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Eine vollständige, chronologische und gattungsübergreifende Darstellung des Werkes von Heinrich Böll...
...hat es in den bisher bekannten Böll- Bibliographien noch nicht gegeben. Unter dem Titel Fortschreibung, einem Begriff, den Heinrich Böll selbst für die Kontinuität seiner Schreibarbeit gewählt hat, legen Viktor Böll und Markus Schäfer nun eine neue Bibliographie vor, die auf der Auswertung der Arbeitsbücher Heinrich Bölls, der Aufzeichnungen seiner langjährigen Sekretärin sowie der Materialien des Heinrich-Böll-Archivs und des Archivs der Erbengemeinschaft Heinrich Böll beruht. Dabei…mehr

Produktbeschreibung
Eine vollständige, chronologische und gattungsübergreifende Darstellung des Werkes von Heinrich Böll...

...hat es in den bisher bekannten Böll- Bibliographien noch nicht gegeben. Unter dem Titel Fortschreibung, einem Begriff, den Heinrich Böll selbst für die Kontinuität seiner Schreibarbeit gewählt hat, legen Viktor Böll und Markus Schäfer nun eine neue Bibliographie vor, die auf der Auswertung der Arbeitsbücher Heinrich Bölls, der Aufzeichnungen seiner langjährigen Sekretärin sowie der Materialien des Heinrich-Böll-Archivs und des Archivs der Erbengemeinschaft Heinrich Böll beruht. Dabei werden eine Vielzahl zwar veröffentlichter, aber bislang noch nicht in gedruckter Form vorliegender Arbeiten nachgewiesen und so der Böllsche Fortschreibungsprozeß umfassend dokumentiert und durch die Chronologie nachvollziehbar gemacht.

Verzeichnet wurden sämtliche Arbeiten, für die Heinrich Böll als Autor nachgewiesen werden konnte. Dazu zählen neben dem erzählerischen und essayistischen Werk auch Interviews, Statements, Drehbücher, Rezensionen und Leserbriefe. So wird das Werk Heinrich Bölls in einer bislang nicht erreichten Vollständigkeit dokumentiert und in seiner Konsequenz transparent gemacht.

Informieren Sie sich auch über das größte editorische Unternehmen in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch: Heinrich Böll, Werke 1 - 27 Kölner Ausgabe
Autorenporträt
Viktor Böll, geboren am 9. Oktober 1948, gestorben am 31. Januar 2009, war lange Zeit Assistent seines Onkels Heinrich Böll. Seit 1979 war er Leiter des Heinrich-Böll-Archivs. Er veröffentlichte Sachbücher und Prosa und lebte in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.1997

Wer schützt Böll vor den Böll-Erben?
Der arme Heinrich: Eine neue Bibliographie will alles ganz genau wissen und leistet sich haarsträubende Fehler

Morgen wäre Heinrich Böll achtzig Jahre alt geworden. Vor allem in seiner Heimatstadt Köln wurde das zum Anlaß für einen ganzen Reigen von Gedenkveranstaltungen genommen: Eine "Heinrich Böll-Matinee" und ein "Heinrich Böll-Abend" fanden statt, ein "alternativer" Stadtführer lud dazu ein, auf des Dichters Spuren durch die Südstadt zu tippeln, eine "Plakatausstellung" wurde eröffnet, und der WDR hat gar eine lange "Böll-Nacht" in sein drittes Fernsehprogramm gestemmt, die heute um 22.15 Uhr mit einer Diskussionsrunde beginnt und bis sechs Uhr früh am Sonntag morgen wach halten soll.

Auch Bölls Verlag nutzt die Gunst der Stunde. Pünktlich zum Geburtstag legte Kiepenheuer & Witsch die 480 Seiten starke Bibliographie "Fortschreibung" vor, die Viktor Böll, ein Neffe des Schriftstellers und seit 1979 Leiter des Heinrich-Böll-Archivs der Stadt Köln, zusammen mit Markus Schäfer herausgegeben hat. Daß sie "wirklich vollständig und mit aller gebotener Akribie und Detailkenntnis erstellt worden ist", hatte der Verleger Reinhold Neven Du Mont bereits im August 1995 in einem Leserbrief an diese Zeitung mitgeteilt und damals auch ihre Veröffentlichung "im kommenden Frühjahr" angekündigt. Zwar hat es anderthalb Jahre länger gedauert, an dem hohen Anspruch aber dürfte sich nichts geändert haben: "Die neue Böll-Bibliographie", so heißt es auf dem Umschlag, "verzeichnet sämtliche Arbeiten, für die Heinrich Böll als Autor nachgewiesen werden konnte."

Aber auch mindestens eine, die nicht aus seiner Feder stammt. "Wir Deutschen tun uns mit unseren Dichtern viel schwerer" ist eine Rede überschrieben, die "Heinrich Böll als Präsident des Internationalen P.E.N. auf dem Empfang des Bundespräsidenten Gustav Heinemann für die P.E.N.-Kongreßteilnehmer am 16.11.72 in Schloß Bellevue in Berlin" gehalten haben soll. So jedenfalls verzeichnet es die Bibliographie unter 72.61. In Wirklichkeit war es umgekehrt. Nicht Böll, sondern Heinemann hat die Rede gehalten, die am Tag darauf in der "Frankfurter Rundschau" dokumentiert wurde. Schon der erste Satz läßt keinen Zweifel daran: "Sie alle werden Verständnis dafür haben, daß ich zunächst meinem Landsmann, Ihrem Präsidenten Heinrich Böll, von Angesicht zu Angesicht herzlich zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur gratuliere." Doch so weit haben die beiden Böll-Forscher, wenn sie den Fehler nicht einfach ungeprüft aus einer alten Böll-Bibliographie übernommen haben, erst gar nicht gelesen, sondern schon aus der Anrede die falschen Schlüsse gezogen: "Herr Präsident, meine Damen und Herren!"

Der Fehler ist kein Einzelfall, auch wenn er in seiner komischen Qualität unerreicht bleibt. Noch gravierender, da die Lebensgeschichte verfälschend, ist die Datierung der Erinnerung "Was soll aus dem Jungen bloß werden?", die Böll auf Anregung von Marcel Reich-Ranicki für die Reihe "Meine Schulzeit im Dritten Reich" für diese Zeitung geschrieben hat. Dort erschien sie am 18. April 1981 unter dem Titel "Den Nazis verdanke ich mein Abitur". Viktor Böll und Markus Schäfer datieren die Veröffentlichung genau ein Jahr früher, was nicht nur aufgrund des Briefes vom 27. April 1981, in dem sich Böll bei Reich-Ranicki über dessen kürzende "Bearbeitung" beschwert, chronologisch wenig plausibel erscheint. Schließlich war diese wichtigste autobiographische Schrift Bölls die erste, die er nach schwerer Krankheit und mehreren, erst im Sommer 1980 überstandenen Operationen zu Papier gebracht hatte.

Auch bei vielen anderen Datierungen sind Viktor Böll und Markus Schäfer krasse Fehler unterlaufen. So geben sie als Sendetermin der Satire "Nicht nur zur Weihnachtszeit" den 24. November (!) 1952 an, obwohl diese, wie Böll in dem mehrfach publizierten "Offenen Brief an den Pfarrer von Meyenn" ausdrücklich vermerkt, am 30. Dezember 1952 erstmals ausgestrahlt wurde. Der Sendetermin von Vojtech Jasnys Film, um den es Weihnachten 1969 zu vielbeachteten Differenzen zwischen Böll und dem ZDF gekommen war, wird ebenfalls falsch angegeben: Er kam erst ein Jahr später, nämlich am 30. Dezember (und nicht schon am 20. Januar) 1970 auf den Bildschirm.

Bibliographien sind Bücher nicht zum Lesen, sondern zum Nachschlagen. Genauigkeit ist ihr oberstes Kriterium, Verläßlichkeit ihr höchster Wert. Fehlerlosigkeit, gar Vollständigkeit mag dabei ein Ideal bleiben, das sich nur annäherungsweise erreichen läßt; Flüchtigkeits- oder Übertragungsfehler dürften sich nie ganz vermeiden lassen. In diesem Fall aber sind die Mängel so zahlreich und schwerwiegend, daß sie den Gebrauchswert der Bibliographie in Frage stellen. Die nachgetragene Geburtstagsgabe erweist sich als Danaergeschenk.

Zu wie vielen Fehlern sich die Schludrigkeit von Viktor Böll und Markus Schäfer addiert, das vermag selbst Werner Bellmann, einer der besten Kenner des Böllschen Werks, nicht abzuschätzen. Der Germanist, der seit 1988 die Heinrich-Böll-Forschungsstelle an der Universität Wuppertal leitet, hatte 1995 eine überaus zuverlässige Bibliographie veröffentlicht. Die Böll-Erben nahmen sie zum Vorwand, den Vertrag über die Edition einer kritischen Gesamtausgabe zu kündigen (F.A.Z. vom 25. Januar). Wer Bellmann in Wuppertal besucht, trifft einen Wissenschaftler, den die jahrelangen Querelen um seine Arbeit mitgenommen, aber nicht umgeworfen haben. Böll-Forschung betreibt er weiterhin, auch wenn ihm der Zugang zum Kölner Archiv verwehrt ist.

In seinem Computer hat Bellmann die Fehler gespeichert, die ihm bei der Durchsicht der Bibliographie bisher aufgefallen sind. Danach gefragt, läßt er die noch unvollständige Liste ausdrucken: Inkonsequenzen bei der Anordnung und der zeitlichen Einordnung von Texten, Beispiele dafür, wie alte Fehler "fortgeschrieben" wurden, neue Fehler und Abschreibefehler, aber auch bislang unbekannte Texte und unterdrückte Briefe sind darauf verzeichnet. Sie füllen zehn engbeschriebene Seiten. Um Nachweise gebeten, greift Bellmann in ein Ikea-Regal, wo er in Dutzenden von Ordnern die Belege gesammelt und archiviert hat: Jeder von ihnen basiert auf Autopsie. Unter "Kuriosa" findet sich etwa folgende Formulierung: "55 (!) Photos von 264 Photographen aus 30 Ländern", heißt es einmal, wo es richtig "555 Photos" heißen müßte.

Die Bibliographie, die ihrem Anspruch nicht genügt, will mehr als nur Bibliographie sein. Denn jedes ihrer von 1947 an nach Jahrgängen geordneten Kapitel leiten Viktor Böll und Markus Schäfer mit einer biographischen Notiz ein, die selten mehr als eine Seite lang ist. Doch selbst hier klaffen Lücken: Daß Böll 1975 nicht nur Dänemark, Griechenland, die Niederlande, Frankreich und Portugal, sondern auch eine Woche lang Moskau besucht und sich dort mit Jewtuschenko, Kopelew und Sacharow getroffen hat, bleibt ebenso unerwähnt wie sein Irland-Aufenthalt 1955, obwohl dieser - eine Ausnahme in seinem Werk - am Ende der Erzählung "Das Brot der frühen Jahre" ausdrücklich vermerkt ist. Befremdlich ist nicht zuletzt der Umgang mit den Übersetzungen, bei denen - abweichend von den Titelblättern der Bücher - nicht mehr unterschieden wird zwischen Arbeiten, die Annemarie und Heinrich Böll gemeinsam, und solchen, die nur einer von ihnen unternommen hat.

Doch noch in ihren erheblichen Defiziten ist diese Bibliographie mehr als eine Bibliographie. Denn so erhellend der Rückblick ist, den sie auf den jahrelangen Streit zwischen der Wuppertaler Forschungsstelle und den Erben wirft, so düster ist der Ausblick, den sie auf das gibt, was Reinhold Neven Du Mont erst kürzlich "die Krönung meiner Laufbahn als Verleger" nannte: Könnte es sein, daß die auf fünfundzwanzig Bände angelegte Gesamtausgabe unter der Federführung eines Mannes stehen wird, der zwar - auf Wunsch seines Onkels - das Heinrich-Böll-Archiv der Stadt Köln leitet, an dessen wissenschaftlicher Akribie und editorischer Kompetenz aber Zweifel bestehen? Der Verlag Kiepenheuer & Witsch befindet sich in keiner beneidenswerten Lage: Abhängig von den Erben jenes Autors, der dem Haus wie kein anderer Ruhm und Erfolg eingetragen hat, ist er zugleich deren philologischem Dilettantismus ausgeliefert. Wer schützt Böll vor den Böll-Erben? ANDREAS ROSSMANN

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