Die Frage nach der Herkunft von Kunstwerken und Artefakten ist nicht erst seit dem Streit um die Ausrichtung des Humboldt Forums in Berlin höchst umstritten. Bénédicte Savoy plädiert im Umgang mit Kunst für eine radikal neue Perspektive, die von den Objekten, ihrer individuellen Biografie und ihrem Weg "zu uns" ausgeht. Dabei wird nicht nur ihre Herkunft transparent gemacht, sondern auch die Kolonial- und Gewaltgeschichte und darüber hinaus in zwei Wörtern die Handels- und Austauschbeziehungen und die wissenschaftlich begründete Neugier, die sie ins Museum brachten. Entgegen der Abschottung aus Angst vor Restitutionen kann ein solcher Blick zusammenführen und zur Idee eines gemeinsamen Welterbes beitragen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2018NEUE TASCHENBÜCHER
Zur Herkunft
von Kunstobjekten
Eingesargt in Holzkisten verließen Objekte fremder Kunstfertigkeit jahrhundertelang die Häfen ihrer Kontinente, um übers Meer nach Europa einzuwandern in die Depots von Museen, ohne dass Europa davon, außer Kolonialismus und Krieg, je Verbindliches zurückgereicht hätte – und wären es nur rettende Hände für ertrinkende Flüchtlinge auf denselben Routen wie die ihnen vorauseilenden Objekte. Gegen die erneute Versiegelung der Objekte in megalomanische Betonsärge nach Art des Berliner Stadtschlosses hat die in Berlin und Paris lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in der SZ Einspruch erhoben und sich mit einer schallenden Ohrfeige aus dem Expertenrat des „Humboldt-Forum“ verabschiedet. In diesem Büchlein plädiert sie auf sehr persönliche Weise für die Ersetzung museal vereinseitigter Monologe durch neue Wege der Zwiesprache mit den Objekten – für Beziehungen des Dialogs und für einen Transfer, der sich vom Blick, den die Objekte selbst auf die Betrachter zurückwerfen, beunruhigen lässt: Auch dazu, Menschen, die jene Objekte herstellten, samt ihren Nachkommen Recht, Gehör und Zutritt zu verschaffen. VOLKER BREIDECKER
Bénédicte Savoy:
Die Provenienz der Kultur. Aus dem Französischen von Hanns Zischler, Philippa Sissis. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2018.
72 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Zur Herkunft
von Kunstobjekten
Eingesargt in Holzkisten verließen Objekte fremder Kunstfertigkeit jahrhundertelang die Häfen ihrer Kontinente, um übers Meer nach Europa einzuwandern in die Depots von Museen, ohne dass Europa davon, außer Kolonialismus und Krieg, je Verbindliches zurückgereicht hätte – und wären es nur rettende Hände für ertrinkende Flüchtlinge auf denselben Routen wie die ihnen vorauseilenden Objekte. Gegen die erneute Versiegelung der Objekte in megalomanische Betonsärge nach Art des Berliner Stadtschlosses hat die in Berlin und Paris lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in der SZ Einspruch erhoben und sich mit einer schallenden Ohrfeige aus dem Expertenrat des „Humboldt-Forum“ verabschiedet. In diesem Büchlein plädiert sie auf sehr persönliche Weise für die Ersetzung museal vereinseitigter Monologe durch neue Wege der Zwiesprache mit den Objekten – für Beziehungen des Dialogs und für einen Transfer, der sich vom Blick, den die Objekte selbst auf die Betrachter zurückwerfen, beunruhigen lässt: Auch dazu, Menschen, die jene Objekte herstellten, samt ihren Nachkommen Recht, Gehör und Zutritt zu verschaffen. VOLKER BREIDECKER
Bénédicte Savoy:
Die Provenienz der Kultur. Aus dem Französischen von Hanns Zischler, Philippa Sissis. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2018.
72 Seiten, 10 Euro.
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Der kleine Band ist eine höchst anregende und zeitgemäße Lektüre. Rainald Simon Fixpoetry 20190507