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1945: Ein sechsjähriges Mädchen geht mit seiner Schwester auf die gefährlichste Reise ihres Lebens: die Suche nach der Mutter. Die Alliierten marschieren in Deutschland ein. Auf der Suche nach ihrer Mutter geraten Bärbel und Eva in die letzten Schlachten des Krieges. Auf ihrer 300 Kilometer langen Odyssee entgehen sie nur knapp den Luftangriffen, die Landstraßen sind von Toten gesäumt. Wie durch ein Wunder überleben die Mädchen, doch Hunger, Angst und Elend hinterlassen Wunden in ihren Seelen, die sie für den Rest ihres Lebens zeichnen.

Produktbeschreibung
1945: Ein sechsjähriges Mädchen geht mit seiner Schwester auf die gefährlichste Reise ihres Lebens: die Suche nach der Mutter. Die Alliierten marschieren in Deutschland ein. Auf der Suche nach ihrer Mutter geraten Bärbel und Eva in die letzten Schlachten des Krieges. Auf ihrer 300 Kilometer langen Odyssee entgehen sie nur knapp den Luftangriffen, die Landstraßen sind von Toten gesäumt. Wie durch ein Wunder überleben die Mädchen, doch Hunger, Angst und Elend hinterlassen Wunden in ihren Seelen, die sie für den Rest ihres Lebens zeichnen.
Autorenporträt
Holger Fock, geboren 1958 in Ludwigsburg, übersetzt seit 25 Jahren französische Literatur. Er lebt zusammen mit der Übersetzerin Sabine Müller und zwei Kindern im Raum Heidelberg.
Gemeinsam mit Sabine Müller wurde er 2011 mit dem "Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis" ausgezeichnet und 2015 erhielt er den "Prix Lémanique de la Traduction".

Sabine Müller, geboren 1959 in Lauffen/Neckar, ist seit 1994 Übersetzerin für französische und englische Literatur. Sie lebt zusammen mit dem Übersetzer Holger Fock und zwei Kindern im Raum Heidelberg.
Gemeinsam mit Holger Fock wurde sie im Jahr 2011 mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2006

Das Buch der alten Dame
Wie Bärbel Probert-Wright mit ihrer Geschichte vom Kriegsende in Deutschland zur Berühmtheit in England wurde
Von Wolfgang Koydl
Esher, im Oktober – Schneeweiße Schneckenlocken und zartrosa Apfelbäckchen, dazu eine Figur, so rund, mollig und behäbig, dass man gleich weiß: Die alte Dame greift beim selbst gebackenen Apfelkuchen auch selber gerne zu. Im Wohnzimmer steht ein bequemes Kanapee, auf der Anrichte ist eine Sammlung bayerischer Bierkrüge in Reih’ und Glied angetreten, und in der Küche schmiegt sich eine praktische Eckbank um den Tisch: Bärbel Probert-Wright ist eine Oma wie aus dem Bilderbuch, ja mehr noch: Sie ist eigentlich ganz speziell eine sehr deutsche Oma.
Doch Bärbel Probert-Wright ist auch eine ganz spezielle Person, was man nicht nur daran sieht, dass ihre idyllische Wohnung nicht irgendwo in Deutschland liegt, sondern im feinen Städtchen Esher in der nicht minder schmucken Grafschaft Surrey im schwerreichen Speckgürtel südwestlich von London. Aber die 68-Jährige ist in ihrer englischen Wahlheimat auch noch gleichsam über Nacht zu einer literarischen Berühmtheit geworden. Neun Wochen lang stand ihr Buch auf den Bestsellerlisten im Vereinigten Königreich, mehr als 150 000 Exemplare wurden binnen kürzester Zeit verkauft, ganz abgesehen von den zahllosen Fernsehauftritten quer durch alle Kanäle. Und jetzt ist ihr Buch unter dem Titel „An der Hand meiner Schwester” auch auf Deutsch erschienen.
Bemerkenswert ist freilich nicht nur die Geschwindigkeit, mit der Probert-Wright zu Starruhm gelangte, sondern vielmehr noch, womit sie die Briten in ihren Bann schlug: Denn die alte Dame erzählte die Geschichte, wie sie als Siebenjährige zusammen mit ihrer großen Schwester Eva im April und Mai 1945 in den letzten Kriegswochen und den ersten Tagen nach dem Ende der Kämpfe zu Fuß heim zur Mutter marschierte: Aus einem Kinderheim im Thüringer Wald immer die Saale und die Elbe entlang bis hinauf in ihre ausgebombte Heimatstadt Hamburg. Mit den Augen einer Siebenjährigen schildert Bärbel – die sich in England Barbie nennt – Tod, Plünderung und Zerstörung, aber auch Hilfsbereitschaft, Menschlichkeit und Freundschaft. Und als sie die ersten amerikanischen und britischen Soldaten trifft, die von der Nazi-Propaganda als Bestien in Menschengestalt verzerrt worden waren, da erkennt die Kleine: „Feinde sind nicht Feinde, sondern auch Menschen.”
Vor allem aber sind ihre Erinnerungen eine Liebeserklärung an ihre 19 Jahre alte Schwester, und die englische Ausgabe des Buches beginnt denn auch mit den schlichten Worten: „Im Frühjahr 1945, in einer dunklen und gefährlichen Welt voller Konflikte und Niederlagen, rettete mir meine Schwester das Leben.” Immer aufmunternd, immer zuversichtlich, voller Kraft, Geduld und vor allem Liebe brachte Eva sich selbst und ihre kleine Schwester durch ein physisch und psychisch verwüstetes Land. Selbst als sie in der Lüneburger Heide von einer Gruppe von Plünderern vergewaltigt wird, gelingt es ihr, sich der kleinen Bärbel gegenüber nichts anmerken zu lassen. „Sie hat sich bemüht, mich so gut es ging vor dem Grauen zu bewahren”, erinnert sich Bärbel Probert-Wright.
Wann immer sie an Kadavern und Leichen vorbeigehen mussten, sagte sie nur „Charlotte” – und Bärbel versteckte ihr Gesicht hinter ihrer Puppe, die diesen Namen trug. „Die Gewohnheit habe ich bis heute behalten”, schmunzelt sie. „Wann immer ich etwas Schreckliches sehe, reiße ich die Hände vor die Augen, als ob ich noch immer Charlotte in der Hand hätte.” Und Eva wusste auch immer eine Antwort auf ihre Fragen. „Was ist denn”, so fragte Bärbel ihre Schwester einmal, „wenn Gott keinen Platz mehr hat im Himmel, weil es jetzt so viele Tote gibt?” Keine Sorge, habe Eva erwidert. „Der Himmel ist doch mindestens doppelt so groß wie die Erde, da gibt es genügend Platz. Und außerdem: Es ist ja noch nie jemand zurückgekommen.” Auch wenn sie abends noch so ermattet war, wenn sie kein Bett fanden bei einer gastfreundlichen Bauernfamilie oder in einer Scheune, sondern unter freiem Himmel übernachten mussten – Eva fand immer die Zeit, ihr Tagebuch zu führen. Die dünne Kladde mit den eng mit Bleistift beschriebenen Zeilen hat die Jahre überlebt und ist heute Bärbel Probert-Wrights wertvollster Besitz.
Minuten der Entscheidung
Das Bild, das diese Großmutter von Deutschland und den Deutschen im Krieg nun gezeichnet hat, war in Großbritannien bis dato unbekannt – zumindest in breiten Kreisen der Öffentlichkeit, die sich meist an einer Mischung aus deutscher Grausamkeit und deutscher Tölpelhaftigkeit ergötzten. Vielleicht erklärt dies das enorme Interesse, das „Little Girl Lost” im Königreich ausgelöst hat. „Ich habe Tausende von Briefen aus dem ganzen Land bekommen”, sagt Bärbel Probert-Wright. Viele Schreiber bewunderten die Kraft, die sie aus ihrer Erfahrung gezogen habe, und aus manchen Zuschriften sprachen auch ungeheucheltes Interesse und Erstaunen über die Erlebnisse des kleinen Mädchens im verwüsteten Kriegsdeutschland.
Eigentlich wollte Probert-Wright ihr Abenteuer ja schon längst aufschreiben.
„Aber Sie wissen ja, wie das ist – immer kommt was anderes dazwischen”, seufzt sie. „Zuerst wollte ich es mit Eva zusammen schreiben, aber dann war sie so krank und ist dann auch gestorben.” Es folgten die Herzoperation der Mutter und eine eigene Krankheit; Bärbels erste Ehe ging entzwei, und dann kam der schlimmste Schicksalsschlag: Ihr Sohn Michael erlag einem bösartigen Krebsleiden im Alter von nur 34 Jahren. Das liegt mittlerweile zwar schon acht Jahre zurück, aber noch immer schießen der alten Dame die Tränen in die Augen, wenn sie daran zurückdenkt.
Dass sie das Buch dann doch noch schrieb, verdankte sie eher einem Zufall – und der Hartnäckigkeit ihres Ehemannes. Im Fernsehen lief die Show von Richard und Judy, die wohl populärste Fernsehsendung auf den britischen Inseln. Die beiden Talkmaster forderten die Zuschauer auf, sich mit einer wahren, aber bislang unveröffentlichten Geschichte zu melden. „Jetzt hast du keine Ausrede mehr”, beschied Ehegatte Ray, „jetzt musst du es aufschreiben.” Er piesackte sie so lange, bis sie den Sender anrief und zwei Minuten lang auf Band sprach. Sie hatte die ganze Angelegenheit fast schon vergessen, als Monate später das Telefon klingelte: „Es war ,Richard und Judy‘, und ich war von 10 000 Bewerbern unter die letzten sechs gekommen”, erzählt Probert-Wright.
Ausgewählt wurde ihre Erzählung schließlich von den Zuschauern, und im Dezember 2005 saß die Rentnerin aus Esher im Fernsehstudio. „Das war drei Wochen vor Weihnachten, also eigentlich eine Zeit, in der man keine Zeit für so was hat”, erinnert sie sich, aber ein richtiger Vorwurf ist aus ihrer Stimme nicht herauszuhören. Drei wahre Geschichten kamen letztlich als Buch heraus. „Aber meines war the big one”, sagt sie stolz. In nur fünf Wochen war das Manuskript, mit Hilfe eines Ghostwriters, fertiggestellt: „Für mich war das auch mehr als ein Zufall”, meint die schreibende Großmutter. „Fünf Wochen lang waren meine Schwester und ich damals unterwegs, und in fünf Wochen wurde das Buch geschrieben.”
Die Arbeit an dem Manuskript hat die alten Zeiten wiedergebracht: „Beim Schreiben wurde ich wieder ein Kind”, sagt Bärbel Probert-Wright. „Plötzlich konnte ich gar kein richtiges Englisch mehr sprechen, und ich fing an, von damals zu träumen. Das war sehr angenehm, aber zugleich war es auch recht unheimlich.” Ohnehin kann sie nicht verbergen, dass sie aus Hamburg stammt: Sie sagt „plietsch”, wenn sie jemanden als klug bezeichnet, und wenn etwas „fein” ist, dann klingt das wie „foin”.
Nach Deutschland würde sie freilich nicht mehr zurückkehren wollen. Seit 1957 ist ihre Heimat in Großbritannien, und ihre Familie sowie viele Freunde sind über die ganze angelsächsische Welt verstreut – von Florida bis Australien. Die Enkelkinder, der 13-jährige Aaron-Joseph und die neun Jahre alte Amy Louise haben zu Deutschland ohnehin keinen Bezug.
„Aber mein Buch, das haben sie beide gelesen”, sagt die Großmutter. „Und wenn wir jetzt in einen Buchladen gehen, dann fragt Amy Louise alle, ob sie das Buch auch gelesen haben. Aber leider ist es meist ausverkauft.”
„Was ist denn, wenn Gott keinen Platz mehr hat im Himmel?”: Bärbel Probert-Wright 1944 an der Hand ihrer Mutter.
Foto: privat
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