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'Das ist ein Buch, das jeder lesen sollte. Lewis ist ein Denker, ein Meister des Wortes und so etwas wie ein Dichter.' George Bernard Shaw Man hat die Jagdflieger des Ersten Weltkrieges die letzten Ritter genannt. Der deutsche Film hat den Mythos gerade auf fragwürdige Weise wieder entdeckt: aber die Briten waren es vor allem, die mit ihrer Neigung zu einer Romantisierung der Kriege den 'Roten Baron' Manfred von Richthofen mit seinen 80 Abschüssen zur Legende verklärten. Zumal die Söhne des Landadels scheinbar mit der Annahme ins Feld zogen, an einer berittenen Fuchsjagd teil zu nehmen. Cecil…mehr

Produktbeschreibung
'Das ist ein Buch, das jeder lesen sollte. Lewis ist ein Denker, ein Meister des Wortes und so etwas wie ein Dichter.' George Bernard Shaw Man hat die Jagdflieger des Ersten Weltkrieges die letzten Ritter genannt. Der deutsche Film hat den Mythos gerade auf fragwürdige Weise wieder entdeckt: aber die Briten waren es vor allem, die mit ihrer Neigung zu einer Romantisierung der Kriege den 'Roten Baron' Manfred von Richthofen mit seinen 80 Abschüssen zur Legende verklärten. Zumal die Söhne des Landadels scheinbar mit der Annahme ins Feld zogen, an einer berittenen Fuchsjagd teil zu nehmen. Cecil Lewis jedenfalls schaute, wie er im Vorwort schrieb, auf die Abenteuer des kaum achtzehnjährigen Piloten zurück wie 'auf eine Landschaft aus zehntausend Fuß Höhe an einem wolkenlosen Tag'. Indes, auch in dem angeblich noch so frischfrommfröhlichen Krieg jener 'Ritter der Lüfte' blühte nicht nur die Glorie: der Preis des Ruhmes war oft genug der Tod. Der blutjunge Lewis verbuchte in acht Monaten 350 Flugstunden, hauptsächlich über den Schlachtfeldern an der Somme, schoß acht Gegner ab und retirierte dann als Fluglehrer in die Etappe. Bei Kriegsende war er 20 Jahre alt, ein erfahrener Pilot und doch - ein Kind. Es gibt Bücher, die eine Art literarischen 'Irrtum' darstellen. Dieses Buch gehört dazu, aber gerade darin liegt sein Reiz. Erst bei der Niederschrift seiner Memoiren verstand Lewis, daß er am Aufbruch in den Wahnsinn Europas ins 20. Jahr hundert teilgenommen hatte. Als ArtillerieBeobachter über der Front war er vom elenden Massensterben dort unten gnädig weit entrückt - zu weit, um den Krieg als das zu erleben, was er in Wirklichkeit war: eine Vernichtungsmaschine, in der Menschenleben nur noch als 'Material' dienten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2009

Vogelmenschen im Krieg

Der britische Bomberpilot Cecil Lewis schrieb zwanzig Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs seine fliegerische Biographie. Jetzt liegt sie in neuer Übersetzung vor.

Nach einer Durststrecke von einigen Jahrtausenden, in denen die Menschheit sich mit Phantasien vom Fliegen begnügen musste, begann sie eines Tages, diese zu verwirklichen. Nur allzu schnell jedoch bedeutete die Erweiterung des Bewegungsraumes eine Erweiterung des Kriegsraumes. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts häuften sich futuristische Vorstellungen von Luftkriegen, und wenige Jahre später wurden auch diese umgesetzt. H. G. Wells etwa sah einen "Krieg in den Lüften" in seinem gleichnamigen Roman voraus, der Europa und Amerika umfassen würde, und auch seine Marsianer bedrohen die Erde aus den Höhen des Himmels. Göttliche und dämonische Kräfte entstammten seit je aus dieser Dimension, und an ihre Stelle konnten nun die Menschen treten. Sie entschieden sich für die Rolle der Dämonen und Zerstörer, sie sollten stürzende und fallende Engel werden.

Im Ersten Weltkrieg hielten sich die Flieger, die von unten mit Grauen und Schrecken erlebt oder mit Abwehrfeuer belegt wurden, für unvergleichbar, nicht nur für eine andere Soldaten- und Waffengattung, sondern für etwas gänzlich anderes, das sie oft noch mit dem "ganz Anderen" verwechselten. Während unten die furchtbarsten Materialschlachten wüteten, konnte oben einem überholten Ethos gelebt und gestorben werden: dem des Ritters. Die neueste Technik versicherte sich gleichsam des Mittelalters, das nur noch am Himmel zu haben war. Solch Wind durchweht die Seiten des englischen Fliegers Cecil Lewis.

Auch ein Ernst Jünger weicht in seinen Kriegsbüchern immer mal wieder nach oben aus, wo er die letzte Ritterlichkeit wähnt. Die mag bei Zweikämpfen in den Lüften noch erkennbar sein, nicht aber bei Bombardierungen, zumal von Städten und Zivilbevölkerung. Lewis' Aufgaben bestanden jedoch zum größten Teil in Beobachtungsflügen, denn seit 1914 wurde die Luftaufklärung zu einem immer wichtigeren Teil der irdischen Strategie. Doch war er auch ein sogenanntes Fliegerass und reiht sich in die internationale Liste von Abschussmeistern ein. Auch das Bombenwerfen konnte ihn gelegentlich reizen, wie George Bernard Shaw im Nachwort festhält. Als der Krieg in vollem Gange war, galt einzig die Jagd auf die "Hunnen" in der Luft, etwa in ihren gefährlichen Gothas (deretwegen sich das britische Königshaus von Coburg-Gotha in Windsor umbenannte).

Im Gegensatz zu Shaw war Lewis kein Pazifist, den Krieg machte er sich zu eigen, wenn auch nicht bis zur moralischen Herabwürdigung des Feindes. Es blieb, solang er in der Luft war, Sport und Schicksal. Der Titel des Buches, das im Original "Sagittarius Rising" heißt und 1937 schon einmal auf Deutsch erschien, zielt jedoch auf eine weitere Dimension - die der Astrologie. Denn Schütze ist der Aszendent des Autors, und diese Konstellation, so notiert er im Vorspruch, steht für Reisen, Waffen, schnelle Bewegung, Lebensfreude, Liebe zum Wettkampf und prophetisch-okkulte Fähigkeiten. Darin kann man eine Art Lebensplan entdecken, denn der 1898 Geborene, der beinah hundert Jahre alt wurde, führte ein ruheloses Leben zwischen China, Südafrika, den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Er arbeitete in Filmstudios, für die BBC und als Fluglehrer und führte die Fernsehwerbung ein. Eine Zeitlang war er Anhänger der Lehre von G. I. Gurdjieff und gründete eine Kommune mit Schafzucht in Südafrika.

Seine fliegerische Autobiographie hat er erst zwanzig Jahre nach den Ereignissen geschrieben. Der Flieger ist amphibisch, er sieht in die Tiefe und Ferne, wo alles mikroskopisch erscheint und der Krieg eine grässliche Veranstaltung nutzloser Tiere ist, zugleich aber ist er Teil dieser Vorgänge. Er ist erhaben und schäbig zugleich. Ernst Jünger sah zur selben Zeit einen neuen Typus in der Luft heranwachsen, einen technoromantischen Helden. Lewis genießt es, wie ein Geistwesen durch die Luft zu schweben und das Geschehen als Zuschauer zu verfolgen. Alleine fliegen, das bedeutet die Herrschaft über Raum und Zeit. Doch im Gegensatz zu Jünger oder seinem Kontrahenten von Richthofen, der sich in seinen Schriften pubertärem Taumel hingibt, unterbricht Lewis seinen Bericht immer wieder mit der Stimme der Vernunft. Was hätte nicht alles anders sein müssen, um den Weltkrieg zu verhindern. Wir sind als Masse die bösesten aller irdischen Geschöpfe, schreibt er, wir hätten Verhältnisse schaffen müssen, die uns verbinden. Vor allem die Wissenschaft mache sich fortwährend schuldig, da sie an immer gefährlicheren Erfindungen arbeite.

Aus diesen Widersprüchen gibt es kein Entrinnen, auch nicht für Lewis. Im letzten Teil des Buches schreibt er, wie er nach dem Krieg dazu beitrug, zwischen Schanghai und Peking eine Fluglinie aufzubauen. Gleichzeitig bedauert er, dass das alte China hinweggespült wird durch die Verwestlichung und Modernisierung. Was soll man mit der Zeit anfangen, die man gespart hat, fragen die Chinesen. Auch sind sie keine guten Flugschüler. Dennoch hat Lewis das Gefühl, dass "die alte Schildkröte China" sich wieder zu erheben beginnt. Wie in der Luft bleibt er in der Masse ein Einzelgänger, diesmal aus dem vergleichsweise jungen Europa kommend. Für seine Einsamkeit, auch mit den vielen Frauen, findet er stets lyrische Worte. Seine Poesie, sei sie in der Luft, sei sie in China, ist jedoch bitter durchsetzt. Allein sein wollte er immer; schwer ist die Landung.

ELMAR SCHENKEL

Cecil Lewis: "Schütze im Steigflug". Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Klaus Binder. Mit einer Note von George Bernard Shaw. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 406 S., Abb., geb., 32,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Elmar Schenkel schätzt Cecil Lewis' jetzt in einer neuen Übersetzung vorliegende fliegerische Autobiografie, die der britische Bomberpilot zwanzig Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs geschrieben hat. Dabei hebt er die Widersprüchlichkeiten des Buchs hervor: Einerseits schwärme das Fliegerass von den Rittern der Lüfte. Andererseits melde sich bei ihm - anders als bei Ernst Jünger oder bei Baron von Richthofen - immer wieder die Stimme der Vernunft. Gefallen haben Schenkel auch die lyrischen Formulierungen, die der Autor für seine Einsamkeit findet. Wobei er nicht verschweigt, dass die Poesie des Fliegers von einer gewissen Bitterkeit durchsetzt ist.

© Perlentaucher Medien GmbH
'Von den vielen Antikriegsbüchern des 20. Jahrhunderts, die ja auch immer Kriegsbücher sind und die versuchen, das Mörderische des mechanisierten Kampfes in Worte und Sätze zu fassen, ist Lewis "Schütze im Steigflug" eines der sensibelsten, filigransten.&