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Thomas Manns Novelle "Wälsungenblut" (1905) erzählt die Geschichte von Siegmund und Sieglind Aarenhold, "zweier Luxuswesen, jüdischer Zwillinge des überfeinerten Berliner Westens". Das Geschwisterpaar lebt mit seiner Familie in einer von Prunk beherrschten, realitätsfremden Welt. Aufgrund der bevorstehenden Heirat Sieglinds mit einem christlichen Adligen, stehen die beiden vor dem Ende ihrer exklusiven Gemeinschaft, die sie mit einem letzten gemeinsamen Besuch von Richard Wagners "Walküre" zelebrieren wollen ...

Produktbeschreibung
Thomas Manns Novelle "Wälsungenblut" (1905) erzählt die Geschichte von Siegmund und Sieglind Aarenhold, "zweier Luxuswesen, jüdischer Zwillinge des überfeinerten Berliner Westens". Das Geschwisterpaar lebt mit seiner Familie in einer von Prunk beherrschten, realitätsfremden Welt. Aufgrund der bevorstehenden Heirat Sieglinds mit einem christlichen Adligen, stehen die beiden vor dem Ende ihrer exklusiven Gemeinschaft, die sie mit einem letzten gemeinsamen Besuch von Richard Wagners "Walküre" zelebrieren wollen ...
Autorenporträt
Thomas Mann, geb. 1875 in Lübeck, wohnte seit 1894 in München. 1933 verließ er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee, dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1938 eine Professur an der Universität in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Zürich am 12. August 1955. Thomas Mann zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns umfangreiches und vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Für seinen ersten großen Roman Die Buddenbrooks erhielt er 1929 den Nobelpreis für Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2009

So viel vom bekannten Falschen

Alles, was die Deutschen an Thomas Mann lieben, finden sie in Thomas Manns Erzählung "Wälsungenblut": Worte wie "durchaus", "beständig", "dergestalt", psychologisierenden Kitsch, halbgedachte Gedanken über das große Ganze, unendlich lange, zwanghafte Beschreibungen von Kleidern, Möbelstücken, Physiognomien, fast gar keine Handlung, sehr viel Richard Wagner - und ein paar überhebliche, reiche Juden, die in die deutsche Gesellschaft drängen, finanziell und sexuell.

Die Juden aus "Wälsungenblut" leben irgendwann am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in einer sehr, sehr großen Villa in Berlin-Tiergarten, aber natürlich fällt nie das Wort "Jude", dafür ist der Tagebuch-Antisemit Thomas Mann zu verklemmt. Man erkennt sie trotzdem. Sie heißen Aarenhold, und der Vater, der "im Osten an entlegener Stätte geboren" wurde, als "Wurm", als "Laus", reibt sich beim Sprechen leise die Hände und hat eine "leidende Art". Seine Frau ist "klein, häßlich und wie unter einer fremden, heißeren Sonne verdorrt", sie antwortet "ausschließlich mit Gegenfragen", und ihre Rede ist "mit sonderbaren und an Kehllauten reichen Worten durchsetzt". Nein, Chala mit Christenblut backt sie nicht.

Die Kinder der beiden galizischen Eindringlinge haben sich in Deutschland gemacht. Sie sind schöner und größer als ihre Eltern, man sieht ihnen die befremdende, dunkle Herkunft nicht sofort an - aber wenn man genauer hinsieht, eben doch: Sie haben "dieselbe ein wenig niedergedrückte Nase", "aufgeworfenen Lippen", und ihre Unterhaltungen sind eine einzige talmudistische Orgie.

Unentwegt "zersetzen" sie die Meinung des anderen "in Scharfsinn", befehden "einander mit einer stählernen und abstrakten Dialektik", verachten "die blonden Bürger des Landes", die sie gleichzeitig bewundernd "Germanen" nennen. Und die Kunst, von der der After-Office-Denker Richard Wagner meinte, sie sei Sache deutscher Künstler, da sie allein Gefühl und Leidenschaft hätten, während die überall fremden Juden nur kritisieren, intellektualisieren und zerstören könnten?

Die Kunst können die Aarenhold-Kinder natürlich nicht ausstehen - wenn sie Leidenschaft ist. Sie mögen lieber Bücher, Bilder, Opern, die "durch eine unverträumte Intellektualität vor jedem Einwand" scheinbar sicher sind. Klingt wie ein Zitat aus dem Katalog zur Ausstellung "Entartete Kunst", die Frage ist nur, wer zitiert wen.

Es geht hier nicht um Antisemitismus, denn Antisemitismus ist ein schrecklich langweiliges Thema - zumindest solange keine Partei mit antisemitischer Agenda im Reichstag sitzt. Es geht um Literatur und das Nachdenken darüber, wie gut eine Erzählung sein kann, die so viel vom bekannten Falschen enthält.

Und wie gut - das muss man ebenfalls fragen - kann ein Autor sein, der eine solche Erzählung schreibt, wenn er derselbe Autor ist, dessen Werk auch sonst voll ist mit lauter bekanntem Falschen? Wenn ich an Thomas Mann denke, fallen mir jedenfalls nur siebenmalkluge Jesuiten, liebe Lübecker, wirre Zwölftonmusik-Komponisten, strenge Bibel-Juden, depressive Closet-Schwule, liebenswürdige Hochstapler und böse Nazis ein - die auch noch alle so geschwollen und "literarisch" daherreden, wie sich ein Kleinbürger mit Bildungskomplex Literatur vorstellt. Warum nicht gleich Peter Hacks lesen? Warum nicht lieber "Lost" gucken?

Jede Zeit liebt die Schriftsteller, die sie lieben will. Und: Schriftsteller sind die Spiegel einer Gesellschaft, nicht ihre Propheten. Was sagt das über uns und unsere Zeit? Ich weiß es noch nicht. Aber ich weiß, dass Siegmund und Sieglinde, die beiden arroganten jüdischen Aarenhold-Zwillinge, am Ende von Thomas Manns berühmter Erzählung miteinander Sex haben. Vorher waren sie in Wagners "Walküre", in der ebenfalls zwei Zwillinge Sex hatten, aber die sind nicht "im Osten an entlegener Stätte geboren".

Wollen die bösen Juden es den guten Nichtjuden nachmachen? Wollen sie so tun, als seien auch sie aus dem Geschlecht der Nibelungen? Sieglinde soll bald einen deutschen Adligen heiraten - also irgendwie schon.

Nachdem sie mit ihrem Bruder geschlafen hat, fragt Sieglinde Siegmund, was jetzt mit ihrem deutschen Verlobten sei. In der ersten Fassung von "Wälsungenblut", die Thomas Mann aus Angst vor seinen jüdischen Schwiegereltern noch schnell änderte, antwortet der jüdische Siegmund: "Beganeft haben wir ihn, den Goi." Reingelegt haben wir ihn, den verdammten Unjuden.

Vielleicht geht es hier doch um Antisemitismus und nicht nur um ein bisschen Literatur.

MAXIM BILLER

Thomas Mann: "Wälsungenblut", Novelle. Die im Verlag S. Fischer erschienenen Ausgaben sind zurzeit nur antiquarisch erhältlich.

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»Welches Zwillingspaar dem Erzähler als Modell vorgeschwebt hat und welche Familie, lag zum Greifen nahe.« KLAUS PRINGSHEIM »Es gibt keinen Zweifel: Wer sich eine Bibliothek mit Weltliteratur in Form von Hörbüchern aufbauen möchte, kommt an dieser Edition nicht vorbei.« WDR 3 »Hier wird fündig, wer an Hörbuchproduktionen Freude hat, die nicht schnell hingeschludert sind, sondern mit einer Regie-Idee zum Text vom und für den Rundfunk produziert sind.« NDR KULTUR »Mehr Zeit hätte man ja immer gern, aber für diese schönen Hörbücher [...] besonders.« WAZ »Die Hörbuch-Edition 'Große Werke. Große Stimmen.' umfasst herausragende Lesungen deutschsprachiger Sprecherinnen und Sprecher, die in den Archiven der Rundfunkanstalten schlummern.« SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK