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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 1037 Bewertungen
Bewertung vom 21.10.2025
Nöstlinger, Christine

Anna und die Wut


ausgezeichnet

Die kleine Anna wird sehr schnell, außerordentlich wütend. So wütend, dass die anderen Kinder nicht mit ihr spielen wollen, so wütend, dass sie die Wut manchmal an anderen auslässt, die gar nichts zu ihrer Wut beigetragen haben.
Nachdem nichts gegen Annas Wutausbrüche hilft, außer dass sie versucht, ihre Gefühle komplett zu unterdrücken, indem sie vor sich hin starrend in ihrem Zimmer sitzt, kommt ihr Opa mit einer Idee daher.

'Der brachte für Anna eine Trommel und zwei Schlägel mit. Er sagte:
"Anna, mit der Trommel kannst du die Wut verjagen!" ' (S.25)

Tatsächlich schafft Anna es mit der Idee ihres Opas, ihre Wut in kreative Bahnen zu lenken.

"Anna und die Wut" ist ein Buch über ein kleines Mädchen mit großen Gefühlen.
Häufig sind große Gefühle in unserer Gesellschaft nicht gerne gesehen und werden mit negativen Eigenschaften wie beispielsweise Schwäche assoziiert.
In Annas Geschichte sind einige Erwachsene involviert, die ihr nicht helfen konnten oder wollten, bis ihr Großvater kommt, der Anna ihre Gefühle zugestanden und ein Ventil für sie gefunden hat.
Gefühle, und diese zeigen zu können, ist stark! Dass Gefühle oftmals nicht unkontrolliert nach außen gelassen werden können, ist durchaus klar: So bekommt in der Geschichte unter anderem die Katze einen weggeworfenen Baustein an ihren Kopf. Dennoch ist es keine Lösung, Gefühlen aus dem Weg zu gehen oder zu versuchen, sie permanent zu unterdrücken.

Man merkt dem Titel gar nicht an, dass er bereits über zwanzig Jahre auf dem Buckel hat. Das Thema ist immer noch aktuell und Anke Kuhls Illustrationen sind frisch und frech.
Fast bis zum Ende kommen die Illustrationen mit den Farben Blau und Rot aus, wobei Rot Annas Wut symbolisiert und alles andere in Blautönen daherkommt. Erst gegen Ende, als Anna ihre Wut mit der Trommel in den Griff bekommt und für ihr Trommeln ehrliches Lob erntet, erstrahlen die Illustrationen im vollen Farbspektrum.
Anke Kuhls Stil in diesem Buch ist eine Mischung aus Bilderbuch und Comic. Sie schafft es, Annas Gefühle sehr stark und klar mit ihren Bildern zu vermitteln. Neben der ganzen "roten" Wut, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Die Mimik der Figuren ist manchmal so auf die Spitze getrieben, dass man sich das Lachen kaum verkneifen kann.

Ein immer noch aktueller Klassiker von Christine Nöstlinger, der durch Anke Kuhls Illustrationen eine Frischzellenkur erfahren hat.
Das Buch eignet sich sehr gut, um mit Kindern über Gefühle zu sprechen, aber auch, um sich als Erwachsener zu reflektieren und zu hinterfragen, wie man mit starken Gefühlen (bei anderen) am besten umgeht.

Bewertung vom 21.10.2025
Weichmann, Helge

Schandweihe


sehr gut

Auf das siebte Abenteuer von Tinne und Elvis musste die Leserschaft sehr lange warten, machte doch die Coronapandemie einen Strich durch die geplante Veröffentlichung vor fünf Jahren.
Jahr für Jahr wurde die Veröffentlichung verschoben und ich bangte nicht nur einmal um die Fortsetzung und den möglichen Abschluss der Reihe.
Nun hat das Warten endlich ein Ende und Helge Weichmann schickt sein ungleiches Gespann zum siebten Mal auf ein mysteriöses Abenteuer in Rheinhessen.

Wo sich die letzten Fälle auch an anderen Orten in Rheinhessen oder gar im Rheingau abspielten, bleibt die Handlung von „Schandweihe“ nahezu komplett vor Ort in Mainz, wo die beiden Protagonisten heimisch sind.
Elvis wohnt mit Hund Riesling noch immer in der Innenstadt, so wie Tinne weiterhin mit zwei Kumpeln in ihrer Kommune in Bretzenheim, auch wenn ihre Hochzeit mit Polizeikommissar Laurent kurz bevor steht.
Neben all dem Miterleben des Alltags der liebgewonnenen Helden und der Auflösung, was bei ihnen seit Ausbruch der Coronapandemie geschehen ist, ist man natürlich in erster Linie gespannt, was es mit den Geheimnissen rund um den Mainzer Dom und der „Schandweihe“ auf sich hat…

Wie immer habe ich die Zeit Seite an Seite mit Tinne und Elvis und ihren Freunden genossen. Helge Weichmann weiß gekonnt die fünfjährige Lücke zum letzten Abenteuer zu füllen und zu schließen.
In Summe war dieses Abenteuer, was den Fall und die Rätsel betrifft, für mich jedoch leider das schwächste in der Reihe von Tinnes und Elvis‘ Abenteuern, auch wenn mich die Schilderungen vor Ort in Mainz in den Straßen rund um die bekannten Sehenswürdigkeiten begeistert haben.
Der Autor bringt neue witzige Kniffe in die Geschichte hinein, die meinen persönlichen Geschmack nur bedingt angesprochen haben. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass diese stilistischen Mittel nicht nur einen besonderen Humor einbringen, sondern zugleich den Abschied des ungleichen Ermittlerduos einläuten sollen. Zumindest aus meiner Perspektive kann ich sagen, ich habe mich am Ende des Buches so gefühlt, dass alle privaten Fäden stimmig zusammengelaufen sind und sich das Personal der Schand-Reihe in Zukunft anderen Dingen widmen kann, die dann hinter verschlossenen Buchdeckeln gegenüber ihrer Leserschaft stattfinden ;)

Helge Weichmann liefert wiederholt lehrreiche (Stadt-)Geschichte ab, die nebenbei Spaß macht und zum Knobeln einlädt. Empfehlenswert für alle Mainzliebhaber und Freunde von humoristisch und historisch angehauchten Kriminalabenteuern!
Begleitet Tinne und Elvis im Buch zum Fastnachtsbrunnen, zum Dom, zur Johanniskirche und anderen Sehenswürdigkeiten, und wenn sich die Gelegenheit einmal bieten sollte, dann besucht das schöne Mainz und schaut euch die Schauplätze aus der Geschichte im Original an.

Bewertung vom 21.10.2025
Anderson, Jodi Lynn

Thirteen Witches - Der Palast der Träume


ausgezeichnet

Mit „Palast der Träume“ findet die Hexenjäger Trilogie um Rosie Oaks und ihre Freunde und Familie ihren Abschluss.
Nachdem der erste Teil in Rosies Zuhause spielte und der zweite Teil die Leser*innen mit auf Zeitreisen nahm, wartet der dritte und letzte Band mit einer Reise ins Weltall und auf einen unbekannten Planeten auf.
Die Fantasie und der Einfallsreichtum der Autorin Jodi Lynn Anderson beeindruckt und überrascht nach den ersten beiden Büchern erneut.

Wenn auch die ersten beiden Teile was Gruselfaktor und Zwischenmenschliches für Kinderbücher bereits recht erwachsen wirkten, legt die Autorin hier noch eine Schippe drauf.
Aus dem schüchternen und ängstlichen Mädchen Rosie wird langsam eine mutige junge Erwachsene, die immer mehr über sich hinauswächst und darüber hinaus in dieser Geschichte ihre erste Liebe erlebt.

Leser*innen treffen hier auf bekannte Charaktere der beiden Vorgängerbände, aber auch einige neue, die frische Impulse und Entwicklungen mit sich bringen.
Interessanter und fesselnder fand ich jedoch tatsächlich die bereits bekannten Charaktere, gerade in Hinblick auf die Verbindungen zu Rosie oder der Einschätzung, welche Ziele die verfolgen. So war bei der ein oder anderen Figur beispielsweise nicht klar, ob sie an der Seite von Rosie und gegen sie kämpft.

Die ersten beiden Abenteuer von Rosie Oaks mochte ich noch etwas lieber als diesen Abschlussband. Hier gab es die eine oder andere Episode, die mich nicht ganz so stark fesseln konnte, wie es die ersten beiden Bücher durchgängig vermochten.

„Thirteen Witches“ ist eine sehr gelungene Kinderbuchtrilogie mit frischen und innovativen Ideen, die Leser’innen weit über die Altersempfehlung hinaus zu fesseln und zu beeindrucken vermag.
Auch wenn der Abschlussband für mich etwas hinter den beiden Vorgängerbüchern zurückbleibt, so bin ich dennoch sehr begeistert von der Reihe und würde mich freuen, irgendwann weitere abenteuerliche Geschichten aus der Feder Jodi Lynn Andersons zu lesen.

Bewertung vom 21.10.2025
Anderson, Jodi Lynn

Thirteen Witches - Das Meer der Ewigkeit


ausgezeichnet

In „Das Meer der Ewigkeit“ erzählt die Autorin Jodi Lynn Anderson die Geschichte der Hexenjägerin Rosie Oaks weiter, die in „Die Erinnerungsdiebin“ ihren Anfang nahm.

Wenn auch die Geschichte schlüssig zum Ende des ersten Buches weiterführt wird, so erfindet sich die Autorin darüber hinaus neu.
Dem Mittelteil der Trilogie gibt sie Impulse und Ideen mit auf dem Weg, die man nicht aus dem Vorgängerband kannte und mit denen ich absolut nicht gerechnet hätte.

Man trifft auf bekannte Charaktere aus der vorhergehenden Geschichte, wie Rosie und ihre Freundin Keim, lernt aber auch viele neue Personen und Wesen kennen, wie beispielsweise den Wal „Mampfi“. In dessen Bauch gehen die beiden Freundinnen im Meer der Ewigkeit auf eine Zeitreise, um weitere Hexen zu jagen und Rosies entführten Bruder Wolf zu retten.
Wenngleich der Beginn der Geschichte noch recht beschaulich im Bauch des Wals vonstattengeht, so zieht das Erzähltempo spätestens mit den nächsten Hexenjagden scharf an. Wie aus der Vorgängergeschichte bekannt, ist der Gruselfaktor dabei sehr hoch!

Neben Rosie liegt mir vor allem ihre Freundin Keim sehr am Herzen. Sie ist eine sehr starke Persönlichkeit, empathisch, einfühlsam und vom Guten überzeugt, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Der Erfolg Rosies ist meiner Meinung nach größtenteils auf den Grundfesten ihrer Freundschaft zu Keim gebaut.
Im Buch gibt es Szenen, bei denen die Bindung zwischen den beiden stärker scheint, als die Blutbande zwischen Rosie und ihren Familienmitgliedern.

Zum Glück habe ich nach dem Ende dieses Abenteuers den Abschlussband der Thirteen Witches Trilogie bereits parat liegen.
Das Ende dieser Geschichte ist zugleich der Auftakt für ein noch größeres Abenteuer für Rosie, Keim und ihre Gefährten. Ich glaube, dieses wird noch weitaus größere Gefahren als die Zeitreisen im Meer der Ewigkeit bereithalten.

Bewertung vom 21.10.2025

Die Straßenkatzen von Manila


ausgezeichnet

Mit „Die Straßenkatzen von Manila“ vermittelt der Künstler Archie Oclos ein Bild der philippinischen Gesellschaft aus der Sicht von Katzen. Dies geschieht fast ausschließlich durch Illustrationen.
Das Buch besteht aus sechs Kapiteln, wobei jedes so aufgebaut ist, dass ein formatfüllendes Bild von lediglich drei Wörtern begleitet wird.

In den ersten fünf Geschichten lernt der Betrachter jeweils eine Katze kennen – in einer Geschichte zwei -, bevor alle Katzen, die im Buch vorstellig werden, im letzten Kapitel aufeinandertreffen. Die Lebensrealitäten der Katzen sind so unterschiedlich, wie das der philippinischen Bevölkerung. Im Anschluss an die Katzengeschichten, geht der Künstler in einem Nachwort detailliert auf die einzelnen Kapitel und deren Bildsprache ein. Dadurch wird der Leserschaft der metaphorisierte Inhalt im Hinblick auf die philippinische Gesellschaft klarer. Denn selbst beim sehr genauen und verweilenden Anschauen des Buches, wird man sicherlich nicht alles „zwischen den Zeilen“ entziffern können. Dafür wird fast der Gesamtheit der Leserschaft Hintergrundwissen zu Land und Leuten fehlen. Umso mehr weiß ich dieses Nachwort zu schätzen, dass den ohnehin großartigen und besonderen Blick auf die Philippinen auf ein noch höheres Level hebt.

Mit „Die Straßenkatzen von Manila“ ist dem Künstler Archie Oclos ein besonderes Werk zu seinem Heimatland gelungen, welches ich nicht nur Liebhabern der Philippinen oder Katzenfreunden ans Herz legen möchte.
Wer Interesse an Kulturen und Ländern besitzt, und sich den Philippinen aus einem ganz speziellen Blickwinkel aus nähern möchte, der sollte sich dieses Werk ansehen.
Mich haben sowohl Archie Oclos‘ Illustrationen als auch die Begleittexte im Nachwort sehr beeindruckt und berührt.

Bewertung vom 13.08.2025
Priest

Guardian 1. Seelenwächter / Zhen Hun Bd.1


gut

„Seelenwächter“ ist der Auftaktband der Guardian-Trilogie, die eine übernatürliche Mordserie behandelt.

Die Trilogie wird dem Genre Danmei zugeordnet. Bei Danmei handelt es sich um ein Genre der chinesischen Literatur und anderer Medien, das sich auf romantische Beziehungen zwischen männlichen Charakteren konzentriert, ähnlich dem japanischen Boys‘ Love.
Im ersten Band ist die aufkeimende Beziehung zwischen den Protagonisten Zhao Yunlan, einem jungen Ermittler des Ministeriums für öffentliche Sicherheit, die sich mit dem Übernatürlichen befasst, und dem zurückhaltenden Professor Shen Wei, jedoch noch recht verhalten.
Bei der Beschreibung des Titels hat mich vor allem der Nebencharakter der sprechenden Katze angesprochen. Zudem hat mich die Gestaltung der limitierten Ausgabe fasziniert, sodass ich mich mit diesem Buch zum ersten Mal an dieses Genre gewagt habe.

Setting und Handlung sind interessant und vermitteln unter anderem die chinesische Kultur. Spezielle Begriffe werden entweder in Fußnoten oder im anhängenden Glossar erklärt. Dennoch hatte ich Schwierigkeiten in einen Lesefluss zu finden, da ich keinen richtigen Zugang zu den Figuren gefunden und so immer mal wieder nachgeschaut habe, wer wer ist. Hilfreich wäre hier eine Erweiterung des Anhangs um ein Personenregister gewesen.
Insgesamt habe ich die Charakterausarbeitung als etwas zu schwach empfunden und hätte mir mehr Tiefe und Nahbarkeit gewünscht.

Wahrscheinlich werde ich dennoch zum Folgeband greifen, da der Leser mit einem Cliffhanger entlassen wird und mir die Handlung in Summe durchaus zugesagt hat.
Ich hoffe, ab dem zweiten Band wird die Spannung weiter anziehen und so möglicherweise ein flüssigeres Leseerlebnis garantieren.

Bewertung vom 20.05.2025
Virr, Paul

Roboter und KI


sehr gut

„Roboter und KI“ ist ein buntes Buch für Entdecker*innen, welches nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Mitmachen einlädt. Neben allerhand Wissenswertem enthält das Buch Bastelvorschläge und Rätsel.
Das Buch ist weniger zum Vorlesen, sondern vielmehr zum Erkunden konzipiert, da die Seiten sehr individuell, bunt und kreuz und quer illustriert sind. Man kann sich gut mit einzelnen Kapiteln beschäftigen, das Buch ist nicht so aufgebaut, dass man es am Stück lesen muss.

Neben Errungenschaften und Fortschritten in der Robotertechnik und Entwicklung der KI, erwähnt das Buch auch die Gefahren und Nachteile, die beides mit sich bringen kann. An dieser Stelle hätte ich mir noch mehr Kritik gewünscht, insbesondere was das Training der KI mit menschengemachten Daten angeht, die oftmals ungefragt und ohne Erlaubnis einbezogen werden.
Ansonsten bietet das Buch vielfältige und interessante Einblicke in das Thema Roboter und KI und vermittelt viel Wissen zu diesen Themen.

Die Vorsatzseiten sind passend zum Thema mit Zahnrädern illustriert. Auch alle anderen Illustrationen passen perfekt zur Thematik und sind modern. Die Begleittexte lassen sich gut lesen, obwohl ein Typo ähnlich einer Handschrift ausgewählt wurde.

Bewertung vom 20.05.2025
Brendt, Andreas

Wild Ride


sehr gut

Vor fast dreißig Jahren packte Andreas Brendt das Fernweh und er entdeckte mit Surfen seine große Passion.
Mit „Wild Ride“ hat er sein inzwischen viertes Buch veröffentlicht.

Das Surfen spielt darin genau wie in seinem Leben weiterhin eine große Rolle, aber bei weitem nicht die alleinige. Genau wie in seinem beruflichen Werdegang. Auch hier kommt er am Surfen nicht vorbei, ist oder war aber auch als Lehrer tätig, sowie als Meditationslehrer und Traumatherapeut.
So beinhaltet das Buch neben Reiseberichten auch Erfahrungen und Erkenntnisse, die er im Laufe seiner zahlreichen Reisen gesammelt hat. Einiges geht in die esoterische Richtung, wirkt jedoch nicht aufgesetzt oder zu viel, es spiegelt einfach Andreas Brendts Wesen und seine Interessen wider, könnte jedoch beim Lesen nicht jedem zusagen, der gezielt nach abenteuerlichen Reiseberichten als Lektüre sucht.

Das Buch ist zudem gespickt mit zahlreichen Sprüngen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, mit Erinnerungen an zeitlich länger und kürzer zurückliegende Reisen.
Ich habe sämtliche Kapitel gerne gelesen, auch wenn die Reiseepisoden auf größeres Interesse meinerseits gestoßen sind, hatte aber gelegentlich Schwierigkeiten mit Zeitsprüngen innerhalb eines Kapitels. Diese haben mich durchaus auch mal aus dem Lesefluss geworfen.

In der Mitte des Buches finden sich einige Seiten mit farbigen Fotos seiner Reisen, diese machen seine Schilderungen noch anschaulicher und nahbarer.
Aber auch ohne diese Bildzeugen ist es Andreas Brendt wieder einmal gelungen, Leser*innen direkt mit auf sein Surfbrett zu nehmen.
Seine Erzählungen sind authentisch und voller echter Gefühle. Man spürt hier den Menschen, der hinter den Geschichten steht.

Bewertung vom 20.05.2025
Allert, Judith

Knäckebrothelden


sehr gut

Samys Großvater ist gestorben. Jeder in der Familie trauert um ihn auf seine Weise. Der Umgang miteinander fällt auch deswegen schwer.
Oma ist still und in sich gekehrt, der Vater übertrieben fröhlich, die Mutter sehr umtriebig. Die jüngeren Zwillingsgeschwister nerven ohne Ende.

Die Rettung kommt in Gestalt eines Zettels daher mit Opas letztem Wunsch. Eine Reise ans Meer, ein Wunsch seiner Frau, den er ihr zu Lebzeiten nicht erfüllt hat.
Papa leiht sich den alten Bus eines Arbeitskollegen. Oma und Samy klauen auf der Trauerfeier einen Teil von Opas Asche. Nachdem die Familie, das Gepäck und Opas sterbliche Überreste in einer Knäckebrotdose an Bord sind, kann die Reise ans Meer beginnen!

Sehr schnell entpuppt sich der harmlose Ausflug als Road Trip voller Pleiten, Pech und Pannen. Der zurückgelassene Reiseproviant stellt trotz heulender Kinder gleich zu Beginn der Reise noch das geringste Problem dar.
Ob Samys Familie trotz aller Widrigkeiten letzten Endes das Meer erreicht?

Judith Allerts Buch lässt neben der individuellen Trauer um einen geliebten Menschen auch das Gespräch untereinander zu plus Lebensfreude und Spaß. Ihre Geschichte rund um Samys Familie zeigt auf, dass es in Ordnung ist unterschiedlich mit Verlust und Trauer umzugehen.

Was mir nicht so gut gefallen hat, dass der Großvater insgesamt als Held der Familie dargestellt wird, obwohl der Umgang mit seiner Frau bezüglich der versprochenen Reise ans Meer alles andere als heldenhaft war. Tatsächlich fand ich ihn hier sehr egoistisch, obwohl seine Hilfsbereitschaft gegenüber anderen als Argument herangezogen wird.
Sehr schön ist es wiederum, dass sich im Laufe der Geschichte Samy immer mehr als Held und Retter der Familie herauskristallisiert, auch wenn die Ereignisse auf dem Familientrip manchmal übertrieben haarsträubend und abenteuerlich sind.
Die Charaktere empfand ich stellenweise sehr anstrengend und überzogen. Wobei es angesichts eines Road Trips voller Pannen durchaus glaubwürdig ist, wenn Menschen derart agieren beziehungsweise erscheinen.
Insgesamt ist der Road Trip derart überbordend mit Begegnungen und Vorfällen ausgestattet, dass man das Ganze nicht allzu ernst, sondern mit einem Augenzwinkern nehmen sollte. Dafür spricht sich ja bereits der Urnenklau zu Beginn des Buches aus ;)

In Summe stellen die „Knäckebrothelden“ eine schöne und auch tröstliche Familiengeschichte über den Verlust eines geliebten Menschen dar, die aufzeigt, dass es nicht nur einen Umgang mit Trauer gibt.
Der Road Trip ist überspitzt skurril und abenteuerlich dargestellt. Er macht sehr viel Spaß und lässt einen durch die Seiten fliegen. Andererseits verliert man damit aber auch manchmal den Ausgangspunkt der Story aus den Augen und die Geschichte ist damit nicht vorrangig ein Buch über Verlust und Trauer.

Bewertung vom 20.05.2025
Seelenmeyer, Hans

Funky Chicken Blues


ausgezeichnet

Biobauer Manni Macksens Leben schreit Midlife Crises!

Seine Frau zeigt nach über 25 Jahren Ehe kaum noch Interesse an ihm. Sie macht lieber dem Lehrer ihres Yoga Kurses schöne Augen.
Seine Hühner, die er seinem Nachbarn, dem Betreiber einer Hühnerfarm, abgekauft und so vor dem Schlachter gerettet hat, legen keine Eier mehr.
In einem unbedachten Moment wünscht er sie in den Kochtopf, und diese impulsiv getätigte Aussage startet eine Serie blutiger Taten, da diese nicht ungehört bleibt. Denn im Gegensatz zu den Menschen verstehen Tiere Menschen sehr wohl. So beschließt die auf dem Bauernhof lebende Hühnerschar, angeführt durch Hahn Che, dem Bauern zuvorzukommen und ihn umzubringen. Es dauert auch nicht lange, bis eine Leiche auf dem Hof liegt, doch es ist nicht die von Bauer Macksen.

Man man man … :D
Ich habe durchaus einen humorvollen und schrägen Tierkrimi erwartet, wurde aber überrascht von den Splatter-Elementen dieser Geschichte. Zart besaitet sollte man für diese Lektüre wahrlich nicht sein. Bereits das erste Opfer der Hühnerschar stirbt einen sehr blutigen Tod. Autor Hans Seelenmeyer spart nicht an bildhaften und gruseligen Details. Dennoch kommt der Humor nicht zu kurz, auch wenn dieser tiefschwarz ist. Die Verkettung unglücklicher Umstände, warum dem ersten Toten weitere folgen und Bauer Manni Macksen dennoch weiter unter den Lebenden weilt, ist zu skurril und schräg.
Die Geschichte ist nicht im üblichen Sinne spannend, da man weder einen Täter ermitteln noch ein Tatmotiv aufdecken muss. Das Buch kann man dennoch kaum zur Seite legen, da man permanent der nächsten verrückten Situation entgegenfiebert.

Autor Hans Seelenmeyers Debüt ist bei weitem nicht nur schwarzhumorig und blutig, die Geschichte beinhaltet auch Kritik an Massentierhaltung und rupft den männlichen – sowohl tierischen als auch menschlichen Darstellern – sinnbildlich die Federn in ihrer patriarchalischen Vorgehensweise, zum einen die Hühner vor dem Kochtopf, sowie zum anderen die eigene Ehe zu retten.
Die Charaktere der Geschichte sind vielfältig und wissen alle zu überzeugen, sei es von tierischer oder menschlicher Seite, egal ob Hauptfigur oder Nebendarsteller.

„Funky Chicken Blues“ ist ein schwarzhumoriger und skurriler Tierroman, der mit seinen Slapstick- und Splatter-Elementen an die Parodie von Sicherheitslehrfilmen „Staplerfahrer Klaus“ erinnert, falls dieser Film einem ein Begriff ist.
Herrlich verrückt und durchgeknallt, aber auch sehr, sehr blutig!