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"Crispin Mohr muss weit fort, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Er lässt Pappenheim hinter sich, die Mutter, seinen versehrten Vater, eine unglückliche Liebe, und meldet sich als einfacher Reitersoldat zu den sogenannten Schutztruppen in die Kolonie Deutsch-Südwest. Dem, was er sich erträumt, kommt er aber auch in der neuen Heimat in Afrika, Deutschlands fernster Ferne, nicht näher. Als er sich in Hulette verliebt, die Enkelin eines Stammesführers, die als Faustpfand eines trügerischen Scheinfriedens mit der Kolonialmacht zum Opfer politischer Interessen und rassistischer Gewaltfantasien…mehr

Produktbeschreibung
"Crispin Mohr muss weit fort, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Er lässt Pappenheim hinter sich, die Mutter, seinen versehrten Vater, eine unglückliche Liebe, und meldet sich als einfacher Reitersoldat zu den sogenannten Schutztruppen in die Kolonie Deutsch-Südwest. Dem, was er sich erträumt, kommt er aber auch in der neuen Heimat in Afrika, Deutschlands fernster Ferne, nicht näher. Als er sich in Hulette verliebt, die Enkelin eines Stammesführers, die als Faustpfand eines trügerischen Scheinfriedens mit der Kolonialmacht zum Opfer politischer Interessen und rassistischer Gewaltfantasien wird, entscheidet er sich für sein Schicksal: für eine Liebe, die keine Zukunft hat.Es ist ein finsteres Kapitel deutscher Geschichte, das Ludwig Fels hier aufschlägt und aus dem er eine Geschichte von biblischer Wucht erzählt. "Die Hottentottenwerft" ist ein Roman über Sehnsucht und Stolz, über den Lebenshunger eines jungen Mannes, der bis zu seinem Untergang an einem Traum festhält, welcherihn zwischen die Fronten von Leben und Tod geraten lässt. Schmerzlich-schön, schonungslos hart und klar, mit dem glühend-visionären Pathos eines Trauer- und Freudengesangs."
Autorenporträt
Ludwig Fels, geboren 1946 in Treuchtlingen, seit 1973 Schriftsteller, lebt in Wien. Zahlreiche Auszeichnungen,u. a. Wolfgang-Koeppen-Preis 2004, Wolfram-von-Eschenbach-Preis 2011.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2015

Poesie und rohe Gewalt
Der Treuchtlinger Wahlwiener Ludwig Fels schrieb in „Hottentottenwerft“ ein sprach- und gefühlsgewaltiges Werk über eine dunkle Seite Deutschlands
Nürnberg – Dass Crispin Mohr ausgerechnet von Pappenheim im Altmühltal aus nach Deutsch-Südwestafrika aufbricht, ist der Bekanntheit des in Schillers Wallenstein („Daran erkenn’ ich meine Pappenheimer. . .“) verewigten Städtchens geschuldet. „Die Girlande der Internationalität um den Namen Pappenheim herum“ habe ihn veranlasst, seinem Protagonisten dort einen Ursprung zu geben, sagt Ludwig Fels. Natürlich spielte auch die regionale Verbundenheit des Autors selbst eine Rolle. Fels, den der ORF gerade „einen der sprachgewaltigsten und zugleich gröblich vernachlässigten Gegenwartsautoren“ nannte, wurde nahe Pappenheim in Treuchtlingen geboren und wuchs dort auf.
  Eigentlich aber könnte Crispin Mohr „überall herkommen, wo damals deutsch gedacht, deutsch gesprochen und deutsch gelebt wurde“, sagt Fels. In seinem neuen Roman „Hottentottenwerft“ (Verlag Jung und Jung) bricht Mohr anno 1903 als Rekrut der kaiserlichen Armee in die damalige deutsche Kolonie auf, die heute Namibia heißt. Weg von seiner geliebten Mutter, weg vom verbitterten, invaliden Vater und weg von Seffie, der für ihn als Stallburschen unerreichbaren Liebe aus besserem Haus. Und mitten hinein in einen Kolonialkrieg, der im kollektiven Gedächtnis der Deutschen ganz an den Rand verdrängt ist.
  Obwohl dort, wie Fels sagt, „mit der gleichen Brutalität gekämpft wurde wie später im Ersten und Zweiten Weltkrieg.“ Obwohl es dort schon Konzentrationslager gab und das Massaker an zigtausenden Menschen vom Stamme der Herero, das Bundestagspräsident Norbert Lammert unlängst erstmals einen „Völkermord“ genannt hat.
  „‚Hottentottenwerft‘ ist das wesentlichste Buch, das ich bislang geschrieben habe“, sagt Ludwig Fels. „Weil ich zum ersten Mal eine große Distanz zwischen den Stoff und dem Schreibenden gelegt habe.“ Distanz zu sich also, zu seinem Leben. Aber auch zeitliche Distanz. Das überaus spannende und fesselnde Buch spielt nicht in der Gegenwart, sondern vor einhundert Jahren. Fels war selbst nie in Namibia, was kaum vorstellbar scheint, liest man die eindrücklichen Beschreibungen.
  Schriftsteller, die sich mit dem Literaturbetrieb und dessen kommerziellen Regeln arrangieren, nennen neue Bücher gerne ihre wichtigsten, in der Hoffnung, so mehr davon zu verkaufen. Ludwig Fels aber ist kein leichtfüßiger Eigenvermarkter. Unlängst erst stach der 69-Jährige beim Erlanger Poetenfest mit einem von Beobachtern als knorrig und sperrig empfundenen Auftritt unter den vielen geländegängigeren Autoren heraus.
  Auch dem Leser, Zuhörer und Zuschauer macht er es in keinem seiner Dutzenden Romane, Gedichtbände, Hörspiele und Theaterstücke einfach. Er fordert ihn heraus. Seine Sprache ist voller zarter Poesie, aber auch voller Rohheit, wuchtig und sachlich, wütend und mitfühlend, rüde und sensibel. Sie verstört und zieht in den Bann zugleich. Seit 32 Jahren lebt Ludwig Fels in Wien, und die deutsche Literaturgemeinde hat diesen großen Sprachkönner allzu leichtfertig aus den Augen verloren. Dabei hat sie ihn einst als ihren Jungstar gefeiert.
  Das hatte auch mit seiner Biografie zu tun. Ludwig Fels wuchs in sehr armen Verhältnissen auf, stigmatisiert als uneheliches Kind aus der untersten Schicht und ausgegrenzt im biederen Kleinstadt-Mief der späten Fünfziger- und Sechzigerjahre. Vor all dem floh er in die Welt der Literatur, las wie verrückt und begann selbst zu schreiben. „Wir Jungen brauchten edle Helden, große Taten, hatten schlagkräftige Lehrer, leidenschaftliche Anhänger körperlicher Züchtigung“, beschrieb er später seine Treuchtlinger Kindheit. „Schlagen war die härteste Art der Verständigung. In den Baracken wurde geschlagen und in den Sozialwohnungen, überall, die Bauern schlugen das Vieh, die Männer die Frauen, die Frauen die Kinder, es war endlos. Wir wollten schnell stark und hart werden, endlich zurückschlagen.“
  Fels brach eine Malerlehre ab, zog nach Nürnberg, arbeitete als Hilfsarbeiter, ehe er mit von seiner Lyrik und Prosa leben konnte. Schnell war angesichts all dessen die Schublade „Arbeiterdichter“ aufgezogen, zumal seine frühen Werke wie der vom ZDF verfilmte Roman „Ein Unding der Liebe“ im Milieu der Schwachen, Ausgegrenzten und Zornigen spielten. Gegen das Etikett vom Arbeiterdichter wehrt sich Fels bis heute, bisweilen mit Ironie. Wenn, dann sei er bestenfalls ein Hilfsarbeiterdichter, denn zum Arbeiter habe er es ja nie geschafft, sagte er einmal.
  Von Treuchtlingen übrigens wollte er lange nichts wissen. Als leblose Ansammlung von „Häusern, die nichts anderes als bewohnte Grabsteine“ seien, beschrieb er sein Heimatstädtchen 1990 in der großartigen Erzählung „Der Himmel war eine große Gegenwart“, die Leben und Sterben seiner Mutter beschreibt. Jahrzehntelang wollte Treuchtlingen vom zum vielfach ausgezeichneten Literaten aufgestiegenen Schmuddelkind nichts wissen. Erst 2009 streckte das Städtchen seine Hand aus – und Fels ergriff sie. Eine örtliche Kulturstiftung verlieh ihm ihren Literaturpreis.
  Seither nähern sie sich an, Fels und die alte Heimat; die Entfremdung habe nachgelassen, sagt er. Immer häufiger ziehe es ihn von Wien nach Franken zurück, und bisweilen denke er darüber nach, „ob ich zurückkehren sollte. Dann spüre ich aber immer wieder, dass die Brücken noch nicht fest genug sind“. Lange waren auch die Brücken von der Wiener Schreibstube in das Deutsch-Südwestafrika vor hundert Jahren nicht tragfähig genug. Viele Jahre hat Fels an seiner Hottentottenwerft gearbeitet. „Es wollte heraus, aber die Zeit war lange nicht reif dafür“, sagt er. „Das Thema aber hatte sich in mir festgefressen.“
  Nun ist sie draußen, die Geschichte des Reitersoldaten Mohr aus Pappenheim, der sich in Swakopmund in Hulette verliebt, die Enkelin eines Stammesfürsten, die den Kolonialherren als Friedenspfand dient. Eine abenteuerliche, eine grausame, eine unglückliche Liebe, für welche die herrschenden politischen Verhältnisse den unumstößlichen Rahmen setzen.
  Es wird nicht Fels’ letzter historischer Stoff bleiben. Gerade hat er den fiktiven Dialog eines kleinen jüdischen Mädchens mit ihrem Vater in einem Viehwaggon auf dem Weg vom Ghetto in Lodz ins Vernichtungslager Auschwitz aufgeschrieben. Der Frankfurter Verlag der Autoren hat das Hörspiel angenommen und sucht nun nach einem Rundfunksender, der es produziert.
UWE RITZER
Lange wollte Treuchtlingen
von dem vielfach ausgezeichneten
Literaten nichts wissen
Nicht Arbeiterdichter, sondern Hilfsarbeiterdichter: Ludwig Fels flüchtet sich angesichts von zu viel Schubladendenken gerne in Ironie.
Foto: oh
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Zu einem eindeutigen Urteil über Ludwig Fels' ersten Roman "Die Hottentottenwerft" kann sich Rezensent Burkhard Müller nicht durchringen. Zwar entdeckt der Kritiker in dieser Erzählung über die kurze, aber gewalttätige deutsche Kolonialgeschichte einige lebendig und interessant geschilderte Figuren, die den Widerspruch zwischen zivilisatorischer Mission und Barbarei gelungen vor Augen führen. Leider muss der Rezensent aber auch feststellen, dass der österreichische Lyriker sich zum Ende seines Romans mit der Handlung übernimmt: Der Versuch, die grausame Geschichte mit Phantasmen a la Karl May zu verbinden, geht leider schief, schließt Müller.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2016

Seismograph wider Willen

Es ist die Geschichte einer tragisch endenden Flucht: Der junge Crispin Mohr, Kind armer Eltern, muss weit fort, um seine gewalttätige Familie zu vergessen. So meldet er sich 1903 freiwillig zur Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika und findet sich unversehens an einem der brutalsten Orte der Zeit wieder. "Die Hottentottenwerft" ist ein leidenschaftlicher Roman, eine Reise ins Herz der Finsternis und in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.

"Daran erkenne ich meine Pappenheimer", lässt Friedrich Schiller seinen Feldherrn Wallenstein sagen, der damit auf die fast schon schmerzhafte Loyalität und Wahrheitsliebe seiner Kavalleristen anspielt. Auch Crispin Mohr, der aus Pappenheim stammende Held in Ludwig Fels' existentiellem Abenteuerroman, ist im Tiefsten eine schillersche Figur: empfindsam, rebellisch und viel zu impulsiv. Es ist zivilisierter Wesen unwürdig, was Crispin an himmelschreienden Ungerechtigkeiten und überheblicher Grausamkeit jeden Tag sieht, doch weder seine Kameraden noch sein Vorgesetzter verstehen, warum er die meisten Befehle verweigert.

Ludwig Fels ist ein emphatischer Autor, dessen lakonische Dialoge von unterdrückten Emotionen vibrieren und dessen Landschaftsbilder so melancholisch wie expressiv sind. Man versteht angesichts der bedrohlich gleißenden Wüste unter giftgrünem Himmel, wie verloren sich die jungen Burschen in dieser unbarmherzigen Natur fühlen mussten. Als Crispin sich in die Enkelin eines Stammesfürsten verliebt und es wagt, sie menschlich zu behandeln, wird er, ohne es recht zu wollen, zum Feind seiner Truppe und findet sich auf Seiten der aufständischen Nama (holländisch "Hottentotten") wieder - die ihm gleichwohl misstrauen. Der Hottentottenaufstand erreicht im Frühjahr 1904 seinen Höhepunkt, und Crispin, der zwischen die Fronten gerät, wird zum Seismographen wider Willen. Wie ein Klagegesang liest sich der Roman, der aber in jeder Zeile auch Hymnus auf ein rätselhaftes, grausames und ungeheuerliches Leben ist.

nhb.

Ludwig Fels: "Die Hottentottenwerft". Roman. Verlag Jung & Jung, Salzburg 2015. 390 S., 24,90 [Euro].

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