Lena Gorelik
Gebundenes Buch
Die Listensammlerin
Roman Von der Preisträgerin des Heinrich-Mann-Preises für Essayistik
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Oft weiß Sofia nicht aus noch ein: An das Dasein als Mutter hat sie sich noch nicht gewöhnt, ihre kleine Tochter wird bald am Herzen operiert, Sofias eigene Mutter ist mehr Last als Hilfe, und die alte Großmutter dämmert dement vor sich hin. Nur ihre Leidenschaft, Listen anzulegen - Listen der peinlichen Kosenamen, der witzigen Neurosen, netten Ärzte etc. -, bringt ein wenig Ordnung in Sofias Leben. Da macht sie in der großmütterlichen Wohnung eine Entdeckung: eine andere Listensammlung, in vergilbte Hefte notiert, in kyrillischer Schrift - die Familie hat in den Siebzigern die Sowjetun...
Oft weiß Sofia nicht aus noch ein: An das Dasein als Mutter hat sie sich noch nicht gewöhnt, ihre kleine Tochter wird bald am Herzen operiert, Sofias eigene Mutter ist mehr Last als Hilfe, und die alte Großmutter dämmert dement vor sich hin. Nur ihre Leidenschaft, Listen anzulegen - Listen der peinlichen Kosenamen, der witzigen Neurosen, netten Ärzte etc. -, bringt ein wenig Ordnung in Sofias Leben. Da macht sie in der großmütterlichen Wohnung eine Entdeckung: eine andere Listensammlung, in vergilbte Hefte notiert, in kyrillischer Schrift - die Familie hat in den Siebzigern die Sowjetunion verlassen. Über diesen Fund stößt Sofia auf einen geheimnisvollen Onkel, über den nie jemand sprach: Onkel Grischa, ein Querkopf und schräger Vogel, der sich im Untergrund betätigt hat, der alle in Gefahr brachte und den trotzdem alle liebten. Anhand der Listen spürt Sofia Grischas dunkler Geschichte nach und entdeckt, was die Vergangenheit für das Jetzt und für sie bedeuten kann... "Die Listensammlerin" erzählt mitreißend und mit wunderbar originellen Figuren die Geschichten von Grischa und Sofia. Ein oft komischer, warmer und lebensnaher Familienroman, der gar nicht so einfache Fragen stellt: was Familie, Nähe und Fremdsein bedeuten - und wer man selber ist.
Lena Gorelik, 1981 in St. Petersburg geboren, kam 1992 mit ihren Eltern nach Deutschland. Ihr Roman «Hochzeit in Jerusalem» (2007) war für den Deutschen Buchpreis nominiert, der vielgelobte Roman «Mehr Schwarz als Lila» (2017) für den Deutschen Jugendbuchpreis. Regelmäßig schreibt Lena Gorelik Beiträge zu gesellschaftlichen Themen, u.a. für die «Süddeutsche Zeitung» oder «Die Zeit». Sie lebt in München.
Produktbeschreibung
- Verlag: Rowohlt, Berlin
- Artikelnr. des Verlages: 19135
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 352
- Erscheinungstermin: 6. September 2013
- Deutsch
- Abmessung: 209mm x 135mm x 28mm
- Gewicht: 448g
- ISBN-13: 9783871346064
- ISBN-10: 3871346063
- Artikelnr.: 38175350
Herstellerkennzeichnung
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Überleben mit Listen
Lena Gorelik macht mit einer Familie Ernst
Die Neuauflage des Lexikons der deutsch-jüdischen Literatur verzeichnet einen Artikel zu "Gorelik, Lena, geb. 1. 2. 1981 in Leningrad (Sankt Petersburg)" und lässt den Leser wissen, das Schreiben dieser jungen Autorin kreise um die Frage der Normalität jüdischen Lebens in Deutschland nach der Schoa. Und tatsächlich verarbeitet Lena Gorelik seit ihrem erfolgreichen Debütroman "Meine weißen Nächte" die Erfahrung, als Kind russischer Einwanderer nach Deutschland gekommen zu sein und sich hier plötzlich als Jüdin zu fühlen. In einem Briefroman an ihren Sohn spielte sie mit äußeren Zuschreibungen, mit Klischees und Projektionen und seufzte über die
Lena Gorelik macht mit einer Familie Ernst
Die Neuauflage des Lexikons der deutsch-jüdischen Literatur verzeichnet einen Artikel zu "Gorelik, Lena, geb. 1. 2. 1981 in Leningrad (Sankt Petersburg)" und lässt den Leser wissen, das Schreiben dieser jungen Autorin kreise um die Frage der Normalität jüdischen Lebens in Deutschland nach der Schoa. Und tatsächlich verarbeitet Lena Gorelik seit ihrem erfolgreichen Debütroman "Meine weißen Nächte" die Erfahrung, als Kind russischer Einwanderer nach Deutschland gekommen zu sein und sich hier plötzlich als Jüdin zu fühlen. In einem Briefroman an ihren Sohn spielte sie mit äußeren Zuschreibungen, mit Klischees und Projektionen und seufzte über die
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Vielschichtigkeit jeglicher Identität.
Mit der macht sie nun Ernst. Denn ihr neuer Roman verzichtet auf das bisher zentrale Thema, gerade jetzt, wo sich das Bild der Autorin zu verfestigen begann. "Die Listensammlerin" ist ein komischer und ernster Familienroman, dessen Figuren-Ensemble sich auf zwei narrativen Ebenen bewegt. Die Ich-Erzählerin lebt in der Münchner Gegenwart, eine temperamentvolle junge Frau mit einer großen Sorge: Ihre kleine Tochter hat ein krankes Herz und steht vor einer lebenswichtigen Operation. Die Angst um das Kind ist ein Teil des trotz allem mit Leichtigkeit geschilderten Alltags, zu dem auch die Mutter und die Großmutter der Ich-Erzählerin gehören. Beide Frauen sind vor Jahren aus der Sowjetunion nach Deutschland immigriert, und der oft peinlich berührte Tochterblick auf ihre Eigenarten (Spucken beim Bügeln) sorgt für einen humorvollen Ton und einige transkulturelle Spiegeleffekte. Die Einwanderungsthematik führt Lena Gorelik fort und vergewissert sich dabei, wie viele ihrer Generationsgenossinnen, der eigenen Herkunft.
Der zweite, parallel geführte Erzählstrang spielt in der poststalinistischen Sowjetunion. Der Leser folgt hier der Perspektive Grischas, eines anarchisch wilden Jungen, dessen Verhalten zugleich komisch und erschreckend ist. Er ist der Onkel der Ich-Erzählerin, von dessen Existenz und Schicksal diese erst nach und nach erfährt. Die Protagonisten der beiden Romanebenen verbindet eine Passion: das Führen und Sammeln von Listen, mit deren Hilfe das chaotisch andrängende Leben geordnet und gebändigt werden soll. Die junge Frau der Gegenwart erstellt Listen schöner Menschen, von Momenten, die sie nie erleben wollte, Listen mit Tomatengerichten. Der junge Sowjet führt Listen mit Männerhänden, Listen zu lesender Literatur und eine Liste mit Wünschen für die eigene Mutter, der er Arbeit und Leid ersparen möchte. Die Mutter leidet, weil ihr Sohn als unbekümmerter und querulatorischer Individualist ohne jedes Autoritätsempfinden heranwächst und sich bereits als Jugendlicher einer antisowjetischen Gruppe anschließt.
Im Gewand des plaudernden Familienromans liefert Lena Gorelik das Psychogramm eines Dissidenten in seiner ganzen sozialen Ambivalenz. Seine Selbst- und Freiheitsliebe, seine Leichtfertigkeit und sein Mut machen ihn zum Außenseiter und disponieren ihn zur Opposition. Zugleich gefährden seine Charaktereigenschaften und Aktionen die ihm nächsten Menschen und bestimmen ihr Schicksal. Deren Lebensläufe verbinden die russische Vergangenheit und die erzählte Gegenwart. Die Autorin führt aber auch Motive beider Erzählebenen parallel: In Moskau fotografiert der empörte Grischa die menschenunwürdigen Zustände in einem Heim, in dem Systemgegner, Kriegsversehrte und Verrückte vegetieren. In München leidet die Ich-Erzählerin bei jedem ihrer Besuche in einem Altenheim mit den Alzheimerkranken.
Die Darstellung schafft eine eindeutige Differenz zwischen den Systemen. Sie spricht für die selbstverständliche Nähe der Autorin zum Land, in dem sie lebt. Hinter den gewichtigen, den komischen und den feinen Unterschieden, die in diesem Roman geschildert werden, steht allerdings das allen Menschen Gemeinsame. Es findet in der mütterlichen Angst seinen Ausdruck: in der Sorge um den eigensinnigen Jungen, in der Sorge um das kranke Kind. Sie überdauert die Generationen und geht über Grenzen.
SANDRA KERSCHBAUMER.
Lena Gorelik: "Die Listensammlerin". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2013. 350 S., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit der macht sie nun Ernst. Denn ihr neuer Roman verzichtet auf das bisher zentrale Thema, gerade jetzt, wo sich das Bild der Autorin zu verfestigen begann. "Die Listensammlerin" ist ein komischer und ernster Familienroman, dessen Figuren-Ensemble sich auf zwei narrativen Ebenen bewegt. Die Ich-Erzählerin lebt in der Münchner Gegenwart, eine temperamentvolle junge Frau mit einer großen Sorge: Ihre kleine Tochter hat ein krankes Herz und steht vor einer lebenswichtigen Operation. Die Angst um das Kind ist ein Teil des trotz allem mit Leichtigkeit geschilderten Alltags, zu dem auch die Mutter und die Großmutter der Ich-Erzählerin gehören. Beide Frauen sind vor Jahren aus der Sowjetunion nach Deutschland immigriert, und der oft peinlich berührte Tochterblick auf ihre Eigenarten (Spucken beim Bügeln) sorgt für einen humorvollen Ton und einige transkulturelle Spiegeleffekte. Die Einwanderungsthematik führt Lena Gorelik fort und vergewissert sich dabei, wie viele ihrer Generationsgenossinnen, der eigenen Herkunft.
Der zweite, parallel geführte Erzählstrang spielt in der poststalinistischen Sowjetunion. Der Leser folgt hier der Perspektive Grischas, eines anarchisch wilden Jungen, dessen Verhalten zugleich komisch und erschreckend ist. Er ist der Onkel der Ich-Erzählerin, von dessen Existenz und Schicksal diese erst nach und nach erfährt. Die Protagonisten der beiden Romanebenen verbindet eine Passion: das Führen und Sammeln von Listen, mit deren Hilfe das chaotisch andrängende Leben geordnet und gebändigt werden soll. Die junge Frau der Gegenwart erstellt Listen schöner Menschen, von Momenten, die sie nie erleben wollte, Listen mit Tomatengerichten. Der junge Sowjet führt Listen mit Männerhänden, Listen zu lesender Literatur und eine Liste mit Wünschen für die eigene Mutter, der er Arbeit und Leid ersparen möchte. Die Mutter leidet, weil ihr Sohn als unbekümmerter und querulatorischer Individualist ohne jedes Autoritätsempfinden heranwächst und sich bereits als Jugendlicher einer antisowjetischen Gruppe anschließt.
Im Gewand des plaudernden Familienromans liefert Lena Gorelik das Psychogramm eines Dissidenten in seiner ganzen sozialen Ambivalenz. Seine Selbst- und Freiheitsliebe, seine Leichtfertigkeit und sein Mut machen ihn zum Außenseiter und disponieren ihn zur Opposition. Zugleich gefährden seine Charaktereigenschaften und Aktionen die ihm nächsten Menschen und bestimmen ihr Schicksal. Deren Lebensläufe verbinden die russische Vergangenheit und die erzählte Gegenwart. Die Autorin führt aber auch Motive beider Erzählebenen parallel: In Moskau fotografiert der empörte Grischa die menschenunwürdigen Zustände in einem Heim, in dem Systemgegner, Kriegsversehrte und Verrückte vegetieren. In München leidet die Ich-Erzählerin bei jedem ihrer Besuche in einem Altenheim mit den Alzheimerkranken.
Die Darstellung schafft eine eindeutige Differenz zwischen den Systemen. Sie spricht für die selbstverständliche Nähe der Autorin zum Land, in dem sie lebt. Hinter den gewichtigen, den komischen und den feinen Unterschieden, die in diesem Roman geschildert werden, steht allerdings das allen Menschen Gemeinsame. Es findet in der mütterlichen Angst seinen Ausdruck: in der Sorge um den eigensinnigen Jungen, in der Sorge um das kranke Kind. Sie überdauert die Generationen und geht über Grenzen.
SANDRA KERSCHBAUMER.
Lena Gorelik: "Die Listensammlerin". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2013. 350 S., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Hingerissen zeigt sich Rainer Moritz von Lena Goreliks Roman "Die Listensammlerin" und weist gleich darauf hin, dass man diesen nicht wegen seiner Titelähnlichkeit mit seichten Historienromanen wie "Die Gewürzhändlerin" oder "Die Mondspielerin" verwechseln darf. Die Geschichte von Sofia, einer Schriftstellerin in München, die immer wieder in Krisen gerät und sich sehr um ihr herzkrankes Kind sorgt, und ihrem in der Sowjetunion aufgewachsenen Onkel Grischa erzählt für ihn einfühlsam von unterschwelligen familiären Brüchen und davon, wie sehr die Lebensgeschichte der Vorfahren die eigene prägt. Dabei gelingt der Autorin zur Freude des Rezensenten eine gute Balance aus Ernsthaftigkeit und Humor. Besonders lobt er die Klarheit von Goreliks Stil und ihren "feinen, gewitzten Tonfall". Für Moritz ist steht fest: "Mit dem Mond sollen andere spielen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ein in jeder Hinsicht umwerfender Roman NZZ am Sonntag
„Die Listensammlerin“ von Lena Gorelik ist für mich eines der Bücher des Jahres. Eine wunderbare und wunderbar traurige Familiengeschichte, die einen nicht kalt lässt.
Es geht zum einen um Sofia, eine junge Mutter, deren Tochter kurz vor einer wichtigen Herzoperation …
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„Die Listensammlerin“ von Lena Gorelik ist für mich eines der Bücher des Jahres. Eine wunderbare und wunderbar traurige Familiengeschichte, die einen nicht kalt lässt.
Es geht zum einen um Sofia, eine junge Mutter, deren Tochter kurz vor einer wichtigen Herzoperation steht. Aus der Ich-Perspektive berichtet Sofia von ihrem Alltag mit ihrem Mann, ihrer Tochter und vor allem mit ihrer russischen Mutter und der Großmutter, die an Alzheimer leidet und im Pflegeheim ist. Sie berichtet von ihren Ängsten und Problemen und wie sie diese teilweise bewältigt, in dem sie Listen schreibt. Zum Beispiel über die Fehler ihrer Mutter im Deutschen, Szenen ihres Lebens, die auch in einem Film hätten stattfinden können, Sätze, die sie nie sagen wollte.
Zum anderen geht es um Grischa, Sofias Onkel, den sie aber nie kennengelernt hat und von dem sie auch nichts weiß. Die Geschichte von Grischa beginnt in seiner Jugend und man lernt ihn als Leser sehr gut kennen. Grischa kommt mit dem System in der Sowjetunion nicht zurecht, er wehrt sich dagegen und wird so zum Sorgenkind der Familie. Auch Grischa schreibt Listen, zum Beispiel darüber, was er seiner Mutter wünscht.
Durch diese beiden Perspektiven lernt man als Leser die Familie ganz besonders kennen und vor allem verstehen. Man kennt die Großmutter zum einen als alte Frau mit Alzheimer, aber auch als Mutter von Grischa, wie sie mitten im Leben steht. Manchmal muss man sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass es sich hier tatsächlich um dieselbe Person handelt. Sofias Mutter lernt man auch als Schwester von Grischa kennen, als junges Mädchen und junge Mutter. Und man lernt das Leben in den verschiedenen Systemen, also in der Sowjetunion und in der BRD, kennen und sieht, wie es auch die Menschen verändert und prägt. Sofia beschreibt immer wieder das "sowjetische Erbe" ihrer Mutter, was mir auch sehr gut gefallen hat.
Die Protagonistin Sofia ist Schriftstellerin und verzweifelt öfter, wenn ihr in ihrem Leben die Worte fehlen, denn Worte sind schließlich ihr Metier, wie sie immer wieder sagt. Dasselbe kann auf jeden Fall von der Autorin gesagt werden. Lena Gorelik kann wunderbar mit Worten umgehen, sie schafft tolle Bilder und transportiert die Gefühle ihrer Figuren meisterhaft. Mich hat das Buch auf jeden Fall gefangen genommen, ich habe mit Sofia und Grischa gelitten und darf „Die Listensammlerin“ auf meine Liste der Bücher, die mich zum Weinen gebracht haben, setzen.
Von mir also eine klare Leseempfehlung und 5 von 5 Sternen!
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Broschiertes Buch
Sofia schreibt Listen mit bedingungsloser Leidenschaft. Listen sind ihr Leben – sie ordnen und katalogisieren weit mehr als ihre Gedanken. Sie beruhigen sie, wenn das Leben zu viel von ihr fordert, wenn sie unruhig wird. Und Unruhe empfindet sie wahrlich genug. Denn da wäre die Sorge um …
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Sofia schreibt Listen mit bedingungsloser Leidenschaft. Listen sind ihr Leben – sie ordnen und katalogisieren weit mehr als ihre Gedanken. Sie beruhigen sie, wenn das Leben zu viel von ihr fordert, wenn sie unruhig wird. Und Unruhe empfindet sie wahrlich genug. Denn da wäre die Sorge um ihre Tochter, die mit halbem Herzen zur Welt kam und der eine lebensgefährliche Operation bevorsteht. Da wäre ihr Mann Flox, der ihre Sorgen nicht auf die gleiche Weise zu teilen scheint. Da wäre ihre Großmutter, die mit Demenz in einem Pflegeheim lebt und um die sie sich kümmern soll. Und da wäre ihre Mutter, die nie viel von ihren Listen gehalten hat und ihr viel zu wenig über die Identität ihres Vaters verrät. Das alles thematisiert Lena Gorelik (Autorin von „Mehr Schwarz als Lila“, 2017) in ihrem 2016 erschienenen Roman „Die Listensammlerin“.
Während ihre Großmutter, die in der damaligen Sowjetunion aufwuchs, immer mehr ihre Erinnerungen verliert, beginnt Sofia im Trubel vor der OP ihrer Tochter damit, Nachforschungen über ihre Familie anzustellen. Sie ist es leid, von ihrer Mutter hingehalten zu werden, als psychisch gestört stigmatisiert zu werden, und permanent in Sorge um ihre Tochter zu sein. Auswege aus ihrer Misere bilden ihre Listen und ein überraschender Fund in der Wohnung ihrer Großmutter – denn anscheinend ist sie nicht der einzige Mensch, der Listen führte. Jemand anders hat eben solche Listen wie sie geführt und diese in einem Kästchen aufbewahrt. Was hat es damit auf sich? Und wer war der Autor? Was haben diese Listen mit ihrer Familie zu tun?
An diesem Punkt teilt sich die Erzählung in zwei Zeitebenen – die der Gegenwart und die der Vergangenheit, beginnend mit der Kindheit der Großmutter in der früheren Sowjetunion. Zu dieser Zeit bestimmte die Kommunistische Partei über alles, was im Land passierte. Die meisten Menschen fügten sich diesen strengen Vorgaben, doch Grischa, der Sohn von Sofias Großmutter, war ein Freigeist. Ihn lernt der Leser in den Rückblicken kennen, seine Wünsche und Träume, seine Ziele, seine Liebe. Man taucht ein in einen Lebensalltag, der unserem heutigen nicht fremder sein könnte. Ein faszinierender Einblick, der mich sehr fesselte. Auch das Schicksal von Sofia und Grischa berührte mich tief – vor allem Sofias Überforderung und Grischas sensible und gleichzeitig bockige Art.
Ich ging davon aus, dass mir „Die Listensammlerin“ bis zum Ende weiterhin so ausnehmend gut gefallen würde, allerdings war dem leider nicht so. Das hatte subjektive Gründe: Ich verlor zusehends den Überblick über die Zeitebenen. Ich driftete daher für meinen Geschmack zu orientierungslos durch die Geschichte, ohne zu wissen, wo (und wann) ich mich gerade befinde. Hinzu kam ein nüchterner Schreibstil, der anfangs sehr charmant war, am Ende aber dazu beitrug, dass ich keinen emotionalen Bezug zum Geschehen mehr herstellen konnte. Hinzu kam, dass hinsichtlich der Frage nach der Identität von Sofias Vater eine gewisse Spannung aufgebaut wurde. Andeutungen häuften sich und alles schien möglich, doch anstatt mit einer Auflösung zufriedengestellt zu werden, bleibt Gorelik vage. Hier wurde meine Erwartungshaltung leider enttäuscht.
Fazit
„Die Listensammlerin“ von Lena Gorelik konnte mich persönlich leider nicht vollständig überzeugen, obwohl der Anfang äußerst vielversprechend war. Ich tauchte ein in das herausfordernde Leben von Sofia, das von Sorgen und Ärgernissen geprägt ist. Ich mochte ihren Charakter und ihre Eigenart, ihr Leben durch das Anfertigen von Listen eine gewisse Ordnung und sichere Struktur zu verleihen. Auch mochte ich die Verknüpfung mit der Vergangenheit ihrer Familie in der ehemaligen Sowjetunion. Allerdings verlor die Autorin mich auf dem Weg. Der Schreibstil wurde anstrengend, die Zeitsprünge zu unüberschaubar. Für andere Leser aber sicherlich trotzdem eine anregende Lektüre!
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