Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 3,50 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Sol Nazerman ist der Pfandleiher von Spanish Harlem. Sein Laden ist ein Umschlagplatz für verlorene Träume und verpfuschte Leben. Abends fährt er zurück nach Mount Vernon, wo er zusammen mit seiner Schwester, ihrem Mann und ihren Kindern lebt, die er mit den Erträgen seines Geschäfts unterstützt. Sol ist dem Holocaust entkommen - anders als seine Frau und Kinder. Er musste miterleben, wie sie im Konzentrationslager ermordet wurden. Emotional abgestumpft beobachtet er die Verzweiflung, die ihn umgibt, und führt seine Pfandleihe mit der Härte und Verschlossenheit eines Gangsters. Erst ein…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Sol Nazerman ist der Pfandleiher von Spanish Harlem. Sein Laden ist ein Umschlagplatz für verlorene Träume und verpfuschte Leben. Abends fährt er zurück nach Mount Vernon, wo er zusammen mit seiner Schwester, ihrem Mann und ihren Kindern lebt, die er mit den Erträgen seines Geschäfts unterstützt.
Sol ist dem Holocaust entkommen - anders als seine Frau und Kinder. Er musste miterleben, wie sie im Konzentrationslager ermordet wurden. Emotional abgestumpft beobachtet er die Verzweiflung, die ihn umgibt, und führt seine Pfandleihe mit der Härte und Verschlossenheit eines Gangsters. Erst ein dramatischer Einbruch in die Gleichförmigkeit seiner Tage löst seine Erstarrung und lässt ihn vielleicht einen ersten Schritt zurück ins Leben machen. Edward Lewis Wallants wichtigstes Buch ist eines der bewegendsten Werke der modernen Literatur.
Autorenporträt
Wallant, Edward Lewis
Edward Lewis Wallant wurde 1926 in New Haven, Connecticut, geboren. Nach dem Kriegsdienst studierte er in New York Gestaltung und arbeitete in der Werbung. Mit »The Human Season« (1960) und »Der Pfandleiher« (1961) zählte er rasch zu den bedeutendsten Autoren seiner Generation - neben Philip Roth, Norman Mailer und Saul Bellow. Noch vor Veröffentlichung seines dritten Romans »Mr Moonbloom« verstarb er überraschend, mit nur 36 Jahren, an einem Gehirnschlag.

Schaden, Barbara
Barbara Schaden arbeitete nach dem Studium der Romanistik und Turkologie als Verlagslektorin und ist heute Übersetzerin, u.a. von Patricia Duncker, Edward Lewis-Wallant, Kazuo Ishiguro und Nadine Gordimer.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2016

Ein lebendiger Grabstein
Edward Lewis Wallants Roman „Der Pfandleiher“ von 1961 war ein früher Versuch der
amerikanischen Literatur, die Folgen des Holocaust darzustellen. Jetzt wird er wiederentdeckt
VON ULRICH RÜDENAUER
Die Menschen, die das Geschäft des Pfandleihers Sol Nazerman aufsuchen, werden rüde abgefertigt. Alle Strategien, ein paar Dollar mehr für ihre dürren Habseligkeiten herauszuschlagen, prallen an Sol Nazerman ab wie an einem Felsblock. Sein Blick ist kalt und starr. Aber er hasst die Menschen nicht; ein solches Gefühl wäre ihm zu exzentrisch. Sie sind ihm schlicht und einfach egal, so gleichgültig wie „Tiere und Insekten“. Spricht er mit seinen meist schwarzen Kunden, den armseligen Schluckern und kleinen Ganoven aus den schäbigen Vierteln Harlems, dann hält er „sein Gesicht aus grauem asiatischem Stein ungerührt“ von ihnen abgewandt.
  Er schließt morgens den Laden auf. Ein Mafioso hat ihm das Geschäft verpachtet, um es zur Geldwäsche zu nutzen. Umgeben von Hunderten nicht abgeholter Pfandstücke – „die Gegenstände waren tot und charakterlos“ – lässt Nazerman das Gewusel der Bittsteller an sich abprallen, am Abend fährt er mit dem Auto nach Mount Vernon, nördlich von New York gelegen, wo er seine Schwester Bertha und deren Familie in mehrfachem Sinne aushält. Ebenso rigide wie den Kunden verbittet sich Nazerman auch seiner Sippe gegenüber aufdringliches Gehabe. Er nimmt sein Abendessen zu sich, spricht nur das Nötigste, weist gut gemeinte familiäre Fürsorge und aufgesetzte Höflichkeiten von sich, geht anschließend auf sein Zimmer, und so pflegt er es Tag für Tag zu halten. „Dieser Mann war tatsächlich aus Stein.“ Man könnte auch sagen: Er ist sein eigener Grabstein.
  Der vermeintliche Misanthrop Nazerman ist eine faszinierende Gestalt. Wo andere Erinnerungen haben, klafft bei ihm eine nie verheilende Wunde. Und trotz seines noch jungen Alters von 45 Jahren erscheint ihm die Zukunft als schwarzes Loch. Nazerman wurde von dem fast vergessenen, aber unbedingt wiederzuentdeckenden amerikanischen Autor Edward Lewis Wallant erschaffen. „Der Pfandleiher“ aus dem Jahr 1961, wenige Jahre später von Sidney Lumet mit Rod Steiger in der Hauptrolle verfilmt, war sein zweiter Roman. Kurz nach Erscheinen des Buches starb der Autor 36-jährig an einem Hirnschlag – nicht nur die Presseabteilung seines deutschen Verlags vermutet, dass er ansonsten heute in einem Atemzug mit Philip Roth, Saul Bellow oder Norman Mailer genannt würde.
  Wallant, der 1926 in New Haven geboren wurde, hatte in den Fünfzigerjahren in der Werbebranche gearbeitet, bis er seinen ersten Roman „The Human Season” veröffentlichte. Wie viele Wiederentdeckungen amerikanischer Autoren der vergangenen Jahre verdankt sich auch diese der Fürsprache jüngerer Kollegen, allen voran Dave Eggers, der die Meisterschaft Wallants mit Nachdruck lobte. Von dieser Meisterschaft darf man sich in dem von Barbara Schaden nuancenreich ins Deutsche gebrachten Roman überzeugen: von Wallants Gespür für die verschiedenen Stimmungen der Stadt, die etwas Bedrohliches und Abweisendes hat; von seiner Fähigkeit, in knappen Strichen Porträts der vielen Nebenfiguren zu zeichnen, die in Nazermans Laden auftauchen und wieder verschwinden wie auf einer Drehbühne; von dem Mut, einen abweisenden, verletzlichen Charakter wie Nazerman so konsequent in den Mittelpunkt seines Romans zu stellen.
  Sol Nazerman, dieser monolithische, unnahbare Mann, der mit dem Unglück und der Armut seiner Kunden Geschäfte macht, hat alles verloren: sein früheres Leben als Gelehrter in Krakau, seine Frau, seine Kinder, sein Mitleid oder besser: die Notwendigkeit, hohle Konventionen des Miteinanders zu erfüllen. Die Nummer, die auf seinem Arm eintätowiert ist, weist ihn als Untoten aus; für seinen jungen Gehilfen Jesus Ortiz ist die Zahlenfolge ein Geheimcode, den er nicht zu deuten versteht. In seinem Harlemer Laden hat Nazerman keine Geschichte. Er ist ein Wiedergänger. Sol Nazerman hat die Schoah nicht überlebt, sie tötet ihn nur langsamer als die Menschen, die er in den Lagern hat sterben sehen. Er ist in der Diaspora, voller Unruhe erstarrt und ohne festen Ort gebunden.
  „Der Pfandleiher“ ist ein früher Versuch, die Folgen des Holocaust literarisch zu fassen – und das von einem Autor, der als Jude in den USA aufwuchs und von den Vernichtungslagern lediglich durch Erzählungen Kenntnis hatte. Wallant lässt seinen Helden in Albträumen Szenen aus dem Innern der Todesmaschinerie nacherleben. Es werden so Bilder evoziert, die 1961 vielen Lesern unvertraut gewesen sein dürften – eine breitere Auseinandersetzung mit dem Massenmord an den Juden begann bekanntlich erst in den Siebzigerjahren, mit der Fernsehserie „Holocaust“. Es ist ein erstaunlicher Zufall, dass erst vor Kurzem ein amerikanischer Roman aus dem Jahr 1963 wiederentdeckt wurde, der sich ebenfalls an eine Schilderung des KZ-Alltags wagte: Charles Haldemans „Der Sonnenwächter“.
  Diese frühen Darstellungsversuche erscheinen als waghalsiges Unterfangen, das durchaus Momente des Obszönen in sich trägt. Wallants Nachtmahr-Visionen etwa beschwören fast plakativ alle möglichen Folterstationen des Lagers herauf – die in Viehwaggons zusammengequetschten Menschenleiber, den Appellplatz samt Hunden mit ihren gefletschten Lefzen, die Menschenversuche Mengeles, vergewaltigte Frauen, die Gaskammern und Berge ausgemergelter Leiber. Wie Wallant all dies in Szene setzt, dient als drastisch-dramaturgisches Mittel, den Abgrund in Nazerman zu ermessen und zu begründen.
  Claude Lanzmann, der Regisseur des bedeutendsten Films über die Vernichtung der europäischen Juden, schreibt in seinem Buch „Das Grab des göttlichen Tauchers“, der Holocaust sei vornehmlich dadurch einzigartig, dass er einen Flammenkreis, eine unüberwindliche Grenze um sich errichte, „weil eine bestimmte Absolutheit des Entsetzens nicht vermittelt werden kann: Wer behauptet, dazu imstande zu sein, macht sich der schwersten Übertretung schuldig. Die Fiktion aber ist eine Übertretung, und ich bin fest davon überzeugt, dass es hier ein Verbot der Darstellung gibt.“ Diese Zeilen beziehen sich auf Steven Spielbergs „Schindlers Liste“. Die Lagerpassagen in Wallants Roman könnten durchaus unter dieses Verdikt fallen.
  Da Wallant sie aber in die Träume seines Helden einpflanzt, scheinen die Ungeheuerlichkeiten etwas Fiebriges zu haben, in einem anderen Raum angesiedelt zu sein. Die Albträume sind unleugbar und deuten doch nur an, indem sie Erlebtes und Gehörtes, persönliches Leid und kollektive Bilder vermischen. Sie sind konkret und stehen zugleich für das Böse schlechthin.
  Denn Wallant hat durchaus einen Hang zu gröberer Symbolik: Es gibt mehrere Helferfiguren, die den herumirrenden Juden Nazerman erlösen wollen – die eine durch ihren Körper, die andere durch ihr Mitgefühl, das auch durch die schnödesten Zurückweisungen nicht ins Wanken gebracht werden kann. Ein argloser Altruismus blitzt in der Figur der Sozialarbeiterin Marilyn Birchfield auf; keine Seele darf verloren gegeben werden. Nazermanns Gehilfe wiederum würde seine Seele für ein bisschen Geld verkaufen; er schmiedet mit drei schwarzen Kunden einen Plan, den Pfandleiher auszurauben. Auf diese Tat spitzt sich die Geschichte spannungsreich zu.
  Der Überfall läuft allerdings anders als gedacht und schließlich gänzlich aus dem Ruder. Als einer der Räuber Nazerman mit der Pistole bedroht, wirft sich Jesus schützend vor ihn. Die Kugel trifft den Gehilfen; der macht seinem Namen alle Ehre. Dieser Opfertod tut seine kathartische Wirkung. Nazerman kommt, das ist die etwas schale Pointe Wallants, zur Besinnung. „Bis er begriff, dass er jetzt um all seine Toten weinte, dass alles unterdrückte Weinen freigesetzt worden war durch den Verlust eines einzelnen, unersetzlichen schwarzen Jungen, der sein Gehilfe gewesen war, der ihn hatte umbringen wollen und ihm am Ende das Leben gerettet hatte.“ Ein moralisches Ende: Nazermans Körperpanzer wird doch noch geknackt, und es scheint sich etwas zu öffnen. Aus einer düster-nihilistischen Erzählung wird eine Passions- und Läuterungsgeschichte.
  Das ließe sich gegen das Buch einwenden: Dass es am Ende hollywoodesk und versöhnlich wird, wo es doch über 300 Seiten hinweg schlagend von der Unmöglichkeit des Versöhntseins mit der Welt erzählt hat.
Rod Steiger als New Yorker Pfandleiher in Sidney Lumets Verfilmung des Romans von Edward Louis Wallant aus dem Jahr 1964.
Foto: picture alliance
Edward Lewis
Wallant, 1926 in New Haven, Connecticut, geboren, studierte nach dem Kriegsdienst Gestaltung.
Er starb im Dezember 1962, mit 36 Jahren, an einem Gehirnschlag.
Foto:OH
  
  
  
Edward Lewis Wallant: Der Pfandleiher. Roman. Aus dem Englischen von
Barbara Schaden. Berlin Verlag,Berlin 2015. 352 Seiten, 22 Euro. E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ulrich Rüdenauer findet das Ende etwas allzu schal, zu versöhnlich. Doch das ist auch schon alles, was er gegen den zweiten Roman des früh verstorbenen amerikanischen Autors Edward Lewis Wallant aus dem Jahr 1961 einzuwenden hat. Dass der Autor heute in einem Atemzug mit Philip Roth und Saul Bellow gennant worden wäre, hätte er nur weiterschreiben dürfen, möchte Rüdenauer gerne glauben. Gespür für Stimmungen und knappe Porträts, Mut zu einem eher abweisenden Portagonisten mit albtraumhafter Vergangenheit und nicht zuletzt dazu, sich derart früh mit dem Holocaust auseinanderzusetzen, kann er dem Autor jedenfalls attestieren. Dass die "düster-nihilistische" Erzählung "hollywoodesk" endet, hält der Rezensent da für verschmerzbar.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Von dieser Meisterschaft darf man sich in dem von Barbara Schaden nuancenreich ins Deutsche gebrachten Roman überzeugen: von Wallants Gespür für die verschiedenen Stimmungen der Stadt, die etwas Bedrohliches und Abweisendes hat; von seiner Fähigkeit, in knappen Strichen Porträts der vielen Nebenfiguren zu zeichnen [...]; von dem Mut, einen abweisenden, verletzlichen Charakter wie Nazerman so konsequent in den Mittelpunkt seines Romans zu stellen.", Süddeutsche Zeitung, Ulrich Rüdenauer, 12.02.2016