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Bekina Samanischwili, ein rüstiger Alter, will nach dem Tod seiner Frau erneut heiraten und bringt damit seinen Sohn Platon in Schwierigkeiten, der befürchtet, sein karges Erbe mit einem Halbbruder teilen zu müssen.Platon beschließt, für den Vater eine Frau zu finden, die ihn gegen jedes Risiko absichert: Eine zweifach verwitwete kinderlose ältere Frau soll es sein. Nachdem er von seinem lebenslustigen Schwager Kirile von Gelage zu Gelage geschleppt wird, gerät er an den zwielichtigen Aristo. Dieser macht ihn mit einer Verwandten bekannt, die den Kriterien entspricht. Überglücklich führt…mehr

Produktbeschreibung
Bekina Samanischwili, ein rüstiger Alter, will nach dem Tod seiner Frau erneut heiraten und bringt damit seinen Sohn Platon in Schwierigkeiten, der befürchtet, sein karges Erbe mit einem Halbbruder teilen zu müssen.Platon beschließt, für den Vater eine Frau zu finden, die ihn gegen jedes Risiko absichert: Eine zweifach verwitwete kinderlose ältere Frau soll es sein. Nachdem er von seinem lebenslustigen Schwager Kirile von Gelage zu Gelage geschleppt wird, gerät er an den zwielichtigen Aristo. Dieser macht ihn mit einer Verwandten bekannt, die den Kriterien entspricht. Überglücklich führt Platon die Braut seines Vaters heim. Doch dann wird die Stiefmutter Elene trotz allem schwanger, und das Unglück nimmt seinen Lauf.
Autorenporträt
Kldiaschwili, DawitDAWIT KLDIASCHWILI, (1862 - 1931) Erzähler und Dramatiker, entstammte einer Kleinadeligenfamilie. Er ist einer der herausragen- den Schriftsteller des ausklingenden kritischen Realismus in Georgien. Seine Werke üben schonungslose Kritik an den sogenannten Herbst- fürsten, den Vertretern der abgewirtschafteten, überlebten Aristo- kratie. Er ist ein hervorragender Stilist mit feinem Sinn für Humor. Sein Kurzroman Samanischwilis Stiefmutter erschien 1896 und wurde zweimal verfilmt, 1926 von Kote Marschanischwili und 1977 von Eldar Schengelaia. Als eines der Lieblingsstücke der Georgier wird Samani- schwilis Stiefmutter immer wieder als Theaterstück aufgeführt.

Gratzfeld, RachelRACHEL GRATZFELD arbeitete lange Jahre als Lektorin in Bern und lebt heute in Tbilissi als Übersetzerin und Vermittlerin georgischer Literatur und Kultur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2018

Aufstieg unmöglich
Dawit Kldiaschwilis Roman "Samanischwilis Stiefmutter"

Die "ältere Frau" hat sich herausgeputzt und steht, wie so oft, im Sonntagsstaat auf der Veranda des Friedensrichters. Ihr Sohn, ein Knabe von fünf Jahren, sieht mit seinen wachen schwarzen Augen "niedlich" aus. "Lebhaft und vergnügt" blickt er in die Welt und auf das "Volksgewimmel" um sich herum. Er ahnt nicht, "wie viel Unglück seine Geburt mit sich gebracht hatte". Und nur darum, wegen seiner Ahnungslosigkeit, behält er gute Laune. Auf dem Land, wie Dawit Kldiaschwili es 1896 in seinem georgischen Klassiker festgehalten hat, erscheint Aufstieg unmöglich, Abstieg mehr als wahrscheinlich. Jeder Wandel stellt keine bessere Zukunft in Aussicht, sondern das kleine Glück, das einem vielleicht zuteilwurde, in Frage. Und darin besteht das Problem, als sich Bekina Samanischwili am Anfang der Geschichte dazu entschließt, wieder zu heiraten. Der Wunsch nach Veränderung konnte kein gutes Ende nehmen: Die Dame auf der Veranda ist seine verarmte, um Almosen bettelnde Witwe.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Platon, der Sohn Bekinas, wirkt zunächst wie ein Gutsherr aus einem Horazischen Landlobgedicht. Er dankt dem "Allmächtigen" für das "karge tägliche Brot", ist "froh über das bisschen und glücklich mit dem Wenigen", arbeitet klaglos und fleißig tagein und tagaus. "In seiner Familie herrschte vollkommene Zufriedenheit", auch weil alle wissen, dass es anderen noch viel schlechter geht. Als Alleinerbe hält er den spärlichen Besitz zusammen. Nur so kommt die Familie halbwegs gut über die Runden. Dann stirbt seine Mutter, und der Vater will partout eine neue Frau. Würde Bekina mit der Stiefmutter einen Sohn zeugen, müsste das Land geteilt werden. Eine Alternative scheint undenkbar. Zum Leben hätten sie dann zu wenig, zum Sterben zu viel. Platon versucht seinen Vater von den Heiratsplänen abzuhalten. Der Alte, der sich in der Phantasie eines wohlhabenden Landadligen gefällt, bleibt störrisch. Da entschließt sich der Sohn, selbst den Kuppler zu spielen und eine Frau zu suchen: eine zweifache kinderlose Witwe, die einige Jahre mit ihren Ehemännern verbracht hat, so dass ihre Unfruchtbarkeit als erwiesen gelten darf.

Der pragmatische Plan kommt allen entgegen. In dieser Geschichte leistet sich niemand romantische Vorstellungen von inniger Liebe. Alles bestimmend sind Äußerlichkeiten. Ansehen, Scham und Ehre gelten viel. Auch wenn es sich augenscheinlich um Prätention handelt, muss Platon seine Reise auf einem Pferd antreten, einer Mähre mit wundgescheuertem Rücken, bei der man froh sein darf, wenn sie sich allein auf den Beinen hält. Die Brautschau gerät zur Odyssee voller Peinlichkeiten. Gemeinsam mit seinem feier- und streitlustigen Schwager stolpert Platon von einem Missgeschick ins nächste. Dabei zeigt er zunehmend seine seelischen Abgründe: Zorn, Wut, Dünkel treten an die Stelle von bescheidener Zufriedenheit - auch dieses gute Gefühl muss man sich gönnen können. Noch einmal hat Platon das Gefühl, dass Gott ihm gnädig sei, als er die passende Kandidatin gefunden hat. Es ist, als ginge ein letztes Aufatmen durch die Geschichte.

Es gibt Bücher, deren Ende nicht verraten werden darf. Dieser Roman zählt nicht dazu. Das Ende ist trostlos. Ein ums andere Mal erweisen sich die Bemühungen um ein glücklicheres Leben als vergeblich. Mehr noch: Der Versuch, alles so zu lassen, wie es ist, verschlimmert die Situation. Für ein Happy End wäre hier kein Platz. Inmitten der Moderne, die in der Zeit um 1900 eskaliert, bewegen wir uns in den Grenzen einer traditionalen Gesellschaft. Der Alltag der "Herbstfürsten", jener verarmten Landadligen, die nur für kurze Zeit nach der Ernte standesgemäß leben, ist ebenso wie das Dasein der Landbevölkerung geprägt von Mangel. In diesem Milieu entwickelt sich Fortschrittseuphorie so wenig wie Angstlust vor dem Ende. Die Welt rast nicht auf den Abgrund zu, sondern treibt im Zustand des Niedergangs dahin.

Gleichwohl verströmt der Roman eine tiefe Behaglichkeit. Die Figuren mögen ihre Façon verlieren, der Erzähler nicht. Der erste Satz gibt den Ton vor: "Bekina Samanischwilli war, wen wundert's!, ein mittelloser Landadliger, ein ziemlich mittelloser sogar." Kldiaschwilis Sprache verfügt in der Übersetzung von Rachel Gratzfeld über ein feines Gespür für Rhythmus und Timing. Die formale Stimmigkeit, die nie ausgestellt wird, sondern der prosaischen Lebenssituation entspricht, verstärkt einerseits den Eindruck der Ausweglosigkeit. Hier passt jeder Satz, und so scheint es, als könne in dieser erzählerischen Welt gar nichts anders sein. Andererseits fügt und rundet sich alles so, dass die Bitternis und Verzweiflung der Figuren nicht über die Geschichte herrschen. Am seinem Lebensende erwiderte Kldiaschwili auf die Kritik, er mache sich über seine Figuren lustig, fassungslos, er habe "mit schmerzendem Herzen und voller Mitleid" über sie geschrieben: "Mein ganzes Leben hat mich allein die Liebe zu den Menschen geleitet." Von dieser Fürsorge zeugt die Form der Erzählung, die ihre Figuren nie aufgibt oder verrät.

STEFFEN MARTUS

Dawit Kldiaschwili: "Samanischwilis Stiefmutter". Roman.

Aus dem Georgischen und mit einem Nachwort von Rachel Gratzfeld. Dörlemann Verlag, Zürich 2018. 160 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2018

Eine vergebliche Suche nach der passenden Witwe
Dawit Kldiaschwilis satirischer Roman „Samanischwilis Stiefmutter“ ist in Georgien ungebrochen populär. Zum ersten Mal wurde er ins Deutsche übersetzt
Bei Erbangelegenheiten hört der Spaß auf. Geschwister, Tanten und Schwippschwäger, die auf Familienfeiern mit sanfter Stimme schäfchenhaft das Loblied unverbrüchlicher Bande singen, verwandeln sich über Nacht in reißende Wölfe, wenn die Filetstücke eines Nachlasses verteilt werden. Die Sorge, bei der Testamentseröffnung den Kürzeren zu ziehen, scheint raubtierhafte Instinkte zu wecken. Unzählbare Bücher und Filme behandeln die vom letzten Willen hervorgerufenen Aufregungen; Verstorbene oder künftige Erblasser bürden ihren raffsüchtigen Nachkommen zuweilen einiges auf. Darin gleichen sich so ziemlich alle unglücklichen Familien.
Bekina Samanischwili ist zwar ein mittelloser Landadeliger im bäuerlichen Georgien Ende des 19. Jahrhunderts, aber er ist dünkelhaft genug, seinen Grund und Boden als solides Vermögen zu betrachten. Realistisch gesehen reicht es allerdings gerade so, dem Schicksal anderer verarmter „Herbstfürsten“ zu entgehen – solchen, denen die spärlichen Ernteerträge kaum das tägliche Brot sichern.
Samanischwilis Sohn Platon und dessen Frau Melano wissen um die kargen Erlöse aus dem väterlichen Besitz, schätzen sich aber dennoch froh, nicht zu den Hungerleidern zu gehören, ja, eines Tages vom bescheidenen Erbe zumindest ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wenn sich der Mensch aber in seinem Alltag allzu behaglich einrichtet, kommt meist etwas Unschönes dazwischen. Das ist bei den Samanischwilis nicht anders. „Das Unglück begann, als das Schicksal dem Leben der armen Marika, Bekinas Frau, ein Ende setzte.“ Nach kurzer Trauerzeit will der rüstige Witwer nämlich ein zweites Mal vor den Traualtar treten. Und dem Filius Platon schwant Böses: Die „Begleiterscheinungen“ einer solchen Heirat in Form weiteren Nachwuchses schweben nun als Damoklesschwert über der Familie. Einen zweiten Erben würde das familiäre Anwesen nicht ernähren können.
Das ist die zu allerlei burlesken Verwicklungen führende Ausgangskonstellation von Dawit Kldiaschwilis satirischem Roman „Samanischwilis Stiefmutter“. Dieser Erzähler und Dramatiker, 1862 in der Region Imeretien geboren, entstammte selbst dem Milieu, das er in seinen Geschichten mit realistischen Mitteln, feiner Ironie und sanfter Zugewandtheit schilderte. Seine Herkunft aus dem verarmten Kleinadel gestattete es ihm, die Selbstüberschätzung der bedeutungslos gewordenen Aristokratie treffend zu karikieren.
Mit der Annexion Georgiens durch Russland im Jahr 1801 setzte nämlich auch der Bedeutungsverlust des Adels eher rasant als schleichend ein, und Kldiaschwilis Familie gehörte zu den Leidtragenden dieser großpolitischen Wetterlage. Mit „Samanischwilis Stiefmutter“ ist ihm allerdings etwas gelungen, das weit über die Bestandsaufnahme einer historischen Konstellation und die Schilderung einer taumelnden Gesellschaftsschicht hinausgeht. Kldiaschwili muss tief in die Seelengründe der Georgier vorgedrungen sein, etwas berührt haben, was vielleicht als mentalitätsgeschichtliche Konstante gelesen werden kann; das beschreibt das Nachwort der exzellenten Übersetzerin Rachel Gratzfeld. Kldiaschwilis Roman wurde immerhin zwei Mal verfilmt, wird noch immer verehrt und hat vor allem in dramatisierter Form Eingang in den Theaterkanon des Landes gefunden. Bis heute finden sich georgische Leser „im Positiven wie im Negativen“ in den Figuren wieder.
Diese anhaltende Popularität erklärt sich gewiss aus Kldiaschwilis erzählerischem Vermögen, sozialrealistische mit spöttischen Darstellungen zu kombinieren, das Tragische mit dem Grotesken; sein Roman ist ein raffiniertes, hintersinniges Spiel mit Klischees und humoristischen Motiven, auch wenn der Ton gelassen, episch wirkt. Da ist der von Zukunftsangst gepeinigte Sohn, der, um Schlimmeres zu verhindern, für seinen Vater auf Brautschau geht. Er sucht eine mindestens zweimalige Witwe, die kinderlos geblieben ist – er will ja nicht Gefahr laufen, mit einem Stiefbruder beschenkt zu werden. Dann gibt es den trinkfreudigen Schwager Kirile, der das Dasein als einzigen Rausch begreift, leichtfertig von Feier zu Feier stolpert und sich Platon als Berater und Begleiter anbietet. Das führt zu irrwitzigen, turbulenten Szenen.
Und am Ende, als durch vielerlei Zufälle und einen gerissenen Kuppler die geeignete Frau gefunden ist, hat Platon nicht nur einen undurchsichtigen neuen Verwandten am Hals, sondern auch eine ältere Stiefmama, die ganz unerwartet das späte Mutterglück ereilt. Die Frauen sind in diesem Buch immer passiv. Sie erdulden das ihnen Aufgebürdete, sie fügen sich. Eine Kritik an den Verhältnissen lässt sich daraus zwar nicht lesen, aber doch eine sensible Wahrnehmung der verstörenden Folgen patriarchaler Macht.
„Samanischwilis Stiefmutter“ porträtiert typische Figuren der georgischen Gesellschaft, Menschen, die sich durch unwirtliche Zeiten schlagen müssen. Mit ihnen kann man in die Vergangenheit reisen, um in der Gegenwart anzukommen.
ULRICH RÜDENAUER
Kaum hat man sich behaglich
eingerichtet, kommt
etwas Unschönes dazwischen
Dawit Kldiaschwili: Samanischwilis Stiefmutter. Roman. Aus dem Georgischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Rachel Gratzfeld. Dörlemann Verlag, Zürich 2018. 160 Seiten, 20 Euro.
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