Geldtheorien sind nicht einfach zu verstehen, aber mit "Mythos Geldknappheit" gelingt es Maurice Höfgen die Grundzüge der "Modern Monetary Theory" (MMT) allgemeinverständlich zu erklären. Die MMT stellt die etablierte ökonomische Lehre des Neoliberalismus auf den Kopf. Statt Geld als eine knappe
Ressource zu sehen, ist für die MMT eine Finanzierung des Staates durch die Notenpresse sogar…mehrGeldtheorien sind nicht einfach zu verstehen, aber mit "Mythos Geldknappheit" gelingt es Maurice Höfgen die Grundzüge der "Modern Monetary Theory" (MMT) allgemeinverständlich zu erklären. Die MMT stellt die etablierte ökonomische Lehre des Neoliberalismus auf den Kopf. Statt Geld als eine knappe Ressource zu sehen, ist für die MMT eine Finanzierung des Staates durch die Notenpresse sogar wünschenswert, wenn sie bestmöglich im Sinne des Gemeinwohls genutzt wird. Solange keine Inflation entsteht, ist eine Limitierung der Geldmenge nicht notwendig - so die MMT.
Höfgen wirft den neoliberalen Ökonomen gleich zu Beginn des Buches unmissverständlich vor, dass Geldsystem nicht zu verstehen und dass ihre politischen Regeln nur auf ideologischen Überzeugungen und ökonomischen Mythen basieren. Der Autor erläutert daher in der ersten Hälfte seines Buches ausführlich, wie unser Geldsystem "wirklich" funktioniert und wie groß die theoretischen Unterschiede der MMT zum Neoliberalismus sind. Er beschreibt, wie Geldschöpfung erfolgt, welche Rollen der Staat, die Zentralbank und die Geschäftsbanken einnehmen, wo die Unterschiede zwischen staatlichem Geld und Giralgeld liegen, warum der Staat gerade nicht wie ein Haushalt funktioniert und betrachtet Defizite, Schulden und Inflation aus einem völlig neuen Blickwinkel. "Staatsausgaben kosten uns kein Geld, sie machen uns reicher", resümiert Höfgen.
Der Autor vermittelt die Grundlagen der MMT gut verständlich und nachvollziehbar und seine Analogien (Spielstandsanzeige, Monopoly-Spiel, Pizzabäcker) helfen den Sachverhalt zu verstehen. Allerdings hätte ich mir in der Gegenüberstellung mit dem Neoliberalismus mehr Neutralität und Professionalität gewünscht. Viele seiner tendenziösen Aussagen gegen die bestehende Geldtheorie sind nicht belegt oder einfach nur diffamierend und haben in einem echten Sachbuch nichts zu suchen.
In der zweiten Hälfte des Buches erläutert Höfgen seine Reformvorschläge. Für den Euro-Raum reichen die Vorschläge von einer grundlegenden Reform und Beseitigung der Konstruktionsfehler des Euros über das einseitige Austreten einzelner Länder bis zur Auflösung der Währungsunion und Wiedereinführung von nationalen Währungen. Aber auch weitere progressive (teils sehr linke) Reformvorschläge (z. B. Jobgarantie, lebensstandardsichernde Rente, Verzicht auf Unternehmenssteuern und die Umsatzsteuer, permanente Nullzinspolitik) werden detailliert vorgestellt.
Aus Platzgründen verzichtet der Autor leider auf deutschlandspezifische Reformideen, Vorschläge zur Überwindung der Corona-Pandemie und anderes und verweist stattdessen auf seinen Newsletter. Schade.
Sehr kritisch sehe ich Höfgens Forderung nach einem neuen, manipulativen Framing. Statt "Staatshaushalt" soll es nach dem Willen des Autors dann "Staatsbilanz" und statt "Staatsdefizit" nun "Staatsausgabenüberschuss" heißen (ja, richtig gelesen: "Überschuss"!). Da propagiert einer also den nächsten Schritt Richtung Orwellsche Sprachpolizei.
"Mythos Geldknappheit" stellt die Denkschule des "Modern Monetary Theory" verständlich vor, büßt aber durch seine einseitige Bewertung und ideologische Darstellung sehr an praktischem Nutzwert ein. Mich hat es eher abgeschreckt als überzeugt.