Peter, ein jüdischer Junge, wächst während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Budapest auf. Er erzählt uns seine Geschichte: Sein ganz normales Kinderleben mit Schlittenfahren und Knopffußball gerät plötzlich aus den Fugen: Erst ist es ein gelber Stern auf der Jacke, dann die Vertreibung aus dem eigenen Haus. Nur knapp Peter entgeht mit seiner Familie der Deportation und muss untertauchen. Wir erfahren von Angst, Hunger, erfrorenen Zehen - aber auch von einem Alltag im Krieg, von großer Langweile und einem immens wichtigen Märchenbuch. Peter überlebt.Die Britin Helen Bate erzählt und zeichnet die wahre Geschichte eines jüdischen Kinds während des Zweiten Weltkriegs. Damit schließt sie eine Lücke in der bisherigen Kinder- und Jugendliteratur über den Holocaust: Peter in Gefahr ist ein Buch für Kinder ab dem Grundschulalter
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2019Spielfiguren der Hoffnung
Ein jüdischer Junge erlebt den Zweiten Weltkrieg
Es ist ein schlimmer Tag im Leben des jungen Peter: „Mein Malbuch war voll und ich hatte alle Stifte verloren.“ Die Mutter hatte seine Zehen abgetastet und, weil die erfroren sind, die Füße in ihre Strickjacke gewickelt. „Mir ist langweilig“, stöhnt Peter.
Malbuch und Stifte haben ihn viele Tage lang beschäftigt, sie waren alles, was er mitnehmen durfte, als die Familie ihre Wohnung verlassen und in ein Judenhaus umziehen musste. Die Familie lebt in Budapest, und als der Zweite Weltkrieg ausbricht, steht Ungarn auf der Seite des Deutschen Reichs, die Juden der Stadt müssen all das erleiden, was die Juden in Deutschland schon lange mitmachen – die gelben Sterne auf der Kleidung, das treue Hausmädchen Rosa, das immer da war, wenn Peter Kummer hatte, darf nicht mehr für eine jüdische Familie arbeiten, muss zurück aufs Land, es gibt Vertreibungen, Hunger, Kälte, Bomben, schließlich Deportationen.
Das Schlimmste bleibt Peters Familie erspart, auch wenn sie getrennt werden, lange in einer Geheimwohnung ausharren müssen, wo sie sich durch keinen einzigen Laut verraten dürfen, der Vater weg ist, um „eine geheime Arbeit“ zu erledigen. Aber die Nachbarn sind hilfsbereit, und die Familie erfährt keine Denunziation. Es gibt auch einen deutschen Soldaten, der die Waffe senkt, als die Mutter um Schonung bittet. Wenn gegen Kriegsende die russischen Soldaten schließlich immer weiter vorrücken, muss man Tage im eiskalten Keller hocken, ungewiss, ob die Soldaten sie retten oder umbringen werden.
Helen Bate erzählt von großem Schrecken und Terror in Peters Perspektive – der Blick eines Naiven, und der Peripherie her. Von sanfter, spielerischer Naivität sind auch Bates Comic-Zeichnungen. Es gibt anfangs eine Karte der Stadt Budapest, mit allen Schauplätzen – „unser Haus, das Judenhaus, die geheime Wohnung über dem Büro …“ –, die ist wie der Spielplan für ein bewegendes Gesellschaftsspiel. Wenn die Kämpfe vorbei sind und Krieg und Terror ein Ende haben, gehen Peter und die Mutter zur alten Wohnung zurück, die Gebäude sind zerbombt und eingestürzt, aber ganz oben über ihnen hängt eine müde gelbe Sonne.
Es sind Bilder, die in sich ruhen, fast idyllisch, passend zu einer Geschichte von Sich-Verstecken, Flucht, Abwarten, wenig nur von Gemeinheit und Gewalt. Nach dem Krieg findet Peter unter einem Busch eine Sammlung Zinnsoldaten, blau und golden – ein anderer Junge hat sie da vergraben. Daniel, er gehört zu den Kindern, die nicht zurückkommen werden.
FRITZ GÖTTLER
Helen Bate: Peter in Gefahr. Mut und Hoffnung im Zweiten Weltkrieg. Aus dem Englischen von Mirjam Pressler. Moritz Verlag, Frankfurt a. M. 2019. 46 Seiten, 12 Euro.
Illustration aus Helen Bate: „Peter in Gefahr“.
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Ein jüdischer Junge erlebt den Zweiten Weltkrieg
Es ist ein schlimmer Tag im Leben des jungen Peter: „Mein Malbuch war voll und ich hatte alle Stifte verloren.“ Die Mutter hatte seine Zehen abgetastet und, weil die erfroren sind, die Füße in ihre Strickjacke gewickelt. „Mir ist langweilig“, stöhnt Peter.
Malbuch und Stifte haben ihn viele Tage lang beschäftigt, sie waren alles, was er mitnehmen durfte, als die Familie ihre Wohnung verlassen und in ein Judenhaus umziehen musste. Die Familie lebt in Budapest, und als der Zweite Weltkrieg ausbricht, steht Ungarn auf der Seite des Deutschen Reichs, die Juden der Stadt müssen all das erleiden, was die Juden in Deutschland schon lange mitmachen – die gelben Sterne auf der Kleidung, das treue Hausmädchen Rosa, das immer da war, wenn Peter Kummer hatte, darf nicht mehr für eine jüdische Familie arbeiten, muss zurück aufs Land, es gibt Vertreibungen, Hunger, Kälte, Bomben, schließlich Deportationen.
Das Schlimmste bleibt Peters Familie erspart, auch wenn sie getrennt werden, lange in einer Geheimwohnung ausharren müssen, wo sie sich durch keinen einzigen Laut verraten dürfen, der Vater weg ist, um „eine geheime Arbeit“ zu erledigen. Aber die Nachbarn sind hilfsbereit, und die Familie erfährt keine Denunziation. Es gibt auch einen deutschen Soldaten, der die Waffe senkt, als die Mutter um Schonung bittet. Wenn gegen Kriegsende die russischen Soldaten schließlich immer weiter vorrücken, muss man Tage im eiskalten Keller hocken, ungewiss, ob die Soldaten sie retten oder umbringen werden.
Helen Bate erzählt von großem Schrecken und Terror in Peters Perspektive – der Blick eines Naiven, und der Peripherie her. Von sanfter, spielerischer Naivität sind auch Bates Comic-Zeichnungen. Es gibt anfangs eine Karte der Stadt Budapest, mit allen Schauplätzen – „unser Haus, das Judenhaus, die geheime Wohnung über dem Büro …“ –, die ist wie der Spielplan für ein bewegendes Gesellschaftsspiel. Wenn die Kämpfe vorbei sind und Krieg und Terror ein Ende haben, gehen Peter und die Mutter zur alten Wohnung zurück, die Gebäude sind zerbombt und eingestürzt, aber ganz oben über ihnen hängt eine müde gelbe Sonne.
Es sind Bilder, die in sich ruhen, fast idyllisch, passend zu einer Geschichte von Sich-Verstecken, Flucht, Abwarten, wenig nur von Gemeinheit und Gewalt. Nach dem Krieg findet Peter unter einem Busch eine Sammlung Zinnsoldaten, blau und golden – ein anderer Junge hat sie da vergraben. Daniel, er gehört zu den Kindern, die nicht zurückkommen werden.
FRITZ GÖTTLER
Helen Bate: Peter in Gefahr. Mut und Hoffnung im Zweiten Weltkrieg. Aus dem Englischen von Mirjam Pressler. Moritz Verlag, Frankfurt a. M. 2019. 46 Seiten, 12 Euro.
Illustration aus Helen Bate: „Peter in Gefahr“.
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