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Benvolio Antonio Olivio Julio Toto Meo Ho Schmitt weiß Bescheid: Lea wird sterben. Dreimal darf er seine große Liebe treffen, beim vierten Mal kommt der Tod und steckt sie in seinen Stoffbeutel. Ben flieht. Unterwegs verliert er seine Namen und ohne es zu wollen nimmt er Einfluss: Er setzt Herrn May in Bewegung, verursacht den Weltuntergang hinter dem Spiegel und bringt seinen Vater auf die Insel. Und Ben stellt fest: Alleinbleiben ist gar nicht so einfach.Annika Scheffels Romandebüt ist verspielt und existenziell, märchenhaft heutig und zeitlos schön. Mit "Ben" ist ihr eine Figur gelungen,…mehr

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Produktbeschreibung
Benvolio Antonio Olivio Julio Toto Meo Ho Schmitt weiß Bescheid: Lea wird sterben. Dreimal darf er seine große Liebe treffen, beim vierten Mal kommt der Tod und steckt sie in seinen Stoffbeutel. Ben flieht. Unterwegs verliert er seine Namen und ohne es zu wollen nimmt er Einfluss: Er setzt Herrn May in Bewegung, verursacht den Weltuntergang hinter dem Spiegel und bringt seinen Vater auf die Insel. Und Ben stellt fest: Alleinbleiben ist gar nicht so einfach.Annika Scheffels Romandebüt ist verspielt und existenziell, märchenhaft heutig und zeitlos schön. Mit "Ben" ist ihr eine Figur gelungen, die uns, sind wir ihm einmal begegnet, noch lange begleiten wird. Und sie erzählt von ihm mit einer so klaren und zugleich berückend eigensinnigen Stimme, dass man ihr vom ersten Satz an verfällt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2012

Zorn und Wut und Haarausfall

Annika Scheffel lässt die Welt untergehen. Bringt die Grammatik zum Umsturz. Geht um ihre Sätze herum und schaut sich an, wie man es anders machen kann, damit etwas bleibt

So wird das sein, am nächsten Mittwoch, auf dem sogenannten Suhrkamp-Kritiker-Empfang in Frankfurt, in der alten Unseld-Villa. Da werden sie stehen mit ihren grauen Haaren und in ihren grauen Anzügen, genau an der Stelle des Parketts, an der man sie vor einem Jahr stehen ließ. Robert Walser wird aus seinem kleinen Goldrahmen herabsehen auf die Sektgläser in den Händen der Kritiker, auf den Notizblock in den Händen des Rainald Goetz, auf den Teppich, auf die Bücherregale, die sich langsam leeren in diesem toten Haus, auf das kleine Pult, den Dichterstuhl, auf dem schon Peter Handke saß und las und Siegfried Unseld und Giorgio Agamben und Alexander Kluge. Und dieses Mal wird da eine junge Frau Platz nehmen, mit roten Haaren, schwimmbadblauen Augen, leicht elfenhaftem Wesen, ihren sehr kleinen Sohn wird sie dabeihaben, und sie wird vom Untergang der Welt vorlesen.

"Bevor alles verschwindet", so heißt ihr neuer Roman, der erst im nächsten Frühjahr erscheint. Das Motto: "Gegen die verdammte Endlichkeit". Und wer schon einmal kurz vorab etwas darin lesen konnte, der weiß, dass Annika Scheffel darin herrlich und triumphal das Versprechen eingelöst hat, das sie mit ihrem ersten Buch "Ben", das vor zwei Jahren erschienen ist, gegeben hat. Ach, das war ja schon viel mehr als ein Versprechen. Es ging darin um die Liebe, die vergeht, um die Angst vor dem Tod, um den Kampf gegen ein Leben in Grau, um eine bessere Welt. Um alles also, vor allem um diesen Ben mit vielen Namen. Mit jeder Liebe, die er verliert, mit jedem Leben, das er abstreift, um weiterzuziehen Richtung Tod, verliert er einen dieser Namen. Am Ende bleibt nur Ben. Und eine Erinnerung an Glück.

Mittendrin las sich das so: "Er kann sein Glück nicht fassen, sie weicht noch aus und er auch, wenn man ehrlich ist, und das ist man. Mund zu Mund Verabschiedung und dann geht jeder seines Weges. Man sieht sich. Lapidar präsentiert sich die Nacht in ihrer ganzen Herrlichkeit." So klingt das. Annika Scheffels Prosa folgt einer eigenen Grammatik. Seufzergrammatik, wie Irmgard Keun das nannte, aber klarer die Worte, wie auf Glas geschrieben. Und sie, die Schriftstellerin, steht dann vor den Sätzen und verschiebt die Wörter, bis der Satz klingt wie eine kleine neue Welt. Ist einer krank und hat noch Hoffnung, dann klingt das zum Beispiel so: "Herr May, nachmittäglich im Bett, jedoch kurz vor dem Aufstehen, zählt die Schritte auf dem Flur und freut sich auf das nächste Mal, wenn sie von ihm stammen." Annika Scheffel geht um ihre Sätze einmal herum und schaut, ob sich die Welt von der anderen Seite öffnen lässt.

Sie schreibt gegen vieles an. Vor allem gegen die Zufriedenheit beziehungsweise gegen die Lethargie. Oder gegen das Gefühl ihrer Altersgenossen, sowieso nichts ausrichten zu können. Resignation wird abgelehnt, und zwar zack, zack: "Sie nehmen es hin, wie man Abschiede hinnimmt und Weltuntergänge und die Abendnachrichten und alles so an sich." Heißt es im neuen Buch. Scheffels Revolutionsgrammatik ist für ein solches Hinnehmen nicht gemacht. In "Ben" ging das so: "Gib mir Liebe, gib mir Hass und Zorn und Wut und Haarausfall, das ist doch alles nicht mehr nötig. Regt euch ab! - Ich will aber, ich will aber, ich will aber, schreit er. Ich will hier raus!"

Annika Scheffel hat einmal hier in dieser Zeitung über die Leute geschrieben, die so alt sind wie sie selbst, die sich ihren Idealismus nicht wegquatschen lassen wollen und die immer wieder tollen Momente in ihrem Leben auch nicht: "Dass sie Luxusärsche sind in ihrem mitunter undefinierten Wollen und sich dafür manchmal schämen. Dass sie alles richtig machen wollen, und zwar ohne Gebrauchsanweisung und am besten aus eigener Kraft. Dass sie sich selbst oft nicht folgen können und trotzdem dranbleiben. Dass sie träumen, auch wenn das als kitschig gilt, dass sie immer noch nach dem Neuen suchen, auch wenn es doch angeblich nichts gibt, dass es nicht . . . Dass sie auf jeden Fall glücklich sein wollen, und man hat ja nur eins davon, von diesem Leben."

Annika Scheffel hat Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen und in Bergen studiert. Da lernt man, wenn ich das richtig verstanden habe, Videos zu zerschnipseln und auf der Bühne zu stehen und zu "performen", so direkt schauspielern wird von den anwendenden Theaterwissenschaftlern eher verachtet. So ungefähr klingt es, wenn Annika Scheffel davon erzählt. Wir haben uns kurz getroffen, in Berlin-Moabit, zwischen Schloss Bellevue und Knast, in einem Café, das heißt tatsächlich "Coffee-Mamas", und es sind auch wirklich jede Menge Mamas darin und trinken Schaumcafés und haben ihre Minis auf dem Schoß. Auch Annika Scheffel ist mit einem kleinen Herrn auf dem Arm gekommen, er trägt eine lustige Mütze, ist noch kein halbes Jahr alt, aber schon sehr interessiert daran, Dinge umzuwerfen.

Das hat er vielleicht von seiner Mutter, um hier mal schnell und halbwegs elegant zu den Texten zurückzukehren. Grammatikumsturz ist jedenfalls das auffälligste Merkmal ihres Schreibens. Das kommende Buch liest sich fast so, als spiele es unter Wasser. Als habe jemand die Handlung in einen tiefen See verlegt, so ruhig und tieftönend und sich langsam ausbreitend liest sich das über weite Strecken. Wie gesagt: Vom Untergang ist hier die Rede. Eine kleine Welt, ein Dorf ist dem Untergang geweiht. Eine Talsperre wird errichtet, das Dorf wird geflutet. Eine Welt wird verschwinden. Noch ist sie da, noch stehen die Häuser, das Leben findet nicht unter Wasser statt, es klingt nur so, wenn die Menschen sprechen.

Und sie bewegen sich wie Taucher, so scheint es mir. Eine apokalyptische Gesellschaft ist da zusammengekommen. Das Schlimmste am Verschwinden von allem ist, dass die Vergangenheit des Ortes damit etwas Endgültiges bekommt. Zum Beispiel ist die Frau des Bürgermeisters abgehauen. Das ist schon Jahre her. Aber Herr Wacholder, so heißt der Bürgermeister, die Bürger nennen ihn Wacho, hat immer noch Hoffnung auf ein Wiedersehen. Sein schlechtes Leben könnte irgendwie noch gut ausgehen am Ende. Wenn jetzt die Flut alles verschlingt, sein bisheriges Leben, die Orte, an denen er glücklich war und elend, dann ist es eben vorbei für immer, und man kann auch nichts mehr korrigieren im Leben. Das ist eben vorbei, vorbei, für immer vorbei.

"Gegen die verdammte Endlichkeit", hat Annika Scheffel an den Anfang gesetzt. Einen komisch aussichtslosen Kampf kämpft sie da und kämpfen ihre Figuren. Ist es nicht gut, dass alles endlich ist? Ist das nicht die Formel für Glück? Vielleicht ja, vielleicht nein. Es gibt keinen Grund, sich festzulegen. Es ist eben nur so unglaublich schade, dass man in manche Momente seines Lebens nicht zurückkehren kann. Darum geht es hier. Und geht es nicht auch um den Klimawandel, um von Fluten verschlungene Küstenstädte, um die ganze Welt? Ja, klar geht es darum auch. Einen Moment hat man Angst, ob man dem leichtfüßigen Buch damit nicht eine zu große Last aufbürdet. Aber bürdet man nicht.

Am Anfang stand ein Bild, das erzählt sie eben noch bei den "Coffee-Mamas", die Erzählungen ihrer Großmutter von einem Dorf in Süddeutschland, das auf diese Weise verschwunden ist, von Häusern, die man mitnehmen konnte. Und von einem Friedhof, der blieb. Und von einem Totensonntag schließlich, als die alte Dorfgemeinschaft, es herrschte große Trockenheit, noch einmal an die Gräber ihrer Vorfahren zog. Ein Besuch im Totenreich, eine Möglichkeit, mit der niemand mehr gerechnet hatte. Für einen Moment standen sie inmitten ihrer Vergangenheit, bei den Toten.

Annika Scheffel kämpft ihren eigenen Kampf gegen die Vergänglichkeit. Einen Schriftstellerkampf auf ihre Art. Menschen, Leben, Liebe so beschreiben, dass sie währt. Dass sie lebendig bleibt und schön.

Das könnte lustig werden und überraschend lebendig, am Mittwoch bei Suhrkamps.

VOLKER WEIDERMANN

Annika Scheffels "Ben" erschien 2010 bei Kookbooks (269 Seiten, 19,90 Euro). "Bevor alles verschwindet" kommt im Frühjahr 2013 bei Suhrkamp heraus.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2010

Von einem, der auszog, das Fürchten zu verlernen
Keine Angst vor großen Gefühlen: In Annika Scheffels Debütroman „Ben“ kommt die Liebe, wenn der Wäscheständer fällt
Sieben Vornamen haben die Schmitts ihrem einzigen Sohn gegeben als „Abwehrzauber gegen alles, was grau war“ wie sie selbst. Ben – das ist eigentlich eine Untertreibung, in Wahrheit heißt er Benvolio Antonio Olivio Julio Toto Meo Ho, wobei Ho die Kurzform von Hosianna ist und die Freude der Eltern über die Geburt ihres Sohnes zum Ausdruck bringen sollte. Zugleich wollten sie damit ihr Kind anfeuern und auch sich selbst, denn Ben ist das einzig Aufregende, was ihnen im Leben passiert ist. Als Ben erwachsen ist und aus dem Haus, besteht dieses Leben darin, warme Sachen für den Jungen zu stricken und Marmelade einzukochen. Beides schicken sie ihm alle paar Wochen in die große Stadt, und „außerdem steckt immer noch ein wenig Verzweiflung in den Paketen“.
Anfeuerung könnte der überbehütete Ben in der Tat bestens gebrauchen, denn er „schwebt in der großen Gefahr, sein Leben zu verschlafen“. Mit den sieben Namen haben die Eltern ihn an überzogenen Ansprüche genagelt. Ben, dieser verwuschelte Oblomow aus der Männer-WG, ist auf der Flucht, vor dem Leben und vor der Liebe – und vor Lea, von der er schon weiß, dass sie die Liebe seines Lebens ist, bevor sie ihn beinahe mit dem Fahrrad überfahren hätte auf der Verkehrsinsel, in deren Gras er sich gelegt hat, damit sie ihn findet, woraufhin er sofort Reißaus nimmt. Denn Ben glaubt zu wissen, dass seine „riesengroße Liebe“ ihr den Tod bringt. In Wahrheit aber ist dieser von Lebens- und Bindungsangst verfolgte Kindmann mit den kunstvoll durchlöcherten Jeans auf der Flucht vor sich selbst, dabei „ist er im Grunde genommen zu alt für den Protest gegen die Flicken der Kindheit“. Und so muss Ben wie im Märchen erst allerhand Proben bestehen und sich mehrmals häuten, bevor die Geschichte von Lea und ihm beginnen kann. Von Kapitel zu Kapitel verliert er dabei einen seiner sieben Namen und also eines seiner Leben.
Zahlenmagie verdient in der Literatur normalerweise die Peitsche – die siebenschwänzige, versteht sich. Nicht so hier. „Ben“, das Debüt der 27-jährigen Annika Scheffel, ist ein wundersam verschwunschener Coming-of-Age-Roman, der sich als Erlösungsmärchen verkleidet hat. Nur, dass keine seiner Figuren an Erlösung glaubt, für die emblematisch der Kuss steht, der „immer die Lösung“ ist, „der Schlüssel“ zu allem. Denn der Kuss erzeugt jene Ausschließlichkeit reiner Gegenwart, welche die Gespenster der Vergangenheit zu bannen vermag. Auf einer Quest sind sie ja alle, und jeder hat unterwegs einen Menschen verloren (als der Arzt Ben fragt, was ihm fehlt, sagt er: Lea). Da ist der Postbote, der seine Frau sucht, die mit dem Fischhändler davongelaufen ist, Herr May, dessen dritte Zähne sein bester Freunde sind, weshalb er sie Franz nennt. Bens Vater verlor angeblich seinen Daumen, als er zum ersten Mal die Arme nach seiner Frau ausstreckte, und Leas Mutter ließ, selbst verlassen, ihr Kind im Stich, um fortan, nur mit Plastiktüten bekleidet, umherzuirren, als würde sie zu Staub zerfallen, wenn sie sich nicht in Folien hüllt. Und selbst der Tod in seinem Gummiboot, der ab und zu ein Leben in seinen Stoffbeutel steckt, ist „auf der Suche nach Anschluss an alles, was atmet“.
Und Lea, die so gerne Fahrrad fährt und die Picknickdecke ausbreitet? Immer mit dem falschen Mann taumelt sie durch die Nächte und beißt sich daheim die Nägel herunter. „Zu viel Rotwein trinken, sich in der Ausdruckstanzphase im Kreis drehen und vielleicht auch später an der kollektiven Weltschmerz-Selbstmitleid-Elegie teilnehmen“ – einen anderen Lebensplan hat sie vorerst nicht. Auch sie braucht einen „Schubs“ vom Schicksal, um endlich aufzuwachen, selbst wenn dieser Schubs sie ins Krankenhaus befördert, nachdem sie Bens Vater vors Auto gelaufen ist.
Die Angst vor der Niederlage, sie ist hier schon die Niederlage selbst, und so wird für den flügellahmen Nestflüchter Ben der banale Alltag zum unüberwindlichen Hindernis, der Wäschehänger im Flur zum feuerspeienden Drachen, und als die reale Welt ihm alle Fluchtwege abgeschnitten hat, steigt Ben durch den Spiegel in die Gegenwelt des Märchens und hebelt mit seiner Mutlosigkeit die Gesetze des Genres aus. Anstatt die Prinzessin aus dem Turm zu befreien, stellt er das Happy End in Frage und stürzt ab, dabei spielt sich in Märchen „das wahre Leben ab“, und „übertreiben ist gar nichts“, denn das Glück ist „auf den ersten Blick und die einfachste Lösung und das älteste Klischee gebaut“.
Der angstgelähmte Gefühlskrüppel Ben humpelt weiter bis ans Meer. Erwünscht sich „eine Glücksgarantie“ und weiß doch, „auf Lebensgeschichtenkopien bekommt man einen Mengenrabatt“. Und beim Warten auf die perfekte Welle rauscht das Leben an ihm vorbei.
Als Generationenporträt wäre das alles nicht sonderlich originell, gäbe es neben dem Lebensgefühl „trauriger Freiheit“ und der immer virulenten Krankheit der Jugend nicht den Mut zum großen Gefühl und einen eigenwilligen Sprachwitz, der dem Roman einen ebenso frischen wie fremden Ton verleiht. So schreibt Scheffel über ihre Titelfigur, „wie alt können junge Männer werden, ohne alt zu sein?“ Der lapidare Aplomb ihres Erzählens, die schalkhafte Nonchalance dieser so zart versponnen, verspielten und doch unsentimentalen Poesie kühlen all das Prinzessinnenpathos und die Blutromantik immer wieder herunter. Im Kopf fährt das Leben „nicht Karussell, eher Kaleidoskop“ heißt es einmal im Buch, das damit sein Prinzip offen legt. Annika Scheffel tappt eben nicht in die Falle der Lebenslähmung, die sie schildert. Als Autorin entwindet sie sich mit Phantasie und schönem Trotz den Ketten der bleiernen Realität .
„Wer glaubt an Märchen, an den Weihnachtsmann, den Osterhasen? Wer denkt, dass der Tod Zeit hat, jeden persönlich abzuholen? Wer wird denn hier von Wundern sprechen? Wer guckt noch um die Ecke, wenn man alles auf einen Blick und von oben ganz toll sehen kann? Wer macht sich die Mühe, irgendwo hinzufahren? Wer läuft weg, wenn ohnehin niemand was merkt? Wer fragt wen nach was und warum auch überhaupt?“ All diese Fragen fordern zum Widerspruch heraus, im Grunde verbirgt sich dahinter das emphatische Plädoyer, sein Herz in die Hand zu nehmen. Oder so: „Gib mir Liebe, gib mir Hass und Zorn und Wut und Haarausfall.“ Ein Hosianna auf dieses Debüt. CHRISTOPHER SCHMIDT
ANNIKA SCHEFFEL: Ben. Roman. Kookbooks, Reihe Prosa, Band 12. Berlin 2010, 272 Seiten, 19,90 Euro.
„Wie alt können junge Männer werden, ohne alt zu sein?“ fragt Annika Scheffel in ihrem ersten Roman und glaubt doch, trotz trauriger Freiheit und kollektiver Weltschmerz-Elegie, an den Märchenprinzen, der im lebensmüden Kindmann von heute steckt. Denn „ein Kuss ist immer die Lösung“.
Foto: Jens Gyarmaty
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensentin Andrea Lüthi hat Gefallen gefunden an diesem unkonventionnellen Debütroman von Annika Scheffel, dessen skurriles Personal sie sehr charmant zu finden scheint: Benvoglio Antonio Olivio Julio Toto Meo Ho Schmitt ist der Held des Ganzen, und weil ihm geweissagt wurde, dass er seiner großen Liebe viermal im Leben begegnen wird, bis sie stirbt, gerät er ein wenig aus der Bahn. Aber auch die anderen Personen - seine grauen Eltern, die Plastiktütenfrau und der alte Herr May - sind eher hilflos in die Welt geworfen. Lüthi wundert es also gar nicht, dass irgendwann der "sanfte Tod im gelben Gummiboot" kommt und eine Figur "in seinen Stoffbeutel" steckt.

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