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Deutsch-britische 'Pressekriege' begannen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das Gefüge von Öffentlichkeit und Diplomatie zu destabilisieren. Und so waren auch die internationalen Beziehungen seither geprägt durch den Wandel von politischer Kommunikation, Medienstrukturen und Informationstechnologie. Wie reagierten Diplomatie und Politik auf das neue mediale Umfeld? Welche Auswirkungen hatte das Zusammenspiel der Presse mit anderen Teilbereichen von Öffentlichkeit wie Parlamenten, politischen Parteien, Verbänden und Straßendemonstrationen? Welche Effekte hatte die beschleunigte globale…mehr

Produktbeschreibung
Deutsch-britische 'Pressekriege' begannen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das Gefüge von Öffentlichkeit und Diplomatie zu destabilisieren. Und so waren auch die internationalen Beziehungen seither geprägt durch den Wandel von politischer Kommunikation, Medienstrukturen und Informationstechnologie. Wie reagierten Diplomatie und Politik auf das neue mediale Umfeld? Welche Auswirkungen hatte das Zusammenspiel der Presse mit anderen Teilbereichen von Öffentlichkeit wie Parlamenten, politischen Parteien, Verbänden und Straßendemonstrationen? Welche Effekte hatte die beschleunigte globale Kommunikation auf die Funktionsfähigkeit etablierter Abstimmungsmechanismen? Dominik Gepperts Buch gibt erstmals systematische, quellengestützte Antworten auf diese zentralen Fragen nach dem Wesen der Außenpolitik im Zeitalter der Massenöffentlichkeit. Es erweitert die Forschungen zum deutsch-britischen Verhältnis in der wilhelminischen Epoche um die zentrale Dimension der Pressebeziehungen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Dominik Geppert, geboren 1970, ist Privatdozent am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin und Heisenbergstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.06.2008

Die Zeitung als Rivalin der Regierung
So wurden die Grundfesten des Einvernehmens erschüttert: Dominik Geppert erzählt von den deutsch-britischen Pressekriegen zwischen 1896 und 1912
Kaiser Wilhelm II., nicht eben für seine vorsichtige Wortwahl bekannt, nannte 1904 in einer Unterhaltung mit englischen Gesprächspartnern den Berlin-Korrespondenten der Londoner Times einen „Erzschweinehund Erster Klasse”. Wie es zu diesem Ausfall gegenüber dem Repräsentanten eines Berufsstandes kommen konnte, dem ein deutscher Monarch früher kaum Beachtung geschenkt hätte, erläutert Dominik Geppert in seinem Buch „Pressekriege”. Mit seiner Untersuchung der Auseinandersetzungen zwischen deutscher und britischer Presse von 1896 bis 1912 schließt er eine nicht unerhebliche Lücke in der Analyse der Beziehungen zwischen beiden Staaten.
Geppert gibt zunächst einen umfassenden Überblick der facettenreichen, sehr unterschiedlichen Zeitungslandschaften. „Ein Mann ohne Zeitung” sei „nur halb bekleidet, und unzureichend gerüstet für den Kampf des Lebens”, schrieb der britische Journalist William T. Stead 1886: „Zunächst verfolgt und dann verachtungsvoll toleriert, ist die Zeitung zur Rivalin organisierter Regierungen geworden. Wird sie diese einst überflügeln?” Zum Zeitpunkt der Niederschrift war das eine ziemlich gewagte Spekulation . Nur anderthalb Jahrzehnte später erklärte die Frankfurter Zeitung in einem Leitartikel wie selbstverständlich, die Presse habe sich „in der Konkurrenz mit unserem Parlament längst als die stärkere Macht unseres öffentlichen Lebens etabliert.” Im Zeitraum zwischen beiden Aussagen war die Presseproduktion sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland rapide gestiegen.
Vor allem die Rolle und das öffentliche Gewicht des Journalisten sind hierbei interessant. Auf britischer Seite gab es zahlreiche Reporter, die ihr Handwerk ohne konventionelle Schulung im Job gelernt hatten, und die als Vorläufer der modernen Boulevardjournalisten gelten dürfen, aber auch eine in Oxford und Cambridge ausgebildete Elite. Diese hatte unbeschränkten Zugang zu höheren Kreisen, von dem die deutschen Kollegen nur träumen konnten. Zwar waren im Deutschen Reich mehr Journalisten akademisch gebildet, aber sie wurden weniger geachtet. Zudem war in Deutschland seit Bismarck eine regierungsseitige „Lenkung” der Presse üblich. Diese Praxis prägte auch die Wahrnehmung der – in Wahrheit weitgehend unabhängigen – britischen Berichterstattung, die man in Berlin stets als Sprachrohr britischer Regierungspolitik missverstand. Geppert betont, „obwohl – oder gerade weil – die britische Regierung nicht in das redaktionelle Tagesgeschäft eingriff”, habe sie „in Ausnahmesituationen erfolgreich intervenieren” können.
Der wohl folgenreichste der „Pressekriege” zwischen Deutschland und Großbritannien folgte auf das berühmte „Krügertelegramm”. Nachdem Burenpräsident Paul Krüger einen Aufstand britischer Siedler in Südafrika niedergeschlagen hatte, die vom Premier der britischen Kapkolonie, Cecil Rhodes, militärisch unterstützt worden waren, schickte der Kaiser am 3. Januar 1896 ein Glückwunschtelegramm an den deutschstämmigen Krüger. Hierauf reagierte die englische Presse sehr scharf. Die Evening News etwa sprachen von einer „Pretoria-Berlin-Verschwörung” und behaupteten, der Kaiser habe Krüger „dazu gratuliert, Engländer getötet zu haben”.
Die Erregung griff schnell auf die Bevölkerung über – eine Reaktion, die wiederum die deutsche Regierung beunruhigte. Der Kaiser, bis dahin als Enkel Königin Viktorias in Großbritannien gut gelitten, beeilte sich, der Monarchin zu versichern, von der britischen Presse missverstanden worden zu sein. Über den Inhalt des Schreibens informierte man „most confidentially” auch die Berliner Korrespondenten der Times und des Daily Telegraph. In England jedoch wurde diese Korrespondenz als Schuldeingeständnis des Kaisers aufgefasst. Diese Interpretation brachte wiederum deutsche Publikationen in Rage. Obwohl die Beziehungen sich zunächst wieder normalisierten, hat die Auseinandersetzung zweifellos die Grundfesten des Einvernehmens erschüttert.
Eine beeindruckende Quellenkenntnis erlaubt es dem Autor, mit einer Vielzahl von Beispielen immer wieder aufflammenden medialen Missvergnügens die Rivalität zwischen der aufstrebenden Kontinentalmacht und dem Empire zu illustrieren. Besonders interessant ist die zweigleisige Pressepolitik der deutschen Reichsführung: Während des Zweiten Burenkriegs etwa war es dieser einerseits darum zu tun, den diplomatischen Schaden zu begrenzen, den die deutschen „Pressetreibereien” gegen England bewirkten, andererseits habe sie aber auch versucht „die öffentliche Anglophobie innenpolitisch und diplomatisch auszuschlachten”. Eine Strategie, die völlig verkannte, dass im einen Land Gedrucktes der Öffentlichkeit im anderen nicht vorenthalten werden konnte.
Überaus materialreich, gewähren die „Pressekriege” nicht nur erhellende Einblicke die unterschiedlichen Pressekulturen sowie die zunehmende diplomatische Bedeutung der sich mit Macht entwickelnden Massenmedien. Dominik Geppert beleuchtet dankenswerterweise auch jene komplexen Anziehungs- und Abstoßungsvorgänge zwischen England und Deutschland um die Jahrhundertwende, die in der historischen Betrachtung sonst meist von den Verheerungen des Ersten Weltkrieges überlagert sind. ALEXANDER MENDEN
DOMINIK GEPPERT: Pressekriege . Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutsch-britischen Beziehungen (1896- 1912). Oldenbourg, München, 2007. 490 Seiten, 49,80 Euro.
Wilhelm II. und Prinz Georg in Portsmouth, 1907 Foto: Scherl / SZ-Photo
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Alle meine Entchen ...
Pressekriege vor 1914 Von Gottfried Niedhart

Als Immanuel Kant 1795 seine Schrift "Zum ewigen Frieden" veröffentlichte, nahm er an, ein höheres Maß an politischer Partizipation seitens der Bürger werde zu einer Zivilisierung der Politik und zu einer Reduzierung von Gewalt und Gewaltandrohung in den internationalen Beziehungen führen. Hundert Jahre später war es gerade die öffentliche Debatte auf dem politischen Massenmarkt, die konfliktverschärfend wirkte und zurückhaltendere Stimmen übertönte. Im Zeitalter der Informationsflut, die Nachrichtenagenturen wie Reuters in Großbritannien oder Wolff's Telegraphisches Bureau in Deutschland bereitstellte, und einer neuartigen kommerziellen Massenpresse, die neben das herkömmliche Zeitungswesen trat, ging es den Regierungen darum, die mediale Öffentlichkeit zu steuern. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg sprach 1912 von einem Ansteigen der Kriegsgefahr, "nachdem Öffentlichkeit, Volksstimmung, Agitation an Gewicht und Bedeutung zugenommen haben".

Am Beispiel des britisch-deutschen Antagonismus vor dem Ersten Weltkrieg untersucht Dominik Geppert die zwischen beiden Ländern hin und her wogenden "Pressekriege", die durch Wettbewerb, Abgrenzung, Gewalt und Feindschaft geprägt waren. Anschaulich beschreibt er nicht nur die jeweilige nationale Öffentlichkeit, sondern darüber hinaus auch deren "mediale Interaktionen". Dabei geht er von der Annahme aus, dass die Analyse internationaler Beziehungen seit dem Zeitalter des Hochimperialismus nicht nur das Regierungshandeln in den Blick nehmen dürfe. Vielmehr seien auch Journalisten als "wichtige Mitspieler" in Rechnung zu stellen.

Die Serie der Pressefehden setzte ein, als Wilhelm II. im Januar 1896 Paul Krüger, den Präsidenten der südafrikanischen Burenrepublik Transvaal, dazu beglückwünschte, einen von der britischen Kapkolonie ausgehenden Übergriff abgewehrt zu haben. Die in Berlin erwünschte internationale Wirkung konnte das Krüger-Telegramm nur erzielen, wenn es sogleich veröffentlicht wurde. Überall war zu lesen, was der Kaiser von den Briten hielt. Er betrachtete sie - noch nicht einmal zu Unrecht - als "Friedensstörer". In London sah man sich innerhalb kürzester Zeit ein zweites Mal von außen gemaßregelt. Denn im Vormonat hatte der amerikanische Präsident unter Bezug auf die Monroe-Doktrin britische Forderungen im Grenzstreit zwischen Britisch-Guayana und Venezuela brüsk zurückgewiesen. Während Großbritannien in der amerikanischen Hemisphäre einlenkte und sich bald darauf sogar in der langfristigen Perspektive einer transatlantischen Friedenszone mit einem schiedsgerichtlichen Verfahren einverstanden erklärte, wurde das in der Gestalt des Kaisers personifizierte Deutsche Reich als Eindringling in die legitime Interessensphäre Großbritanniens scharf attackiert.

In der Folgezeit zeichnete die britische Presse ein zunehmend negatives Deutschlandbild, das sich während des 1899 einsetzenden Burenkriegs weiter verfinsterte. Als Ende 1902 wiederum Venezuela für Aufsehen sorgte, weil die dortige Regierung mit fälligen Zinszahlungen im Rückstand war und es zu einer gemeinsamen britisch-deutschen Aktion kam, war es die antideutsche Presse in Großbritannien, die diesen wiederum die Vereinigten Staaten herausfordernden Kurs verurteilte. Mit den "betrügerischen, obrigkeitsstaatlichen Deutschen" sollten "gutgläubige, freiheitsliebende Engländer" nicht kooperieren. Dem deutschen Zeitungspublikum wurde derweil von seiner Presse das Stereotyp vom "selbstsüchtigen, arroganten und heuchlerischen Albion" nahegebracht. Die Marokko-Krisen und das maritime Wettrüsten trugen danach kräftig dazu bei, dass sich die wechselseitige Abneigung zu Feindbildern verfestigte.

Im Nachklapp weiß Geppert auch von "Abrüstung der Presse" zu berichten, doch blieben einzelne aus unterschiedlichen Motiven betriebene Entspannungsinitiativen gegenüber den Einstellungs- und Wahrnehmungsmustern der Massenpresse wirkungslos. Auch wenn sich das britisch-deutsche Presseklima in den beiden letzten Friedensjahren freundlicher gestaltete, trugen die Pressekriege wesentlich zur "mentalen Aufrüstung und zur kulturellen Konfrontation" bei. Ob daraus aber schon auf eine "Transformation der Diplomatie durch die Massenpresse" geschlossen werden kann, ist angesichts der politisch-militärischen Entscheidungsprozesse in beiden Ländern doch zu bezweifeln. Öffentlichkeit und Diplomatie berührten sich wiederholt, was im Übrigen gerade in England nicht erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert der Fall war. Sie liefen aber auch vielfach unverbunden nebeneinander her, ganz so, wie Geppert es auch darstellt.

Dominik Geppert: Pressekriege. Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutsch-britischen Beziehungen (1896-1912). R. Oldenbourg Verlag, München 2007. 490 S., 49,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dominik Gepperts Buch über die Auseinandersetzungen zwischen der deutschen und der britischen Presse zwischen 1896 und 1912 hat Rezensent Alexander Menden rundum überzeugt. Es schließt für ihn eine Lücke in der Untersuchung der englisch-deutschen Beziehungen. Schon der Überblick über die unterschiedlichen Presselandschaften in beiden Ländern scheint ihm überaus instruktiv. Besonders interessant findet er in diesem Zusammenhang die Ausführungen über Rolle und Bedeutung des journalistischen Standes in Deutschland und Großbritannien. Ausführlich geht er auf die Darstellung des "Pressekriegs" ein, der auf das sogenannte "Krügertelegramm" folgte. Er bescheinigt Geppert imponierende Quellenkenntnisse, dank derer der Autor eine Fülle von erhellenden Beispielen ausbreiten könne. Insgesamt vermittelt das Buch nach Ansicht Mendens nicht nur einen hervorragenden Einblick in die verschiedenen Pressekulturen und die zunehmende Bedeutung der Massenmedien, sondern auch die "komplexen Anziehungs- und Abstoßungsvorgänge" zwischen England und Deutschland um die Jahrhundertwende.

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