Als während des Ersten Opiumkrieges 1838/1839 die chinesischen Behörden gewaltsam gegen ausländische Händler in Kanton und deren Verbindungsleute vorgehen, werden u. a. zwei Ausländer Zeugen der Vorgänge in den Faktoreien der ausländischen Händler: Der britische Maler Robin Chinnery und der indische
Händler Bahram Modi. Bahram ist Parse, seine Vorfahren stammten aus Persien. Chinnery befindet sich…mehrAls während des Ersten Opiumkrieges 1838/1839 die chinesischen Behörden gewaltsam gegen ausländische Händler in Kanton und deren Verbindungsleute vorgehen, werden u. a. zwei Ausländer Zeugen der Vorgänge in den Faktoreien der ausländischen Händler: Der britische Maler Robin Chinnery und der indische Händler Bahram Modi. Bahram ist Parse, seine Vorfahren stammten aus Persien. Chinnery befindet sich in China auf der Suche nach einer seltenen Kamlienart, von der bisher nur ein Gemälde existiert. Während seines Aufenthaltes in Kanton korrespondiert der Maler mit Paulette, die Ghoshs Lesern aus dem ersten Band als verwaiste Tochter eines französischen Botanikers vertaut ist. Durch Chinnerys Briefe lassen sich die Schicksale derer zuordnen, die sich auf der "Ibis" begegneten. Bahram sitzt in Kanton durch die Auseinandersetzung zwischen England und China um den Opiumhandel auf einer unverkäuflichen Schiffsladung Opium. Er lebte zeitlebens ein Doppelleben mit einer indischen Frau und deren Kindern in seiner Heimat, sowie einer chinesischen Geliebten und dem gemeinsamen Sohn auf einem Blumenboot im Hafen von Kanton. Bahrams Sohn Ah Fatt verkörpert das Leben zwischen den Kulturen, ohne das der Handel in Kanton nicht möglich wäre. Eine weitere Rolle spielt Fitcher Penrose, ein älterer Engländer und führender Händler mit exotischen Pflanzen. Penrose ist der Auftraggeber Robins für die Pflanzensuche und Wohltäter Paulettes, indem er das mittelose Mädchen als Betreuerin seiner Pflanzen auf seinem Schiff einstellt. Auch Bahrams Schreiber und Informant Nil tritt auf, den wir als Anil aus dem ersten Band der geplanten Trilogie kennen. - Die Schreiber, Diener und Botenjungen waren für mich die wirklich interessanten Personen dieses Romans, weil Ghosh an ihnen zeigt, dass Handel in Asien nur auf der Grundlage jahrzehntelanger persönlicher Beziehungen funktionierte - und heute noch funktioniert. Amitav Ghosh hat einen interessanten historischen Moment gewählt, den er aus der Perspektive eines indischen Geschäftsmannes schildert, der durch den Handel mit China zu Reichtum gekommen ist. Besonderes Merkmal dieses zweiten Bandes ist das babylonische Sprachgewirr unter den beteiligten Händlern. Gemeinsame Sprache in Kanton ist ein Pidgin-Englisch, das die einfache Grammatik des Kantonesischen und Vokabeln aus dem Englischen, Portugiesischen und mehreren indischen Sprachen vereint, so dass sich niemand diskriminiert fühlen muss. Außer indischen Ausdrücken, die sich oft aus dem Zusammenhang erschließen, kommt noch das Kreolische ins Spiel, das Diti und ihr Clan auf Mauritius gelernt haben. Diti ist eine der Hauptfiguren des ersten Bandes, in dem es um den Anbau und die Verarbeitung des Opiums ging. -
Amitav Goshs Lust des Historikers am Erklären und Informieren blitzt auch in diesem Buch wieder deutlich durch. Im Vergleich zu Der Glaspalast und Hunger der Gezeiten, mit denen der Autor thematisch weiße Flecken auf der literarischen Landkarte füllen konnte, hat mich dieser Band jedoch weniger gefesselt. Das liegt einerseits daran, dass die Personen auf mich sehr sperrig und unzugänglich wirkten und an der langsamen Gangart, mit der erst 200 Seiten lang die - aus dem ersten Band bekannten - Personen eingeführt und die Schiffe für ihre Expeditionen ins Perlfluss-Delta ausgestattet werden, ehe die Handlung Fahrt aufnehmen kann. Die Geschichte des Chinahandels und der Opiumkriege wurde bisher meist aus westlicher Sicht geschrieben. Mit außergewöhnlichem Erzähltalent zeigt Amitav Ghosh europäischen und amerikanischen Lesern die ungewohnte Sicht eines Inders persischer Herkunft auf den Ersten Opiumkrieg, weiß mit einigen Randthemen zu unterhalten und rückt die Bedeutung der Sprache und des Dolmetschens für den Handel in den Mittelpunkt.