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Zum 250. Geburtstag von Johann Friedrich Cotta am 27. April 2014: Die erste umfassende Biographie Cottas, des wichtigsten deutschen Verlegers der deutschen Klassik, und zugleich die Geschichte seines Verlages.Man nannte ihn den »Napoleon des deutschen Buchhandels«. Johann Friedrich Cotta, ein Jurist mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Interesse und Talent, war ein Quereinsteiger: 1787 kaufte er die Tübinger J. G. Cotta`sche Buchhandlung von seinem Vater und machte in wenigen Jahren mit Genie und Tatkraft aus einem provinziellen Universitätsverlag den bedeutendsten Universalverlag seiner…mehr

Produktbeschreibung
Zum 250. Geburtstag von Johann Friedrich Cotta am 27. April 2014: Die erste umfassende Biographie Cottas, des wichtigsten deutschen Verlegers der deutschen Klassik, und zugleich die Geschichte seines Verlages.Man nannte ihn den »Napoleon des deutschen Buchhandels«. Johann Friedrich Cotta, ein Jurist mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Interesse und Talent, war ein Quereinsteiger: 1787 kaufte er die Tübinger J. G. Cotta`sche Buchhandlung von seinem Vater und machte in wenigen Jahren mit Genie und Tatkraft aus einem provinziellen Universitätsverlag den bedeutendsten Universalverlag seiner Zeit. Herzstück war der »Klassikerverlag« mit den Werken Goethes und Schillers, dazu verlegte er über 60 Zeitungen und Zeitschriften und betrieb einen Kunst- und Landkartenverlag. Mit großzügigen Honoraren und zukunftsweisenden Verträgen war er ein Vorkämpfer der Autorenrechte. Er wirkte für Reformen des Buchhandels und agierte als »Deputierter« des deutschen Buchhandels auf dem Wiener Kongress gegen den »Nachdruck« und für »Pressfreiheit«.Cottas Biographie wird hier zum ersten Mal umfassend aus den Quellen erzählt. Sie zeigt mit großem psychologischen Einfühlungsvermögen den Verleger, Unternehmer und Politiker als exemplarische Gestalt in einer Umbruchszeit, in der so gut wie alle Institutionen und Traditionen ins Wanken kamen und auf allen Gebieten Neuland betreten wurde. Cotta war ein Pionier der öffentlichen Meinung, der deutschen »Nationalliteratur« wie der wissenschaftlichen und industriellen Revolution. Gleichzeitig wird aber auch ein kritischer Blick auf Cottas komplizierten, von Eitelkeit und mancher inneren Unsicherheit geprägten Charakter geworfen.
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Autorenporträt
Bernhard Fischer, geb. 1956, war von 1992 bis 2007 Leiter des Cotta-Archivs im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Seit 2007 ist er Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in der Klassik Stiftung Weimar. Arbeitsschwerpunkte sind die Literatur des 18.-20. Jahrhunderts sowie die Verlags- und Buchhandelsgeschichte der Goethezeit.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als glänzenden Beitrag zur Kulturgeschichte der Goethe-Zeit bezeichnet Alexander Košenina Bernhard Fischers quellensattes Unternehmerporträt des Verlegers Johann Friedrich Cotta. Daran, dass Fischer als Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar und ehemaliger Leiter des Cotta-Archivs in Marbach das nötige Wissen mitbringt für so ein Unternehmen, hat Košenina keinen Zweifel. So umfangreich die vorliegende Biografie ist, so überraschend flüssig geschrieben kommt sie laut Rezensent daher und lässt ihn "buchgeschichtlich" Feuer fangen. Über Bleisatz und Handpresse und Feilschen um Bogenhonorare und Vorschüsse zu Goethes Zeiten erfährt Košenina Aufschlussreiches und lernt, wie Büchermachen und Dampfschiffahrt, Hotelgewerbe und Börsengeschäfte und politisches Engagement in der Person Cottas zusammenkamen. Dass der Autor es dabei nicht belässt, sondern funktionsanalytisch die Mechanismen frühmodernen Wirtschaftens freilegt, gefällt dem Rezensenten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.05.2014

Die
Cotta-Kultur
Nahezu napoleonisch: Johann Friedrich Cotta
in Bernhard Fischers epochaler Biographie
VON GUSTAV SEIBT
Als man Johann Friedrich Cotta (1764 bis 1832) den „Napoleon unter den Buchhändlern“ nannte, da konnte man noch glauben, der Kaiser der Franzosen führe Europa in eine neue Ordnung des Friedens und des bürgerlichen Rechts. Denn eigentlich hatte der Verleger Goethes, Schillers, Herders, Hölderlins, zu Zeiten auch Fichtes, Kleists, Wielands und vieler, vieler anderer wenig von einem Usurpator, der mit Gewalt, blitzschneller Entschiedenheit und oft mit Tücke einen Kontinent unterwarf. Der Vergleich stammt von Friedrich Buchholz, damals ein Star der zeithistorischen Theoriebildung, heute fast vergessen. Und Buchholz war preußischer Napoleon-Anhänger, er erhoffte sich eine neue Festlandsordnung von dem modernsten aller Diktatoren.
  Cottas Geschäftsgebaren allerdings blieb streng rechtlich, auf persönlichen Kredit gebaut, immer realistisch kalkuliert; zugleich gehört seine Gestalt unbedingt in diese große Epoche von bürgerlichem Aufbruch und sieghafter Beschleunigung. Cotta hat die deutsche Öffentlichkeit in der fruchtbarsten Phase der deutschen Literatur und Philosophie innerhalb weniger Jahre aufgerollt und neu organisiert. Will man heute näherliegende Vergleiche wählen, müsste man ihn als den Augstein, Unseld, Joachim Fest, möglicherweise Axel Springer der Goethe-Zeit bezeichnen, und zwar in Personalunion, denn er war alles zusammen: Presse-Zar, Buchverleger, Feuilleton-Erfinder, Talent-Entdecker, Schöpfer neuer publizistischer Formate für alle Stände.
  Und um die napoleonische Unglaublichkeit dieser Unternehmer-Figur noch zu steigern: Er war auch ein erfolgreicher Politiker, der sich führend an den Verfassungskämpfen seiner württembergischen Heimat beteiligte, dafür sogar mit den Vertretern des revolutionären Frankreich Intrigen spann und später, beauftragt nur von sich selbst, einen Zollvertrag zwischen Preußen und den süddeutschen Königreichen Bayern und Württemberg zustande brachte, und zwar in direkten Verhandlungen nicht nur mit den zuständigen Ministern, sondern auch mit den Königen Ludwig, Wilhelm, Friedrich Wilhelm selbst, die er mit Entschiedenheit und List auf die Straße des Fortschritts drängte – der Buchhändler Cotta an der Tafel des Königs, das war im Berlin des Jahres 1829 immer noch öffentliches Aufmerken wert, obwohl der Buchhändler längst bayerischer Freiherr von Cottendorf geworden war und in der württembergischen Ständekammer zu Zeiten den Vorsitz führte.
  Es versteht sich, dass dieser Mann schon auf dem Wiener Kongress 1814/15 als bestellter Vertreter des deutschen Buchhandels für dessen Belange, Pressefreiheit, Sicherung des geistigen Eigentums, freien „Geistes-Verkehr“ und Urheberrecht, kämpfte – mit weniger Erfolg, als es im Zeitalter der Industrialisierung auch des Buch- und Zeitungsdrucks eigentlich nötig gewesen wäre. Denn natürlich war Cotta der erste, der auf dem Kontinent die mit Dampf betriebene Schnellpresse einführte, die die gesamte Auflage einer Tageszeitung mit 4 736 000 Drucken in unglaublichen dreieinhalb Stunden auswerfen konnte – dafür hatte man zuvor sechs Handpressen je 7 Stunden und 12 Minuten bedienen müssen. Aber damals, 1822, hatte Deutschland immer noch keine einheitlichen Gesetze gegen Nachdruck, eine Ungleichzeitigkeit zwischen den Produktivkräften (der Technik) und den Produktionsverhältnissen (dem Eigentumsrecht), die uns heute wieder vertraut erscheint.
  Aber nicht einmal das beschreibt den Umfang von Cottas Geschäften vollständig. Denn dieser hagere, rastlose Mann war auch Großunternehmer, der ein aufgehobenes Kloster zu einem Luxus-Hotel im aufstrebenden Kurort Baden-Baden umbaute, der die Dampfschifffahrt auf dem Bodensee und am Rhein mit einer Aktiengesellschaft etablierte und der daneben, zur Sicherung des Kapitals, noch drei große Grundherrschaften bewirtschaftete – mit am Ende bedenklichen Folgen für die Liquidität nach einem Finanzkrach.
  All das war umrisshaft bekannt, es gab summarische Lebensschilderungen, Geschichten des Cottaschen Verlags, Briefeditionen, vor allem eine exzellent kommentierte Ausgabe seines Briefwechsels mit Goethe, eine gute politische Doppelbiographie von Cotta und seinem jakobinischen Bruder, Briefe an Cotta und einige Ausstellungskataloge. Aber jetzt kommt die große Materialbiographie pünktlich zum 250. Geburtstag, die Bernhard Fischer erarbeitet hat, der, bevor er 2007 Direktor des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar wurde, fünfzehn Jahre lang das Marbacher Cotta-Archiv, den Nachlass des Verlagshauses also, verwaltete und in zahlreichen Einzelstudien und Repertorien erschlossen hatte. Diese Zeit hat er sehr gut genutzt, denn was jetzt herauskommt, ist eine fast selbst cotta-haft titanisch anmutende Forschungsleistung, der Goethe das Prädikat „napoleonisch“ möglicherweise nicht versagt hätte. Es ist heute selten, dass ein Werk der Geschichtswissenschaft so durchgehend auf den primären Quellen und nicht aus zweiter Hand kommt.
  Wenn Fischer die zeithistorischen Hintergründe – Revolutions- und Befreiungskriege – zusammenfasst, kann er selbstverständlich auf die Allgemeine Zeitung des Cotta-Verlags, die seit 1798 erscheinende beste überregionale Tageszeitung der deutschen Klassik verweisen; geht es um ästhetische Debatten, dann hat man mit den „Horen“ oder dem „Morgenblatt für gebildete Stände“ samt angeschlossenen Kunst- und Literaturblättern solide Quellen, die meist selbst Akteure der Entwicklungen waren. Technik-Jahrbücher, philosophische Zeitschriftenvorhaben, Jahrbücher aus England, Frankreich, Italien erschließen die Welt von Fortschritt, Handel und Reisen.
  Das Netz der meist gar nicht edierten Korrespondenzen reicht in alle Hauptstädte, Residenzen, Universitäten, an die Schreibtische der Genies und der hektischen Lohnschreiber und bis zu den Kanzleien der Minister Hardenberg, Humboldt, Metternich, Talleyrand, Gentz, Montgelas, Wangenheim, Motz. Die Geschäftsbücher enthüllen die Ökonomie der Klassik, und hier zeigt sich: Entgegen allen Walter-Benjamin-Klischees von „Glück ohne Glanz“ und „Ehre ohne Ruhm“ wurde hier durchaus ins Große gerechnet und geplant. Wieland, von geizigen Verlegern in Sachsen klein gehalten, fragte sich, wie Cotta das Manuskript von „Menander und Glyceria“ „ohne seinen Schaden so theuer kaufen kann“. Dabei erweist die Kalkulation, dass schon bei einer Auflage von 2000 die Kosten von 2000 Gulden, darunter ein Honorar von 1000 Gulden, überreich eingespielt wurden, mit 3600 Gulden Einnahmen.
  Das Heruntersteigen in den finanziellen Maschinenraum ist möglicherweise das, was am meisten Spaß macht in diesem Buch (getrübt freilich durch die Abwesenheit einer Währungstabelle, die ein kluger Verleger hier als eingelegten Pappendeckel beigefügt hätte – aber Wallstein ist eben nicht Cotta). Jean Pauls umfangreiche „Flegeljahre“, eine teure Investition, erforderten 3000 Gulden Honorar bei sonstigen Kosten von 1200, was Gestehungskosten verursachte, die hier mit 1000 Stück gerade gedeckt wurden – für ein mehrbändiges Werk so prekär, dass Cotta von Verlängerungen Abstand nahm und die Auflage folgender Bände halbierte. Schillers „Wallenstein“ brachte im Jahr 1800 bei einer Auflage von 3500 Exemplaren und einem Honorar von 2046 Gulden einen Reingewinn von 2755 – ein glänzendes Ergebnis, das das starke Interesse von Nachdruckern erklärt, die man seufzend mit billigen Sonderausgaben unterbieten musste. Dabei muss man wissen, dass ein „Wallenstein“ für 1 Gulden und 30 Kreuzer damals ein Luxusartikel war, für den ein Handwerker anderthalb bis zwei Tage arbeiten musste.
  Damit sind auch die Auflagenhöhen und Umlaufzahlen halbwegs dimensioniert: Sie bewegten sich für die schöne und wissenschaftliche Literatur eher im niedrigen als im hohen vierstelligen Bereich, doch selbst bei dreistelligen Verkäufen von elitären Produkten wie den Schillerschen „Horen“ kam Cotta kaum in die roten Zahlen. Die Cash-Cow des Verlags, die Allgemeine Zeitung , lag Tag für Tag um die 4000 Exemplare – man bedenke die enorme Logistik des Vertriebs an Abonnenten im ganzen Reich! – und erbrachte jährlich etwa 20 000 bis 30 000 Gulden feste Einnahmen. Als Cotta ab 1827 das Großunternehmen von Goethes „Ausgabe letzter Hand“ in 40 Bänden stemmte, setzte er die etwa 465 Buchhändler des Deutschen Bundes mit einem ausgeklügelten Rabattsystem unter Druck: Wer 10 Exemplare des Riesenwerks absetzte, bekam 1 Exemplar gratis, mit Steigerungen bis zu 10 Rabattexemplare ab 50 verkauften Stück. Allerdings schafften es überhaupt nur 70 Buchhändler über die 50 Exemplare zu kommen.
  Goethes Werkausgabe war ein rechtlich aufwendig gesichertes und mühsam ausgehandeltes Großunternehmen, das schon für sich Cottas politische Interessen an einem großen deutschen Rechts- und Handelsraum erklärt. Wenn die Zensur nach den „Karlsbader Beschlüssen“ die Allgemeine Zeitung in Österreich verbot, dann brachen in Stuttgart die Einnahmen ein. Wenn der junge Star Heinrich Heine in seinen Berichten aus Paris erst den bigotten Adel und dann das raffgierige „juste milieu“ in die Tonne trat, wer sollte denn dann die Welt überhaupt regieren, um dem Genie zu gefallen, fragte verzweifelt Friedrich von Gentz aus der Wiener Hofkanzlei, der Heines Brillanz literarisch durchaus zu würdigen wusste. Cotta kam nicht darum herum, den Pariser Korrespondentenspuk wieder abzustellen.
  Alles ist hier interessant: Das Feuilleton braucht mehr weibliche Führungskräfte? Bitte sehr: Therese Huber, vormals verheiratete Forster, ist eine unerbittliche „Redaktrice“ im „Morgenblatt“, wo sie Einsendungen des spitzzüngigen Börne allerdings so durchgreifend bearbeitet, dass dieser die Zusammenarbeit mit der „Morgenblattlaus“ empört wieder einstellt. Zensur und Nachdruckunwesen sind zwei Seiten politischer Malaisen, die man sich nicht zu eindeutig vorstellen sollte: Kleinstaaterei behinderte Buchhandel und Urheberrecht, erlaubte aber auch, illiberale Presseregime zu unterlaufen. Wenn die Zensur in Württemberg zuschlug, verlegte man die Redaktion eben nach Bayern. Die politischen Umstände hatten immer dramatische Auswirkungen auf die Verlagsökonomie. Womit machte Cotta zu Zeiten die größten Umsätze? Mit französischen Sprachenlehren, die in der napoleonischen Zeit eine Auflage von unglaublichen 76 500 Exemplaren erreichten, „eine Auflagenhöhe“, so Fischer, „wie es sie bis dahin nur im Bibel- und Gesangsbuchdruck gegeben haben dürfte“.
  Das Wort „Hegemonie“ bekommt in solchen Auswirkungen vom Fremdsprachenerwerb für eine auswärtige Großmacht eine beträchtliche Anschaulichkeit. Und doch war Napoleon für den Napoleon der Buchhändler auf Dauer nicht gut: Er brachte den Buchhandel zum Erliegen, nicht nur wegen der endlosen Kriege und der Verarmung des Publikums, sondern auch durch die schärfste und weitgespannteste Zensur, die es auf deutschem Boden vor 1933 gegeben hat. Cotta, der als Erbe eines pietistischen Universitätsverlags in Tübingen klein angefangen, mit vierzig zum wichtigsten Verleger Europas überhaupt geworden war, stieg zwar auf in adelige Führungsschicht, aber er blieb ein großbürgerlicher Liberaler, der auch ohne seine unternehmerischen Großtaten in Erinnerung bliebe. Er hat für Gleichberechtigung der Juden gefochten, was ihm Heine nie vergaß, und wurde als Vertreter der Freiheit von Presse und Verkehr ein Anhänger des moderneren Preußen gegen Österreich, weil er an die Unabhängigkeit der süddeutschen Kleinstaaten nicht zu glauben vermochte. Also gehört Cotta mit seiner späten Kriegs- und Revolutionsfurcht auch in die Vorgeschichte der kleindeutschen Einigung.
  Der Literaturgeschichte hat er vor allem den Typus der genetischen, zu einem „Bildungsgang“ geordneten Klassiker-Ausgabe hinterlassen, den er mit Körners Hilfe zuerst an Schiller entwickelte. Wäre Goethes „Dichtung und Wahrheit“ ohne diesen Vorlauf geschrieben worden? Noch die oft zitierte Maxime des Suhrkamp-Verlags, der nicht Bücher, sondern Autoren verlegen will, geht auf Cottas Strategie zurück, nicht einzelne Titel einzuwerben, sondern so früh wie möglich Genies unter Vertrag zu nehmen, gleichgültig, ob ihre ersten Arbeiten sofort Gewinn abwerfen würden. Ja, geschätzte Autoren durften sich ihr Honorar selbst zuschneiden, dann begann Cotta mit seinen Kalkulationen, die mit Gewinnbeteiligungen nach verkauften Auflagen die Schriftsteller zu Mitverlegern machten. Und so darf man die deutsche Klassik auch einfach als „Cotta-Kultur“ beschreiben, wenn es darum geht, ihre Ökonomie, ihren politischen Unterbau und ihren enormen Erfolg zu verstehen.
  Bernhard Fischer hat zweifellos ein epochales Werk vorgelegt; es hält jeder Genauigkeitsstichprobe im augenpulvrig klein gedruckten Anmerkungsapparat stand, es ist auch durchweg zupackend geschrieben. Und doch sollte sich der Leser angesichts einer erdrückenden Fülle von Einzelheiten auf eine arbeitsame Lektüre gefasst machen. Gut beraten ist man, sich mit einem ausführlichen Geschichtsbuch zur Begleitung zu munitionieren (und sei es der alte Treitschke), um den Windungen der deutschen Tagespolitik zwischen Bonaparte und der Juli-Revolution so genau zu folgen, wie sie hier vorausgesetzt werden.
Bernhard Fischer: Johann Friedrich Cotta. Verleger – Entrepreneur – Politiker. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 967 Seiten, 49,90 Euro.
Cotta kämpfte um Urheberrecht
und „freien Geistes-Verkehr“
auf dem Wiener Kongress
Die Geschäftsbücher enthüllen die
Ökonomie der Klassik, hier wurde
ins Große gerechnet und geplant
Der Literaturgeschichte hat er
den Typus der genetischen
Klassiker-Ausgabe hinterlassen
Johann Friedrich Cotta, gemalt von Karl Jakob Theodor Leybold im Jahr 1824.
Foto: DLA-Marbach
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2014

Die Buchhändler sind alle des Teufels
Bernhard Fischers Monumentalwerk über den Verleger Johann Friedrich Cotta

In seinen Briefen "Über die Buchmacherei" charakterisiert Immanuel Kant die Buchbranche als nicht unbedeutenden Erwerbszweig, der inzwischen zu einer "Industrie" aufgestiegen sei. Hinter der "fabrikenmäßigen" Produktion stecke eine nie da gewesene "Verlagsklugheit", die mehr auf den Markt als den Wert und Gehalt achte. Verkörpert werde sie vom "Director einer Fabrik", der durch gedruckte "Neuigkeit oder auch Skurrilität des Witzes" dem Publikum etwas "zum Angaffen und zum Belachen" vorlege. Kants Begriffe sind zwar markig, weil er damit den satirisch gegen ihn zu Felde ziehenden Großbuchhändler Friedrich Nicolai in Berlin treffen wollte, seine Analyse verliert dadurch aber nichts an Treffsicherheit.

Das mit raffinierter "Verlagsklugheit" organisierte Buch- und Zeitschriftenimperium Nicolais wird tatsächlich erst eine Generation später überboten: Johann Friedrich Cotta, der "Napoleon unter den Buchhändlern", gelangt mit den Autoren der deutschen Klassik zur Marktführung. Bei ihm erscheinen sie alle, in beispielloser Geschlossenheit über Feindeslinien hinweg: Neben den Klassikern Goethe, Herder, Hölderlin, Humboldt, Schiller, Wieland sind es die romantischen Idealisten Hegel, Fichte, Schelling und Schlegel, aber eben auch Unterhaltungstalente wie Jean Paul, Klingemann oder Kotzebue. Alles steht und fällt mit diesem einmalig integrierenden Mann, der 1787 mit dreiundzwanzig Jahren die noch kleine Handlung vom Vater übernimmt und zu einer Blüte führt, die sein Sohn Georg später nicht mehr erhalten kann. Solche schwierigen Generationswechsel erleben wir noch heute in einer mediengeschichtlich ähnlich rapiden Umbruchszeit.

Bernhard Fischer, der Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar, hat diese Persönlichkeit zu ihrem 250. Geburtstag nach allen Regeln der Kunst porträtiert. Niemand anderes hätte das so gekonnt, denn Fischer leitete fünfzehn Jahre das Cotta-Archiv in Marbach, erstellte dort eine opulente dreibändige Bibliographie der Verlagsproduktion und war Herr über 4500 Briefe Cottas sowie sechsmal so viele Gegenbriefe, Geschäftsbücher und Dokumente. All das bildet die Grundlage für diese zwar abschreckend dicke, dann aber überraschend flüssig und geschickt verfasste Biographie. Wer jetzt dank Dominik Grafs Film "Die geliebten Schwestern", der einige wunderbare Szenen in Cottas Tübinger Werkstatt bietet, buchgeschichtliches Feuer gefangen hat und mehr über die verschwundene Kultur von Bleisatz, Handpresse und Bogendruck erfahren möchte, vertiefe sich in dieses verschwenderisch auskunftsfreudige Buch.

Es bedient nicht nur bibliophile Neigungen und Interessen an dem nach 1800 mit der Dampfschnellpresse grundlegend umstrukturierten Buchmarkt, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zu den aktuellen Diskussionen um digitale Bibliotheken, gefährdete Autorenrechte und globale Marktregentschaft. Denn davor liegen die von Kant bezeichneten Probleme "fabrikenmäßiger" Buchmacherei der Ära Cotta, etwa die Seuche unrechtmäßiger Nachdrucke, das Feilschen um Bogenhonorare und Verwertungsrechte, Vorschüsse und Subskriptionen oder das politische Kalkül mit Privilegien und Zensur. Kein Autor beherrschte diese taktischen Spiele besser als Goethe, der mit seiner Ausgabe letzter Hand das einzigartige Spitzenhonorar von 65 000 Talern erzielte und sich die Privilegien in allen deutschen Territorien sicherte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, auf die Branche insgesamt zu schimpfen und sich eine "eigene Hölle" für die Buchhändler zu wünschen, die "alle des Teufels" sind.

Fischers Buch geht über eine Literatur- und Buchhandelsgeschichte jedoch entschieden hinaus. Er entwirft das Bild eines modernen Unternehmers, der zugleich in die Landwirtschaft, ins badische Hotelgewerbe, in die Donau-, Rhein- und Bodensee-Dampfschifffahrt, in Papier- und Maschinenfabriken investiert - und leider auch in Börsengeschäfte. Zugleich ist er politisch höchst aktiv, als Unterhändler im nachrevolutionären Paris, als Mitglied im württembergischen Landtag, als Deputierter auf dem Wiener Kongress. Dieses Engagement untermauert der Zeitungsverleger, etwa mit der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" als einem bürgerlichen Leitmedium. Kulturzeitschriften wie Schillers "Horen" oder das "Morgenblatt für gebildete Stände" erreichen demgegenüber nur kleine Eliten. Überall wird gerechnet und kalkuliert, der sprichwörtliche schwäbische Geist neigt im Falle Cottas aber auch zur Gemeinnützigkeit, etwa im Kampf gegen die Leibeigenschaft oder für die Armen- und Hungerhilfe.

Was als Verlagsgeschichte beginnt, entfaltet sich im Verlauf dieses Buches zu einem exemplarischen Unternehmerporträt des industriellen Zeitalters. Entscheidend sind dabei die politischen Verflechtungen, die gigantischen Netzwerke, die branchenübergreifende Investitionsbereitschaft. Dem inneren Räderwerk des Kapitalismus, das Emile Zola in seinem Börsenroman "L'argent" plakativ entfaltet, verleiht Fischer eine bis ins Detail ausbuchstabierte Funktionsanalyse. Zolas Hauptfigur Saccard ist ein gerissener Zocker, Cotta hingegen ein diskreter, vorsichtiger Wirtschaftskapitän. Dessen strategische Ziele und kalkulierte Entscheidungen entlockt Bernhard Fischer einem riesigen handschriftlichen Quellenfundus. Nur durch solche Beharrlichkeit sind die geheimen Mechanismen frühmodernen Unternehmertums aufzudecken. Mit dieser faktenreichen voyage intérieur gelingt Fischer ein glänzender Beitrag zur Kulturgeschichte der Goethe-Zeit.

ALEXANDER KOSENINA

Bernhard Fischer: "Johann Friedrich Cotta". Verleger - Entrepreneur - Politiker.

Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 967 S., Abb., geb., 49,90 [Euro].

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»ein glänzender Beitrag zur Kulturgeschichte der Goethe-Zeit« (Alexander Kosenina, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.11.2014) »ein grundgelehrtes und gut lesbares Buch« (Harro Zimmermann, Die Literarische Welt, 28.04.2014) »bestechend in der Materialfülle und stark auch in der Vermittlung des riesigen Stoffs« (Klaus Bellin, Neues Deutschland, 26.04.2014) »eine herausragende Biografie« (Werner Birkenmaier, Stuttgarter Zeitung, 23.04.2014) »Goethes Verlegerteufel« (Thomas Mayer, Leipziger Volkszeitung, 28.04.2014) »ein Standardwerk aller künftigen Cotta-Forschung« (Iwan-Michelangelo D'Aprile, H-Soz-Kult, 10.02.2016) »ein großartiges Buch« (Rudolf Stöber, Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 17/2015) »Diese Biographie (...) war seit Jahrzehnten ein Desiderat, nun liegt sie vor und wird ein Standardwerk werden« (Uwe Fliegauf, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 2016)