Yishai Sarid
Broschiertes Buch
Siegerin
Versandkostenfrei!
Sofort lieferbar
Statt: 22,00 €**
**Preis der gebundenen Originalausgabe, Ausstattung einfacher als verglichene Ausgabe.
Weitere Ausgaben:
PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
**Preis der gebundenen Originalausgabe, Ausstattung einfacher als verglichene Ausgabe.
Wie lernt man zu töten, ohne daran zu zerbrechen? Als Psychologin berät Abigail seit Jahren erfolgreich das israelische Militär, wie es Soldaten besser auf Einsätze vorbereitet. Doch dann wird ihr einziger Sohn Schauli einberufen, und sie muss sich entscheiden: Was wiegt schwerer, das Wohl ihres Landes oder das ihres Kindes?
Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und an der Harvard University und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig und veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane Limassol, Alles andere als ein Kinderspiel und zuletzt Monster. Ruth Achlama, 1945 in Deutschland geboren, übersetzt hebräische Literatur ins Deutsche, darunter Werke von Amoz Oz, Abraham B. Jehoschua, Yoram Kaniuk und Meir Shalev. Für Kein & Aber hat sie mehrere Romane von Ayelet Gundar-Goshen und Yishai Sarid übersetzt. 2015 wurde sie mit dem Deutsch-Hebräischen Übersetzerpreis ausgezeichnet. Sie lebt in Tel Aviv.
Produktbeschreibung
- Verlag: Kein & Aber
- Originaltitel: Menatzachat
- Artikelnr. des Verlages: 290/06150
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 256
- Erscheinungstermin: 13. September 2022
- Deutsch
- Abmessung: 187mm x 113mm x 20mm
- Gewicht: 228g
- ISBN-13: 9783036961507
- ISBN-10: 303696150X
- Artikelnr.: 63953661
Herstellerkennzeichnung
Kein + Aber
Gutenbergstraße 1
82205 Gilching
vertrieb@keinundaber.ch
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Sandra Kegel erkennt, dass Yishai Sarids Bezugpunkt auch im neuen Roman der Holocaust ist. Die Geschichte um eine Psychologin, die israelischen Soldaten und Soldatinnen das Töten erleichtern soll, indem sie ihnen die Angst und die Zweifel nimmt, scheint Kegel bitter, die Protagonistin radikal in der Anlage. Faszinierend, wie der Autor nach den Kosten der aus der Erfahrung des Holocaust resultierenden Härte und des Einsatzes für die Freiheit und Sicherheit Israels fragt, findet Kegel, auch wenn die Widersprüche des Nahostkonflikts nicht thematisiert werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Das Handwerk des Tötens
Innen sweet, außen stachelig: Der israelische Autor Yishai Sarid erzählt in seinem neuen Roman "Siegerin" von der Zumutung, junge Menschen in den Krieg zu schicken.
Von Sandra Kegel
Das Werk des israelischen Schriftstellers Yishai Sarid ist umstellt von Monstern. Die Protagonistin seines neuen Romans "Siegerin" arbeitet mit israelischen Soldaten, denen sie die Psychologie des Tötens nahebringt: Wie sie im Gefecht überleben und andere töten können ohne seelische Folgeschäden, das ist ihr Thema. Sie gilt als die Beste auf diesem Terrain, und wenn sie mit ihren jungen Soldatinnen und Soldaten zum Beispiel "Taxi Driver" schaut, um am von Robert De Niro gespielten Travis Bickle die
Innen sweet, außen stachelig: Der israelische Autor Yishai Sarid erzählt in seinem neuen Roman "Siegerin" von der Zumutung, junge Menschen in den Krieg zu schicken.
Von Sandra Kegel
Das Werk des israelischen Schriftstellers Yishai Sarid ist umstellt von Monstern. Die Protagonistin seines neuen Romans "Siegerin" arbeitet mit israelischen Soldaten, denen sie die Psychologie des Tötens nahebringt: Wie sie im Gefecht überleben und andere töten können ohne seelische Folgeschäden, das ist ihr Thema. Sie gilt als die Beste auf diesem Terrain, und wenn sie mit ihren jungen Soldatinnen und Soldaten zum Beispiel "Taxi Driver" schaut, um am von Robert De Niro gespielten Travis Bickle die
Mehr anzeigen
Folgeschäden des Krieges zu studieren, bereitet ihr selbst das ein gewisses Vergnügen. Darüber zu reden, was der Krieg mit einem macht. Wie das Töten und auch das Wissen darum, selbst Ziel des Tötens zu sein, Narben auf der Seele hinterlässt, die sich zu Albträumen wandeln, zu chronischer Nervosität, zu Depression.
Dass die meisten Menschen vor dem Töten in Wahrheit zurückschreckten, außer den wenigen, die dazu geboren seien, auch das weiß die hochbegabte Ich-Erzählerin Abigail und hat natürlich ebenfalls hier ihre psychologischen Mittel parat, um die Zögerlichen anzufüttern. Eine junge Frau, die in der Vorbereitung zur Kampfpilotin an der Härte der Ausbildung zu zerbrechen droht, richtet sie mit diesen Mitteln entsprechend ab, so dass diese bald darauf zur gefürchteten Kampfpilotin aufsteigen kann, die keines ihrer Ziele verfehlt. Selbst als diese Pilotin bei einem Einsatz nicht nur den obersten Führer der gegnerischen Seite tötet, sondern auch dessen Kind, das sie aus ihrem Jagdflieger nicht gesehen hat, findet ihre Ausbilderin dafür nur entlastende Worte.
Dass sie sich zu den Monstern hingezogen fühle wegen deren Mordlust, gesteht diese Abigail einmal, als ihr ein Freund, heute Künstler, ehemals natural born killer, erzählt, dass er beim Jagen und Töten des Feindes ein geradezu "fantastisches Hochgefühl" verspüre. "Monster" hieß auch der vorige, vielbeachtete Roman des 1965 in Tel Aviv geborenen Yishai Sarid, der 2019 ebenfalls von der Übersetzerin Ruth Achmala in ein geschmeidiges Deutsch übertragen wurde. Erzählerisch interessant war daran, wie Sarid auf narrativer Ebene umsetzte, wovon seine Erzählung handelte: von der Erinnerung. Das Monster schilderte der Autor als ein vielköpfiges, denn es bezieht sich sowohl auf die Erinnerung an ein Menschheitsverbrechen, die jeden, der damit zu tun hat, beschädigt, wie auch auf das Erinnerte selbst, die Schoa.
Kein Zufall, dass derjenige den israelischen Schülern auf Besuch im Konzentrationslager in Auschwitz am anschaulichsten den Horror des Lagers beschreiben kann, der selbst niemals dort inhaftiert war. Während der tatsächliche Auschwitz-Häftling das nicht schafft. Er kann sich nicht erinnern, sondern bricht vor Ort zusammen. Der Roman "Monster" beschreibt nicht nur, wie das Erinnern in Rituale ausgelagert wird, wie es instrumentalisiert und umgedeutet wird, er führt das Erinnern auch als unheimliches Erinnerungstheater vor, in dem der Historiker zum "Händler der Erinnerung" wird, während die Jugendlichen aus Israel sich in Ausweichrituale flüchten, wenn sie sich im Konzentrationslager in blau-weiße Flaggen hüllen und die Nationalhymne singen.
Obwohl Auschwitz im Roman "Siegerin" nicht erwähnt wird, ist es zweifelsohne die Grunderfahrung, auf der auch diese Erzählung mit all ihren Ambivalenzen basiert. "Das ist die Essenz des Zionismus: Juden zu erziehen, die sich - anders als im Holocaust: selbst verteidigen können. Heute sind wir stark, keineswegs hilflos, aber unsere Psyche ist immer noch die des schwachen, geschlagenen Kindes, das all seine Kraft nutzen muss, um nicht erneut drangsaliert zu werden", hat Yishai Sarid dazu in einem Interview gesagt.
Deshalb lässt uns der Autor in seinem neuen Roman aufs Neue auf die Generation der Schüler von der Polen-Reise treffen, die jetzt ein, zwei Jahre älter sind, achtzehn Jahre alt, und als Soldatinnen und Soldaten zum Militär eingezogen werden. Niemand, außer orthodoxen und arabischen Israelis, kann sich dem entziehen, Frauen müssen zwei, Männer drei Jahre dienen. Und weil diese Rekruten so unheimlich jung sind und so unerfahren, weil sie mehr Zeit am Bildschirm verbracht hätten als auf der Straße, wie Abigail bedauernd resümiert, setzt das israelische Militär Psychologen wie sie ein zur Vorbereitung des Gefechts. Abigails Vater, Psychoanalytiker alter Schule, kann nicht verstehen, wie seine Tochter sich für das System des Krieges verwenden kann. Und Abigails Sohn, der sich freiwillig zur Armee gemeldet hat, bricht während eines traumatischen Einsatzes zusammen.
"Siegerin" ist ein bitterer Roman mit einer radikalen Hauptfigur, das macht sein Faszinosum aus. Während der Roman "Monster" die Frage verhandelte, wie man mit Erinnerung umgehen darf und wie Wissen und Erinnerung sich zueinander verhalten, fragt "Siegerin" nach den Kosten, die ein Land bereit ist, für Freiheit und Sicherheit zu bezahlen. Die Generation der Sabres, also der in Israel geborenen Juden, die von sich sagen, im Inneren lieblich, aber nach außen hin stachelig wie die gleichnamige Kaktusfeige zu sein, müssen sich zu dieser Gefährdung ihrer selbst und der Gegner verhalten. Die immanenten Widersprüche des israelisch-palästinensischen Konflikts, das Chaos der Auseinandersetzung, grauenhaft und moralisch komplex, sind nicht Thema des Romans.
Worum es Yishai Sarid in seinem Buch geht, ist, wie er selbst erläutert, die "israelische Tragödie". Dass dieses kleine Land ohne sichere Grenzen auf eine starke Armee nicht verzichten könne und dieses Land deshalb die Kinder, Söhne wie Töchter, "in gewisser Weise opfern" würde. Ob sich Abigails Sohn je davon erholen wird, lässt der Roman offen. Dass er als zartes Kind von seiner alleinerziehenden Mutter schon als Dreijähriger dazu gebracht wurde, sich im Kindergarten mit Fäusten zu wehren, hat ihn vor der späteren Katastrophe jedenfalls nicht bewahren können.
Abigail geht strategisch und kalkuliert vor, sei es als Kind im Umgang mit der eigenen Mutter oder später mit dem verheirateten Militär Rosolio, von dem sie ein Kind wollte und auch bekommen hat. Sie ist eine Figur aus der israelischen Gegenwartsproblematik, die sich zum namenlosen Vergangenheitsbearbeiter aus Sarids Vorgängerroman "Monster" ins Verhältnis setzt. Der titelgebenden "Siegerin" aber setzt der neue Roman auf erzählerischer Ebene die Opfer entgegen.
Yishai Sarid: "Siegerin". Roman.
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama.
Kein & Aber, Zürich 2021. 254 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dass die meisten Menschen vor dem Töten in Wahrheit zurückschreckten, außer den wenigen, die dazu geboren seien, auch das weiß die hochbegabte Ich-Erzählerin Abigail und hat natürlich ebenfalls hier ihre psychologischen Mittel parat, um die Zögerlichen anzufüttern. Eine junge Frau, die in der Vorbereitung zur Kampfpilotin an der Härte der Ausbildung zu zerbrechen droht, richtet sie mit diesen Mitteln entsprechend ab, so dass diese bald darauf zur gefürchteten Kampfpilotin aufsteigen kann, die keines ihrer Ziele verfehlt. Selbst als diese Pilotin bei einem Einsatz nicht nur den obersten Führer der gegnerischen Seite tötet, sondern auch dessen Kind, das sie aus ihrem Jagdflieger nicht gesehen hat, findet ihre Ausbilderin dafür nur entlastende Worte.
Dass sie sich zu den Monstern hingezogen fühle wegen deren Mordlust, gesteht diese Abigail einmal, als ihr ein Freund, heute Künstler, ehemals natural born killer, erzählt, dass er beim Jagen und Töten des Feindes ein geradezu "fantastisches Hochgefühl" verspüre. "Monster" hieß auch der vorige, vielbeachtete Roman des 1965 in Tel Aviv geborenen Yishai Sarid, der 2019 ebenfalls von der Übersetzerin Ruth Achmala in ein geschmeidiges Deutsch übertragen wurde. Erzählerisch interessant war daran, wie Sarid auf narrativer Ebene umsetzte, wovon seine Erzählung handelte: von der Erinnerung. Das Monster schilderte der Autor als ein vielköpfiges, denn es bezieht sich sowohl auf die Erinnerung an ein Menschheitsverbrechen, die jeden, der damit zu tun hat, beschädigt, wie auch auf das Erinnerte selbst, die Schoa.
Kein Zufall, dass derjenige den israelischen Schülern auf Besuch im Konzentrationslager in Auschwitz am anschaulichsten den Horror des Lagers beschreiben kann, der selbst niemals dort inhaftiert war. Während der tatsächliche Auschwitz-Häftling das nicht schafft. Er kann sich nicht erinnern, sondern bricht vor Ort zusammen. Der Roman "Monster" beschreibt nicht nur, wie das Erinnern in Rituale ausgelagert wird, wie es instrumentalisiert und umgedeutet wird, er führt das Erinnern auch als unheimliches Erinnerungstheater vor, in dem der Historiker zum "Händler der Erinnerung" wird, während die Jugendlichen aus Israel sich in Ausweichrituale flüchten, wenn sie sich im Konzentrationslager in blau-weiße Flaggen hüllen und die Nationalhymne singen.
Obwohl Auschwitz im Roman "Siegerin" nicht erwähnt wird, ist es zweifelsohne die Grunderfahrung, auf der auch diese Erzählung mit all ihren Ambivalenzen basiert. "Das ist die Essenz des Zionismus: Juden zu erziehen, die sich - anders als im Holocaust: selbst verteidigen können. Heute sind wir stark, keineswegs hilflos, aber unsere Psyche ist immer noch die des schwachen, geschlagenen Kindes, das all seine Kraft nutzen muss, um nicht erneut drangsaliert zu werden", hat Yishai Sarid dazu in einem Interview gesagt.
Deshalb lässt uns der Autor in seinem neuen Roman aufs Neue auf die Generation der Schüler von der Polen-Reise treffen, die jetzt ein, zwei Jahre älter sind, achtzehn Jahre alt, und als Soldatinnen und Soldaten zum Militär eingezogen werden. Niemand, außer orthodoxen und arabischen Israelis, kann sich dem entziehen, Frauen müssen zwei, Männer drei Jahre dienen. Und weil diese Rekruten so unheimlich jung sind und so unerfahren, weil sie mehr Zeit am Bildschirm verbracht hätten als auf der Straße, wie Abigail bedauernd resümiert, setzt das israelische Militär Psychologen wie sie ein zur Vorbereitung des Gefechts. Abigails Vater, Psychoanalytiker alter Schule, kann nicht verstehen, wie seine Tochter sich für das System des Krieges verwenden kann. Und Abigails Sohn, der sich freiwillig zur Armee gemeldet hat, bricht während eines traumatischen Einsatzes zusammen.
"Siegerin" ist ein bitterer Roman mit einer radikalen Hauptfigur, das macht sein Faszinosum aus. Während der Roman "Monster" die Frage verhandelte, wie man mit Erinnerung umgehen darf und wie Wissen und Erinnerung sich zueinander verhalten, fragt "Siegerin" nach den Kosten, die ein Land bereit ist, für Freiheit und Sicherheit zu bezahlen. Die Generation der Sabres, also der in Israel geborenen Juden, die von sich sagen, im Inneren lieblich, aber nach außen hin stachelig wie die gleichnamige Kaktusfeige zu sein, müssen sich zu dieser Gefährdung ihrer selbst und der Gegner verhalten. Die immanenten Widersprüche des israelisch-palästinensischen Konflikts, das Chaos der Auseinandersetzung, grauenhaft und moralisch komplex, sind nicht Thema des Romans.
Worum es Yishai Sarid in seinem Buch geht, ist, wie er selbst erläutert, die "israelische Tragödie". Dass dieses kleine Land ohne sichere Grenzen auf eine starke Armee nicht verzichten könne und dieses Land deshalb die Kinder, Söhne wie Töchter, "in gewisser Weise opfern" würde. Ob sich Abigails Sohn je davon erholen wird, lässt der Roman offen. Dass er als zartes Kind von seiner alleinerziehenden Mutter schon als Dreijähriger dazu gebracht wurde, sich im Kindergarten mit Fäusten zu wehren, hat ihn vor der späteren Katastrophe jedenfalls nicht bewahren können.
Abigail geht strategisch und kalkuliert vor, sei es als Kind im Umgang mit der eigenen Mutter oder später mit dem verheirateten Militär Rosolio, von dem sie ein Kind wollte und auch bekommen hat. Sie ist eine Figur aus der israelischen Gegenwartsproblematik, die sich zum namenlosen Vergangenheitsbearbeiter aus Sarids Vorgängerroman "Monster" ins Verhältnis setzt. Der titelgebenden "Siegerin" aber setzt der neue Roman auf erzählerischer Ebene die Opfer entgegen.
Yishai Sarid: "Siegerin". Roman.
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama.
Kein & Aber, Zürich 2021. 254 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
»Sarids Bücher sind unvergleichlich: soghaft, beunruhigend, kalt.« Hannah Lühmann, WELT am Sonntag, 05.12.2021 Die Welt am Sonntag 20211205
Gebundenes Buch
Siegerin- Welche Gefühle darf man beim Töten empfinden?
Die hochbegabte Abigail hat wie ihr Vater Psychologie studiert. Während er meint, Psychologie und Militär vertrügen sich nicht, berät sie das israelische Militär. Sie bereitet die Soldaten auf ihre …
Mehr
Siegerin- Welche Gefühle darf man beim Töten empfinden?
Die hochbegabte Abigail hat wie ihr Vater Psychologie studiert. Während er meint, Psychologie und Militär vertrügen sich nicht, berät sie das israelische Militär. Sie bereitet die Soldaten auf ihre Kampfeinsätze vor oder therapiert diese nach traumatisierenden Erlebnissen.
Abigails Sohn leistet als Fallschirmjäger in einer Eliteeinheit seinen Wehrdienst und gerät psychisch an seine Grenzen. Abigail schwankt zwischen ihren Gefühlen als Mutter, die unbedingt ihr Kind beschützen möchte und der bedeutenden Militärpsychologin, die eine wichtige Rolle bei der Landesverteidigung wahrnimmt.
Das Buch thematisiert die psychologische Kriegsführung auf israelischer und palästinensischer Seite, die durch direkte Ansprache ihre Anhänger zu Provokationen am israelisch-palästinensischen Grenzzaun anstiftet.
Im Buch wird der Unterschied zwischen Töten und Morden thematisiert. Abigail erlebt spät im Roman das lustvollen Gefühl des Tötens, als ein junger Scharfschütze, der ihr Liebhaber wird, sie bei einem Einsatz daran teilhaben lässt.
Ist Abigail eine Siegerin, weil sie das Töten nur von der lustvollen Seite her erfährt und sie nicht die Traumata ihrer Patienten erlebt? Sie wirkt abgeklärt und distanziert, beherrscht scheinbar jede Situation. Ausgerechnet zu ihrem Vater und ihrem Sohn kann sie jedoch keine wirkliche Nähe herstellen.
Sarid beschreibt sehr einfühlsam starke Protagonistinnen, die gefühlsmäßig an ihre Grenzen geraten können. Im Wettstreit der Psychologie mit dem Militär obsiegt Erstere.
Weniger
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Gebundenes Buch
Schon als kleines Mädchen war Abigail nicht nur zielstrebig, sondern intellektuell ihren Altersgenossen weit voraus. Als Tochter eines der renommiertesten Psychologen des Landes, zu dem sie stets bewundern aufgeschaut hat, führt ihr Weg sie unweigerlich in dieselbe Richtung. Anders jedoch …
Mehr
Schon als kleines Mädchen war Abigail nicht nur zielstrebig, sondern intellektuell ihren Altersgenossen weit voraus. Als Tochter eines der renommiertesten Psychologen des Landes, zu dem sie stets bewundern aufgeschaut hat, führt ihr Weg sie unweigerlich in dieselbe Richtung. Anders jedoch als der Vater, der geplagte Seelen therapiert, findet Abigail ihre berufliche Heimat bei der israelischen Armee und berät dort die Befehlshaber, wie sie ihre Untergebenen am besten motivieren können, wie sie erkennen, wer den Biss hat, alles für sein Land zu geben, und wer mental stark genug ist, die anspruchsvollsten Aufgaben im Nahkampf zu erfüllen. Ihr Vater hat für diese militärische Nutzung seiner Profession nur Verachtung übrig, doch Abigail geht ganz in ihrer Arbeit auf. Bis ihr Sohn Schauli einberufen wird und sie plötzlich die Armee auch aus dem Blick einer Mutter betrachten muss.
Wie immer in Yishai Sarids Romanen herrscht eine thematische Vielschichtigkeit und Multiperspektivität, die zeigt, dass es in der Realität, in der wir leben und die der Autor literarisch einfängt, keine einfachen Lösungen für komplexe Fragen gibt. Bewusst führt er seine Figuren in den emotionalen Ausnahmezustand, der es ihnen kaum mehr erlaubt, einen klaren Kopf zu behalten und die gut zurechtgelegten Argumentationsstrategien anzuwenden, die kurz zuvor noch funktionierten. Ähnlich wie auch in „Limassol“ stehen wieder die Armee und ihr Verteidigungsauftrag im Zentrum der Handlung, eine Institution, die schon historisch bedingt und tief im Bewusstsein der Bewohner verwurzelt – durch den obligatorischen Wehrdienst für alle zudem für jeden persönlich erfahrbar – eine besondere Stellung im Land innehat und per se nicht infrage gestellt werden darf, auch wenn dies aus rein menschlicher Sicht mehr als gerechtfertigt wäre.
Eines der großen Themen des Romans ist das Verhältnis der Generationen. Der Vater als überhöhte Figur, die bewundert wird und der sich das Familienleben unterordnet, vor allem auch Abigails Mutter, die scheinbar ein bedeutungsloses Dasein führt. Zu spät erkennt Abigail, dass sie deren Lebenskonzept grundlegend nicht verstanden und ihr tiefes Unrecht getan hat. Für ihren Sohn entscheidet sie sich ebenfalls für einen starken Vater, der jedoch fern und geheim bleiben muss, als Ergebnis einer Affäre wächst Schauli ohne männliches Vorbild auf; die Mutter mit ihrer Nähe zu den Kampfeinheiten und zahlreichen Einsätzen auch an der Front, liefert ihm jedoch ein klares Bild davon, wie ein israelischer Soldat zu sein hat. Nur dass Schauli das nicht ist. Er ist zu jung, um dies zu erkennen, die Mutter mit zu verstelltem Blick, um ihn retten zu können. Projektionen und hohe Erwartungen prägen die Entscheidungen, die die Kinder treffen – die schlechtesten aller Motivationen.
Nicht wenige Leser werden mit der Geschichte hadern, bietet sie statt Handlung über weite Strecken Exkurse in die komplexen psychologischen Auswirkungen des Kampfeinsatzes. Dies ist Abigails Thema, ihr ganzes berufliches Dasein dreht sich um gezieltes Töten und den Umgang damit, getötet zu haben. Dies ist erforderlich, um ihre Faszination nachvollziehen zu können und auch um die Nebenfiguren besser einordnen zu können. Keine Materie, der ich üblicherweise viel Interesse entgegenbringe, die jedoch in dem Roman-Setting und vor dem Hintergrund von Israels real gegebener Bedrohungslage, durchaus einen Blick wert ist und ungeahnte Sichtweisen ermöglicht.
So wird auch das unlösbare Dilemma aufgebaut, mit dem sich Abigail schließlich konfrontiert sieht: die Expertin mit der klaren Vorstellung davon, wie man mit jungen Männern und Frauen sprechen muss, um diese von der Sinnhaftigkeit ihres Tuns in der Armee zu überzeugen, soll selbiges bei ihrem eigenen Sohn tun. Doch die Gewissheit, dass er dabei Sterben kann und womöglich das, was er erlebt, nicht so erfolgreich verarbeitet wie erforderlich, lassen plötzlich ungeahnte Zweifel wachsen.
Weniger
Antworten 1 von 4 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 1 von 4 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für