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Ein gewitzter Fabulant und Fallensteller, ein liebenswerter Querkopf und Spötter ist dieser Bras Cubas, darin aufs engste verwandt einem Tristram Shandy oder einem Don Quijote. Selten las sich in der hohen Literatur die Summe eines Lebens so amüsant wie in diesem fiktiv-autobiographischen Schelmenstreich.
Exotische Landstriche, Brasilien, Rio de Janeiro geben die Bühne für Bras Cubas' illusionslosen Lebensrückblick aus dem Jenseits ab, der wahre Schauplatz aber ist das menschliche Herz. Ob es sich um Heiratsabsichten oder berufliche Ambitionen dreht, um Liebeshändel oder Erbstreitigkeiten,
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Produktbeschreibung
Ein gewitzter Fabulant und Fallensteller, ein liebenswerter Querkopf und Spötter ist dieser Bras Cubas, darin aufs engste verwandt einem Tristram Shandy oder einem Don Quijote. Selten las sich in der hohen Literatur die Summe eines Lebens so amüsant wie in diesem fiktiv-autobiographischen Schelmenstreich.

Exotische Landstriche, Brasilien, Rio de Janeiro geben die Bühne für Bras Cubas' illusionslosen Lebensrückblick aus dem Jenseits ab, der wahre Schauplatz aber ist das menschliche Herz. Ob es sich um Heiratsabsichten oder berufliche Ambitionen dreht, um Liebeshändel oder Erbstreitigkeiten, um politische oder geschäftliche Großtaten - in launiger Nonchalance werden die Wirrnisse des Lebens verhandelt. Die satirische Rückschau auf Verfehlungen und Triumphe balanciert meisterlich auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Tragik. Trotz bitterer Erfahrungen bleiben Selbstverklärung und biederer Lebensernst dem Helden fremd. Das macht die Leichtigkeit des Buches aus: Wo das Sentiment naht, ist der Schwank nicht weit.

"Die nachträglichen Memoiren des Bras Cubas", erschienen 1881, sprühen vor Geist und Witz, und auch der Leser bleibt von den Buffonerien des Erzählers nicht verschont. "Dieses Buch zu lieben heißt, etwas weniger provinziell zu werden", urteilt Susan Sontag und bezeichnet den Roman als "eines der unterhaltsamsten unprovinziellen Bücher, die je geschrieben wurden".
Autorenporträt
Joaquim M. Machado de Assis (1839-1908) wurde in Rio de Janeiro geboren. Er stammte aus einfachen Verhältnissen, war Autodidakt, zunächst Druckerlehrling, dann Journalist und schließlich hoher Regierungsbeamter. Er gilt als bedeutendster Erzähler der brasilianischen Literatur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2003

Das denkende Druckfehlerverzeichnis
Machado de Assis’ „Memoiren des Bras Cubas” sind endlich auf deutsch zu entdecken
Bras Cubas stirbt 1869 im Alter von 64 Jahren. Das erste Kapitel seiner Geschichte heißt „Der Tod des Autors”, denn der Verstorbene erzählt seine Memoiren aus dem Jenseits. Auf die Lebenden muss er also keine Rücksicht mehr nehmen. Bras Cubas führt eine Existenz in der Tradition der Schelmenromane. Er ist gewitzt und stolpert doch ein wenig töricht durch die Welt; er registriert aufmerksam die Gebrechlichkeit der Menschen und die Vergänglichkeit des Glücks und gibt doch den Erzzyniker; er hat Erfolg und scheitert doch permanent. Das letzte Kapitel seiner „Memoiren” handelt „Von den Verneinungen”, die sein Leben ausmachen: „Ich errang nicht die Berühmtheit durch das Pflaster, wurde nicht Minister, wurde nicht Kalif, lernte nicht die Ehe kennen”. Nur eine letzte „Verneinung” spendet dabei Trost: „Ich hatte keine Kinder; ich hinterließ keinem lebenden Wesen die Erbschaft unseres Elends”.
Sicher: Ein wenig elend wirkt das Schicksal des Titelhelden, immerhin schnappt ihm ein Rivale Amt und Frau vor der Nase weg, die zweite Verlobte stirbt vor der Heirat und seine journalistische Karriere scheitert nicht weniger als seine politische. Aber wie sieht es umgekehrt mit den ‚Bejahungen‘ aus? Der Herkunft aus guter Familie? Dem Studium an einer Eliteuniversität? Der langjährigen Liebschaft mit der Braut seines Rivalen? Unterm Strich lebt Bras Cubas nach der Devise: „Lieber aus den Wolken, als aus einem dritten Stock gefallen”.
Mitleid wäre also fehl am Platz, und dies nicht nur wegen der Balance von Scheitern und Erfolg, sondern vor allem, weil Bras Cubas ein Schelm und damit eine Figur ohne Psychologie ist, die ihren zeitweiligen Seelenschmerz schon durch ein delikates Essen ganz gut bewältigen kann. Nach der Abreise seiner Geliebten Virgilia kommt er seinem „Herzen” mit der „Erinnerung an das Abenteuer zu Hilfe” und seinem „Magen mit den Horsd‘œuvres von Monsieur Prudhon”. Bei aller Melancholie traut man ihm daher zunächst nicht wirklich zu, länger als zehn Minuten tiefes Leid zu empfinden. Als seine Mutter qualvoll an Magenkrebs stirbt, ist der junge Bras Cubas als Augenzeuge zwar erschüttert, der tote Bras Cubas als Erzähler aber kommentiert schlicht: „Ein trauriges Kapitel. Gehen wir zu einem lustigeren über”. Der Held der Memoiren lebt offensiv seine schelmische Natur aus, seine Mittelmäßigkeit, seinen Materialismus, seine Amoralität und seinen inhaltslosen Ehrgeiz. Dennoch liegt über allem der Schatten einer tiefen Trauer. Bei Virgilias Auftritt an seinem Totenbett erkennt Bras Cubas: „Von zwei großen Lieben, von zwei hemmungslosen Leidenschaften war jetzt, nach zwanzig Jahren, nichts mehr übrig; übriggeblieben waren zwei welke, verbrauchte und lebensmüde Herzen.”
Die Tinte der Melancholie
„Die nachträglichen Memoiren des Bras Cubas” sind „mit der Feder der Ausgelassenheit und der Tinte der Melancholie” geschrieben, wie es in der Vorrede heißt. Dass der Roman die treffendsten Worte über sich selbst formuliert, ist symptomatisch, denn zu seinen Vorbildern gehört Laurence Sternes Reflexionsroman „Tristram Shandy”. Die Ereignisse im Leben von Bras Cubas sind damit nicht selten lediglich Anlass für die Entfaltung fixer Ideen einerseits und für das Spiel mit dem Leser andererseits. Ob es um die Erfindung eines Bras-Cubas-Pflasters gegen Melancholie geht oder um die Theorie des „Humanitismus” als einer Glückseligkeitsgarantie, ob es sich um die Lebensphilosophie des Fensters oder um die Technik des Fliegenfangens mit den Augen handelt – die Lust an der Skurrilität wiegt stets mehr als die Sorge um eine glatte Handlungsführung. Selbstredend, dass Bras Cubas auch dies im Kapitel „Der Mangel des Buches” vermerkt und sich an den Leser wendet: „Du willst schnell alt werden – und dieses Buch geht ganz langsam; du liebst die gradlinige, pralle Erzählung, einen gleichmäßigen, flüssigen Stil – und dieses Buch und mein Stil sind wie trunken, schwanken nach rechts und nach links, gehen los und halten wieder, brummen, brüllen, schreien vor Lachen, drohen zum Himmel, gleiten aus und fallen.”
Es liegt nahe, hinter dieser episodischen Perlenkette aus Witz und Satire, hinter der ständigen geistreichen Selbstüberbietung oder hinter dem Spiel mit Bildungsgut die Intelligenz des sozialen Aufsteigers zu entdecken. Der 1839 in Rio de Janeiro geborene Machado de Assis ist Autodidakt. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Seine Vater, ein Mulatte, war Kunsthandwerker, seine portugiesische Mutter Wäscherin. Zu den gesellschaftlichen Handicaps kommen noch gesundheitliche hinzu, denn Machado de Assis leidet an Epilepsie. Dennoch steigt er zum Präsidenten der brasilianischen Akademie der Schönen Künste auf und hinterlässt ein beeindruckend umfangreiches Werk als Dichter, Kritiker, Journalist und Übersetzer. Machado de Assis gilt zwar als einer der bedeutendsten brasilianischen Erzähler, außerhalb seines Heimatlandes aber wird er viel zu wenig gelesen. Susan Sontag, die ihn im „New Yorker” zum „größten Autor” Lateinamerikas erklärt hat, feiert auch im Essay zur vorliegenden Neuausgabe die „Nachgelassenen Memoiren” als einzigartiges Meisterwerk. Wie Bras Cubas darauf reagiert hätte? Wohl wieder mit einer ernüchternden Weisheit, diesmal vielleicht mit seiner fixen Idee vom Menschen als einem „denkenden Druckfehlerverzeichnis”: „Jedes Lebensalter ist eine Auflage, die die vorige verbessert und die ihrerseits verbessert wird, bis hin zur endgültigen, die der Verleger gratis an die Würmer verteilt”.
STEFFEN MARTUS
JOAQUIM MARIA MACHADO DE ASSIS: Die nachträglichen Memoiren des Bras Cubas. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Wolfgang Kayser. Nachwort von Susan Sontag. Manesse Verlag. Zürich 2003. 380 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2003

Blick auf die Schuhspitzen
Das Meisterwerk des Joaquim Maria Machado de Assis

Wie soll man dieses Buch nennen? Großartig? Erstaunlich? Perfekt? "Perfekt" ist sicher nicht exzessiv. Beglückend leichtfüßig ist das Büchlein und hat doch im Seelischen viel Gewicht - Intensität. Es bringt viele kultiviert literarische Anspielungen, ist aber gar nicht pedantisch. Es ist poetisch weich und doch von nihilistischer Härte und einer sich nichts vormachenden ironisch distanzierten Bitterkeit. Es erschien 1880: wenn man es weiß, ist es noch erstaunlicher. Nietzsche konnte dieser Brasilianer nicht kennen - nur wenige kultivierte Europäer kannten ja um 1880 den Propheten. Machado beruft sich, aber bereits als Erzähler, denn es gehört schon zum Werk, in dem von fern an Cervantes erinnernden Vorwort auf Laurence Sterne und Xavier de Maistre. Das ist aber ziemlich irreführend. Susan Sontag in ihrem schönen Nachwort, in dem man die Pranke der Löwin nicht sogleich, schließlich aber doch erkennt, nimmt diesen Hinweis wohl allzu ernst. Das Buch ist, auch Sontag gibt es schließlich zu, ganz anders als der "Tristram Shandy" - ganz unkauzig.

Also Machado de Assis, der von 1839 bis 1908 lebte, geboren und gestorben in Rio, ist für Kenner wahrlich kein Unbekannter: der größte brasilianische Autor; für Sontag, die da eine Verschwörung der Spanischsprechenden vermutet, ist er gar "der größte Autor, den Lateinamerika hervorgebracht hat". Und "Bras Cubas" gilt als sein bestes Buch. Er hat nämlich sehr viel geschrieben: Gedichte, Theaterstücke, Kritik, Romane. Er war ein Romantiker im eher französischen Sinn und wandte sich - da denkt man an Flauberts "Madame Bovary" - gerade mit diesem Buch von der Romantik ab. Und wie Flaubert behielt er doch indirekt nicht wenig Romantisches bei. Zumindest als Zurückgewiesenes ist es, zum Beispiel in der schönen Weichheit, noch da. Übrigens muß man den Mann noch mehr bewundern, wenn man erfährt, daß er kleinsten Verhältnissen entstammte (Sohn einer portugiesischen Wäscherin, die von den Azoren gekommen war, und eines Mulatten, eines Anstreichers; also ein Autodidakt; Epileptiker war Joaquim Maria zudem auch). Als er starb, war er, zumindest in Brasilien, hochberühmt.

All dies hat nun aber mit diesen fiktiven Erinnerungen des fiktiven Bras Cubas gar nichts zu tun. Man muß es nicht wissen. Und Exotisches ist in dem Roman auch nicht. Er ist ein restlos europäisches Buch, auch wenn es in Rio "spielt". Da ist nicht die "Alterität", die Europäer so gerne in Lateinamerika finden wollen. Wogegen schon Vargas Llosa prägnant protestierte: "Lateinamerika ist nicht, was Europa nicht ist." "Nachträglich" sind diese Memoiren, weil sie "postum" sind, "Memórias póstumas": nach dem Tod also geschrieben, woraus aber nichts, vor allem nichts Metaphysisches, hervorgeht. Immerhin gibt es Bras die technische Möglichkeit, von seinem Tod, seinem finalen Delirium packend und geradezu schön zu berichten. Auch - ironisch - von seinem Begräbnis. Bras war vom Vater her reich, frühe Liebeserfahrungen mit einer hinreißenden Spanierin, Marcela genannt (auch da grüßt verhalten Cervantes), der Vater schickt ihn, um ihn von der Frau zu trennen, zum Studium nach Portugal, Rückkehr mit Diplom aus Coimbra, dann die geplante, vom Vater arrangierte Heirat mit Virgília; die heiratet aber dann plötzlich einen anderen, aber danach wird Bras, ebenso plötzlich, der Geliebte derer, die seine Frau hätte werden sollen, und so ist es eigentlich (sie haben da ein hübsches, noch dazu von einer Art Haushälterin umsorgtes Liebesnest) viel schöner. Diese - auch wieder recht illusionslos gesehene - Liebe reicht dann, mit Unterbrechungen freilich, bis zu seinem Tod.

Wie gelingt es Machado auf wenigen Seiten, etwa denen, die im Kapitel 74 dieser Haushälterin Plácida gelten, der Menschheit seinen ganzen Jammer vorzuführen! "Ich schaute weiter", lautet der betretene Kommentar des Erzählers bloß, "auf die Spitzen meiner Schuhe" - damit endet das Kapitel. Doch wird von vielem anderen noch berichtet, immer heiter und bitter zugleich, in vielen kurzen, oft ganz kurzen mit suggestiven Titeln versehenen Abschnitten und in ständiger Reflexion auf die Art, wie er denn berichten soll: von einem tief gesunkenen, dann wieder aufgestiegenen Freund, von dem Hobbyphilosophen Quincas Borba mit seinem "Humanitismus", der sich so uneben nicht einmal anhört. Bis hin zu dem grandiosen, weiterhin aber leichtfüßig trockenen Kapitel 160 am Ende "Von den Verneinungen" - mit dem eigentlich positiv gemeinten grimmig heiteren Schlußsatz: "Ich hatte keine Kinder; ich hinterließ keinem lebenden Wesen die Erbschaft unseres Elends."

Die sehr geglückte Übersetzung ist nicht neu. Sie erschien schon 1950 im gleichen Verlag und stammt von keinem Geringeren als dem vormals hochberühmten, heute nahezu verschollenen Germanisten Wolfgang Kayser. Es ist sehr gut, daß sie nun erneut vorgelegt wird. Denn hier ist ein sprachliches Kunstwerk - und in der Tat Weltliteratur.

Joaquim Maria Machado de Assis: "Die nachträglichen Memoiren des Bras Cubas". Roman. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Wolfgang Kayser. Mit einem Nachwort von Susan Sontag. Manesse Verlag, Zürich 2003. 380 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Welch ein Schwätzer vor dem Herrn!", ruft Rezensent Kersten Knipp angesichts Machado de Assis' Erzählfigur Bras Cubas. Denn dieser hätte seine Lebenserinnerungen beileibe gedrungener vortragen können. Aber das, so der Rezensent, ist nur die Fassade dieses Romans, der das brasilianische Leserpublikum des 19. Jahrhunderts aufs höchste begeistert hat. Vielmehr sieht er in Bras Cubas eine zutiefst ironische Erzählerfigur, die dem Roman eine "doppelte Tonlage" verleiht und ihn mittlerweile ganz oben in die brasilianische Literaturgeschichte katapultiert hat. Die Kritik an der brasilianische Elite und ihrer entstellenden Verliebtheit ins alte Europa lasse in der Tat nichts an Schärfe zu wünschen übrig: Bras Cubas behaupte nach einem Studienaufenthalt in Portugal, nur wenig davon mitgenommen zu haben, und lasse somit "den europäischen Bildungsroman ins Leere laufen", indem er zwar dessen Form wahre, aber den Inhalt vergesse. Genau das ist es nämlich, was mit allem Europäischen in Brasilien grundsätzlich passiere, meint Knipp: "Was in Europa kultureller Ausdruck seiner Zeit ist, degradiert unter der Tropensonne zu 'ortsfremden Ideen', verkommt zu Zierrat, Fetisch, Trugbild."

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