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Eine Entdeckungsreise rund um die Welt vor über 100 Jahren
Seit Menschen auf Reisen gehen, haben sie das Bedürfnis, ihre Erlebnisse festzuhalten und miteinander zu teilen. Von der Erfindung der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu den ersten tragbaren Apparaten war es nur ein kurzer Schritt und schon bald gehörte die Kamera - wenn auch nicht in dem heute üblichen handlichen Format - zur Grundausstattung jedes anständigen Abenteurers und Globetrotters. Viele dieser frühen Aufnahmen aus bis dato unbekannten Weltgegenden wurden zu Ikonen ihrer Epoche und lassen uns bis heute an längst…mehr

Produktbeschreibung
Eine Entdeckungsreise rund um die Welt vor über 100 Jahren

Seit Menschen auf Reisen gehen, haben sie das Bedürfnis, ihre Erlebnisse festzuhalten und miteinander zu teilen. Von der Erfindung der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu den ersten tragbaren Apparaten war es nur ein kurzer Schritt und schon bald gehörte die Kamera - wenn auch nicht in dem heute üblichen handlichen Format - zur Grundausstattung jedes anständigen Abenteurers und Globetrotters. Viele dieser frühen Aufnahmen aus bis dato unbekannten Weltgegenden wurden zu Ikonen ihrer Epoche und lassen uns bis heute an längst vergangenen Zeiten und Kulturen teilhaben. Die exquisite Auswahl aus dem Bestand der französischen Nationalbibliothek präsentiert eine Kollektion von 230 teils farbigen, meist Duotone-Bildern aus der Zeit von 1850 bis 1914, die einen faszinierenden Blick auf die Welt mit den Augen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ermöglichen. Die Reise führt von den Pyramiden im Norden Afrikas durch die Sahara bis zum Kap, von Nord nach Süd durch beide Teile Amerikas, durchquert Europa von West nach Ost bis ins Osmanische Reich, streift die Mongolei und Persien und schlägt einen Bogen von Indien über Japan und die Gewürzinseln bis nach Australien.
Autorenporträt
Olivier Loiseaux ist Chefkurator der Kartensammlung der Französischen Nationalbibliothek in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2019

In Sand und Eis

Ein Bildband präsentiert frühe Begegnungen mit fremden Welten.

Von Freddy Langer

Es braucht nicht viel Phantasie, sich den verzweifelten William Henry Fox Talbot während seiner Hochzeitsreise an den Hängen des Comer Sees vorzustellen, wie er abwechselnd auf die liebliche Landschaft hinunterblickt und auf das Zeichenpapier vor ihm, auf dem er nur ein paar krakelige Linien zustande bringt, obwohl er eine Camera lucida als Hilfsmittel benutzt, ein optisches Instrument, das die Wirklichkeit auf das Blatt projiziert. "Teufel auch!", hätte jeder andere gerufen. Der vornehme Privatgelehrte aus England aber bezeichnet seine Stimmung angesichts der Kritzelei mit dem Wort "Trübsinn".

Das war im Oktober des Jahres 1833. Und womöglich muss man diesen Herbsttag als die Geburtsstunde der Fotografie bezeichnen. Denn der von seinem Talent so enttäuschte Talbot begann nun mit allen Mitteln einen Weg zu finden, dass sich das Bild selbst "dauerhaft abdruckt und immerwährend auf dem Papier verweilt". Nur zwei Jahre später gelangen ihm erste Fotografien. Doch ließ er sie in einer Schublade verschwinden, um sich anderen Arbeiten zu widmen. Erst als ihn im Januar 1839 aus Paris die Nachricht erreichte, dass der Franzose Louis Jacques Mandé Daguerre von Bildern der Camera obscura "einen festen und dauerhaften Abdruck" hergestellt habe, begann er hektisch damit, seine Methode zu vermarkten.

Die Technik der Daguerreotypie verbreitete sich mit einer solchen Geschwindigkeit über den Globus, dass binnen weniger Jahre alle Sehenswürdigkeiten der Welt fotografiert waren. Doch handelte es sich um Unikate. Die von Talbot erfundene Technik des Negativs hingegen erlaubte beliebig viele Kopien - und es dauerte nicht lange, bis aus einem Steckenpferd für Müßiggänger ein Massenmedium wurde.

Allerorten öffneten Ateliers und verkauften zehntausendfach Ansichten der Umgebung an Reisende oder vertrieben sie hunderttausendfach über Buchhandlungen und Verlage. Die Nachfrage wurde immer größer, die Welt immer kleiner, und schon bald scheuten Fotografen weder Mühen, noch Gefahren, um mit ihren zentnerschweren Gerätschaften in Regionen vorzudringen, die den meisten Europäern damals nicht einmal vom Hörensagen bekannt waren. "Der fotografische Enthusiasmus kann nicht weiter gehen als bis hierher", notierte Samuel Bourne 1866 mit einer Mischung aus Lakonie und Großmannssucht, als er im Himalaja seinen Fotoapparat auf dem sechstausend Meter hohen Manirungpass aufgestellt hatte. Aber damit war die Suche nach den höchsten, fernsten, tiefsten, exotischsten, kältesten oder gefährlichsten Orten überhaupt erst eröffnet.

Heute, da uns Google unter dem Suchbegriff "Reisefotografie" binnen eines Wimpernschlags mehr als zwei Millionen Ergebnisse aus dem weltweiten Netz fischt, fällt es schwer, sich auszumalen, was es bedeutet hat, in der Wüste Ägyptens oder zwischen den Eisbergen vor Neufundland eine an Ort und Stelle umständlich präparierte Glasplatte minutenlang zu belichten. Aber man kann sich einbilden, wie es gewesen sein muss, wenn damals die großbürgerliche Familie beieinander saß und diese Aufnahmen durch Lupen bis ins Detail studierte. Die Fotografen waren die reisenden Stellvertreter ihres Publikums. Und die Menschen erschauderten vor Vergnügen.

Jetzt, da wir selbst unentwegt unterwegs sind und an jedem Ort der Welt erkennen müssen, dass wir zu spät eintreffen, weil die Fotografie sich unserer Erinnerung bemächtigt hat, lange bevor wir die Reise angetreten haben, müssen wir uns eingestehen, dass uns damit die Fähigkeit des Staunens genommen wurde. Hier ein Selfie, dort ein Selfie, dann rasch hochgeladen auf allen sozialen Kanälen, auf denen es mit hunderttausend ähnlichen Bildern konkurriert. Aber um die Bilder geht es gar nicht mehr, sondern um den Beweis: Auch ich bin da gewesen. Schon geht weiter es zur nächsten Attraktion.

Deshalb lohnt der Blick auf alte Fotografien. Sie vermitteln etwas von dem Staunen und der Neugierde gegenüber der Fremde und den Fremden. Hier ist das Exotische noch nicht seines Nimbus beraubt. Es kann kein Zufall sein, dass die Fotografie ausgerechnet in der Epoche der Romantik erfunden wurde. Und man tut den frühen Reisefotografen nicht unrecht, wenn man sie Romantiker nennt. Auf ihren Bildern herrscht kein Mangel an Verklärung. Selbst aus den nüchternsten Abbildungen alten Gemäuers glauben wir den Flüsterton geheimer Botschaften herauszuhören. Und dort, wo die Fotografen scheu in die Kamera blickende Menschen der langen Belichtungszeit wegen in steifen Posen inszenierten, spüren wir etwas von diesen womöglich ersten Begegnungen zwischen zwei sich fremden Kulturen. Es ist, als habe die Welt damals unter einem Schleier verborgen gelegen, den die Fotografen allmählich lüfteten.

Aber es gibt auch diesen Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Tourismus und der Fotografie: Als Geburtsstunde des Massentourismus gilt der 1. Juli 1841. Thomas Cook, Tischler und Wanderprediger, hatte für diesen Tag eine Bahnreise von Leicester ins fünfzehn Kilometer entfernte Städtchen Loughborough organisiert. Fünfhundertsiebzig Menschen hatten sie gebucht. So fielen die Anfänge der Fotografie und des Massenreisens auf wunderbare Weise zusammen - und gingen eine Partnerschaft ein, wie es vielleicht keine zweite gibt. Und je einfacher es wurde, die Welt zu erkunden, desto einfacher wurde es zugleich, sie zu fotografieren.

Nicht auszudenken, was wäre, wenn wir bis heute jede Szene unterwegs mühsam mit dem Stift aufs Zeichenpapier übertragen müssten. Wenn wir auf einen See hinunterschauten und zum Moment sagten: "Bleib doch, du bist so schön", aber dann an unserem ästhetischen Anspruch verzweifelten. Womöglich täte es manchem gut, dann und wann genauer hinzuschauen, sich dem Motiv behutsam zu nähern, fast kontemplativ - statt mit dem Mobiltelefon seelenlose Bilder im Sekundentakt aufzunehmen. Die Fotografie hat die Wahrnehmung der Welt demokratisiert. Aber sie hat ihr nicht die Seele geraubt. Das haben wir selbst getan.

"Die Entdeckung der Welt - Frühe Reisefotografie von 1850 bis 1914", herausgegeben von Olivier Loiseaux und Gilles Fumey. Mit einem Vorwort von Freddy Langer. Prestel Verlag, München 2019. 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 45 Euro. Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Vorworts.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Als Fotografen mit der Kamera die Welt entdeckten und erstmals ablichteten. Dieser schöne Bildband zeigt Fotografien von spannende Abenteuerreisen zu fernen Ländern und fremden Kulturen.« fotoMagazin