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Wer nach dem Bild fragt, fragt nach Bildern, einer unübersehbaren Vielzahl. Sie läßt es fast aussichtslos erscheinen, einen gangbaren Weg der Debatte zu finden. Welche Bilder sind gemeint? Gemalte, gedachte, geträumte? Gemälde, Metaphern, Gesten? Spiegel, Mimikry, Echo? Verbinden diese Bilder Gemeinsamkeiten? Worin könnten sie bestehen? Welche wissenschaftlichen Disziplinen scheinen geeignet, an diesem Diskurs teilzunehmen? Dieser Band will einen Überblick geben, der die Klärung von Grundlagen mit Gesichtspunkten der Nutzanwendung verbindet.

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Produktbeschreibung
Wer nach dem Bild fragt, fragt nach Bildern, einer unübersehbaren Vielzahl. Sie läßt es fast aussichtslos erscheinen, einen gangbaren Weg der Debatte zu finden. Welche Bilder sind gemeint? Gemalte, gedachte, geträumte? Gemälde, Metaphern, Gesten? Spiegel, Mimikry, Echo? Verbinden diese Bilder Gemeinsamkeiten? Worin könnten sie bestehen? Welche wissenschaftlichen Disziplinen scheinen geeignet, an diesem Diskurs teilzunehmen? Dieser Band will einen Überblick geben, der die Klärung von Grundlagen mit Gesichtspunkten der Nutzanwendung verbindet.
Autorenporträt
Gottfried Boehm, von Hans-Georg-Gadamer promovierter Philosoph und habilitierter Kunsthistoriker, ist seit über zwanzig Jahren Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Basel. Er befasst sich mit Fragen der Bildreflexion, Interpretation, Kunsttheorie und Ästhetik. Boehm ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 2005 Direktor des Schweizerischen Nationalen Forschungsschwerpunktes "Bildkritik".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.1995

Umsichtiges Eintauchen in die tiefe Fläche
Die Hermeneutik ist großzügig genug, die Differenz von Bild und Wirklichkeit nicht zu leugnen

Einen Monat vor seinem Tod, im September 1906, spricht Cézanne vom Schmerz seiner Empfindungen. Er fühle sich wirr im Kopf und sei so verstört, daß er schon gefürchtet habe, den Verstand zu verlieren. "Jetzt geht es mir wieder besser und meine Gedanken und Studien scheinen mir in die richtige Richtung zu gehen. Werde ich das Ziel, das ich so sehr gesucht und so lange verfolgt habe, erreichen? Ich studiere immer vor der Natur, und es scheint mir, daß ich langsam Fortschritte mache." Bis zuletzt blieb Cézanne im ungewissen. Die Revolution des Bildverständnisses, mit der die moderne Kunst sich ankündigte, verlief schleppend und schwer - so schwer, daß schon ihre erste Heldenfigur darüber zu verzweifeln drohte. Selbst sein treuer Wegbegleiter Emile Bernard hielt Cézanne für gescheitert. Er habe "die Malerei in Unwissenheit und seinen Geist in Finsternis" versinken lassen, so das Urteil Bernards.

Es ist die Ansicht eines Traditionalisten, gewiß, und wie so viele traditionalistische Positionen wirkt sie heute, da man Cézanne bewundert, ein wenig lächerlich. Doch Cézannes eigene Bedenken und Zweifel machen das Urteil nachvollziehbar. "Der Zweifel Cézannes" - unter diesen Titel hat Maurice Merleau-Ponty Anfang der vierziger Jahre eine eindringliche Studie gestellt, die ihm zu einer kleinen Genealogie des modernen Bildes geriet. Gottfried Boehm legt sie nun - übrigens in einer von der Parallelveröffentlichung durch die "Internationale Zeitschrift für Philosophie" (2, 1994) abweichenden Übersetzung - auf deutsch vor, und sie ist, das sei gleich hinzugefügt, ein philosophisches, ein kunsttheoretisches und literarisches Glanzstück.

Merleau-Ponty zeigt, wie gerade die Unbedingtheit seiner Malerei Cézannes Glaubwürdigkeit gefährdete. Sein Rückzug und seine Rastlosigkeit, das Unmaß seiner Anstrengungen erschienen als Zeichen der Schwäche, und die Eigenart seiner Bildsprache konnte gar als Folge einer Sehstörung ausgelegt werden. Das moderne Bild trat nur zögernd aus dem Schatten der Tradition - aus der Hermeneutik des Ateliers, in dem die akademische Regel den Ton angab, und aus der Schule des Impressionismus, der die Leinwand mit ausgetüftelten Farbarrangements überzog. Merleau-Ponty beschreibt den schwierigen Durchbruch Cézannes als Rückkehr zum Gegenstand, die ein Paradox zu bewältigen hatte: "Er zielt auf die Realität und versagt sich die Mittel, sie zu erreichen."

Entscheidend für die Geschichte des modernen Bildes ist nun, daß Cézanne diese Spannung keineswegs auflöst oder überspielt, sondern festhält. Seine Malerei ist Kritik der Malerei, und seine Bilder sind Objektivationen einer tiefen, die Bildlichkeit des Bildes reflektierenden Skepsis. "Sie machten Bilder", konnte Cézanne auf die Einwände seines Gesprächspartners erwidern, "und wir versuchen uns an einem Stück Natur." In dieser Skepsis wurzeln Phänomenreichtum und Vielgestalt des modernen Bildes, das mittlerweile längst neue, vor allem technische Ausdrucksformen hinzugewonnen hat. Cézannes Zweifel ließ die Bildgewinnung zur unendlichen Aufgabe werden, zog "Sehen" und "Denken" zu einer unauflöslichen Einheit zusammen und erneuerte das Bild als Konstruktion, als freien Ausdruck des Wirklichen in seiner Flüchtigkeit.

Gottfried Boehm weist auf die Erstaunlichkeit hin, daß das intellektuelle Europa zwar Kultur- und Sprachwissenschaften hervorgebracht hat, niemals aber die auch nur annähernd vergleichbare Institution einer "Bildwissenschaft". Das verblüffende Phänomen verrät einiges über den Status und das Selbstverständnis der Disziplinen, die sich ungeachtet illustrativer Hilfsmittel im Verlauf ihrer Geschichte immer eindeutiger auf Wort und Schrift verlegt haben. Die Beobachtung sagt aber auch etwas über die spezifische Deutungs- und Diskursresistenz des Bildes. Wenn es eine Gemeinsamkeit der in diesem Band vereinten Beiträge gibt, so ist es die Anerkennung jener Diskrepanz von künstlicher (fotografischer) und natürlicher (erlebter) Perspektive, die dem Sehen sein eigenes Gesetz sichert, seine "ihm eigentümliche Prozessualität", wie Boehm erläutert, und "seine Einbindung in den Körper, dessen Augen sehen".

Dementsprechend kommen diese älteren (Lacan, Jonas, Imdahl, Gadamer, Schapiro) und neueren Theorien des Bildes darin überein, sich ihrem Gegenstand auf Umwegen zu nähern. Auffallend häufig umkreisen Begriffspaare die Phänomene der Visualität: Michael Polanyi erläutert die heikle Fusion von "begleitender" und "fokussierender" Wahrnehmung; Wolfgang Wackernagel erinnert an das von Meister Eckhart inszenierte Widerspiel von "Bildung" und "Entbildung"; Bernhard Waldenfels nimmt Max Imdahls Unterscheidung von wiedererkennendem und sehendem Sehen auf und empfiehlt die bildende Kunst "als ein Art Sehlabor"; Arthur C. Danto entrollt das Spannungsfeld von Abbildung und Beschreibung; Günter Wohlfahrt rekonstruiert die Bildbetrachtung als einen Prozeß des gebrochenen und wiedergefundenen Schweigens; Karlheinz Lüdeking skizziert den Streit zwischen Bildverehrern und Bilderstürmern im "aktuellen Frontverlauf".

Es ist nur folgerichtig, wenn die derzeit tonangebenden Simulations- und Medientheorien in diesem Band fehlen: Nicht, weil sie den Bildbegriff in beispielloser Weise erweitern - auch Boehm hält die Beschränkung auf Gemälde und Tafelbild für ein Vorurteil -, sondern weil sie dazu neigen, die Differenz zwischen Wirklichkeit und Bild einzuziehen und damit jene Spannungen aufzuheben, die Cézanne vor einhundert Jahren aufgezeigt hat.

In seiner beachtenswerten Abhandlung "Imago" hat Kurt Bauch die Bedeutungsgeschichte des Bildes mit der Bemerkung zusammengefaßt, in alledem sei etwas von Zauberei. Der Satz fängt die Faszination der tiefen Fläche ein, er macht aber auch die Schwierigkeit der auf Wort und Formel verpflichteten Wissenschaften einsehbar, sich den Bildern zu stellen. Boehm und die von ihm versammelten Theoretiker bevorzugen eine großzügig gehandhabte Hermeneutik, und tatsächlich scheint sie wie keine andere Disziplin der Aufgabe gewachsen zu sein, den Zauber des Bildes zu deuten, ohne ihn zu brechen. RALF KONERSMANN

Gottfried Boehm (Hrsg.): "Was ist ein Bild?" Wilhelm Fink Verlag, München 1994. 459 S., br., 48,- DM.

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