und bleibt es neunzehn Jahre lang. An sechs Arbeitstagen die Woche verdient er je vier Dollar. 1866 waren seine "Battle-Pieces and Aspects of the War" erschienen, Gedichte über den Bürgerkrieg, die sich auch dem Leben der Navy-Matrosen widmen. Der Band bleibt unbeachtet. Zehn Jahre später die letzte Breitseite: Mit dem sechshundertseitigen Epos "Clarel" schafft Melville ein lyrisches Labyrinth aus theologischen und lebensphilosophischen Betrachtungen und den bis heute rätselhaftesten Versroman der amerikanischen Literatur. Doch auch diese Kanonade verhallt ungehört. 330 Exemplare werden gedruckt. Drei Jahre später werden zwei Drittel eingestampft, und Melville gibt das Veröffentlichen auf. Der Gedichtband "John Marr and Other Sailors" erschien denn auch 1888 als Privatdruck und anonym in einer Auflage von 25 Stück, um sie Freunden zu schenken und nach England zu senden, wo gerade "Moby Dick" wiederentdeckt wurde. Mit freundlicher Ironie antwortete der fast Siebzigjährige einem Bewunderer: "Ich erlaube mir, Ihnen zu gratulieren, dass Sie in Ihrer Jugend selbst einmal die Ehre hatten, auf einem Walfänger zu fahren."

Nach Rainer G. Schmidts Übersetzung von "Clarel" (2006) versucht Alexander Pechmanns Übertragung von "John Marr" die Auslotung von Melvilles Werk fortzuführen. Pechmann steuert ein feinsinniges Nachwort samt Glossar bei und verleiht den Erzählpassagen den zeitlosen Melvilleschen Glanz. Umso bedauerlicher, dass durch hölzerne Inversionen und hinkenden Versfuß die Gedichtübersetzungen oft gestelzt und altbacken wirken. Denn erst seine Poesie lässt den "John Marr" des späten Melville vor Lebendigkeit und Erfindungsreichtum pulsieren. Prosa und Lyrik, Skizzen und Balladen schließen sich zu einem Textgefüge, aus dem die Liebe zu Licht und Wind, zu Seevögeln, Segelschiffen und zum Leben der Männer spricht, die noch Matrosen bleiben, wenn Alter und Gebrechen sie stranden lassen. So ergeht es auch dem Titelhelden, der zur See fuhr, ehe es ihn in die Weiten des Mittleren Westens verschlug.

Melville gelingt ein unvergessliches Bild: In funkelnder Prosa - und ebensolcher Übertragung Alexander Pechmanns - entsteht in der stundenlang ungebrochenen Totenstille über der Prärie vor John Marrs Augen "das Bett eines ausgetrockneten Meeres". Nachdenklich mustert Marr "das Zwielicht auf den erstarrten Wellen dieses ungeheuren Schwemmlandes, das nur vom Horizont begrenzt war", und ihm kommen Erinnerungen an die See, Schiffe und Kumpane: von einst. Dieser Auslöschung setzen die Porträtgedichte, Shantys, Prosaminiaturen und mitunter nur wenige Zeilen langen Seestücke von "John Marr und andere Matrosen" die Musik der Erinnerung entgegen. Prosa wird zu Lyrik, Gedicht zu Geschichte, Erzählung wieder Gesang. Marr und seine "Schattengefährten" Bräutigam Dick, Tom Deadlight oder Jack Roy bilden einen Geisterchor: "Wie Seetang trieben wir auf hoher See! / Doch was, wenn das Treiben ein Ende fand; / Was, wenn die Brandung uns warf an den Strand?" Kurz vor seinem Tod schrieb Melville 1891 die Erzählung "Billy Budd". Ihre Urfassung war Teil des drei Jahre zuvor abgeschlossenen "John Marr"-Bands. Auch "Billy Budd" endet mit einer Ballade, "ein paar Versen", die ein Vortoppmann wie Lemsford von der "Neversink" auf den am Mast Aufgeknüpften verfasst: "Kamerad, komm rüber und lockre mir / die Kette, sie tut mir weh."

MIRKO BONNÉ

Herman Melville: "John Marr und andere Matrosen".

Aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Mareverlag, Hamburg 2013. 184 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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