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Der Osten ist der neue Westen! Michal Hvorecky hat den Roman zum neuen Europa geschrieben: die unglaubliche Geschichte von der Karriere eines Callboys an der Grenze zwischen Osten und Westen, zwischen Gegenwart und Zukunft. Michal Kirchner ist Sprössling einer ungewöhnlichen Familie. Geboren aus der Zweckehe seiner homosexuellen Eltern muss er schon als Kind die skrupellose Überwachung durch den tschechoslowakischen Geheimdienst miterleben. Er flieht in den Westen und kehrt erst als junger Erwachsener in seine Heimatstadt Bratislava zurück. In der Metropole des neuen Turbokapitalismus beginnt…mehr

Produktbeschreibung
Der Osten ist der neue Westen! Michal Hvorecky hat den Roman zum neuen Europa geschrieben: die unglaubliche Geschichte von der Karriere eines Callboys an der Grenze zwischen Osten und Westen, zwischen Gegenwart und Zukunft.
Michal Kirchner ist Sprössling einer ungewöhnlichen Familie. Geboren aus der Zweckehe seiner homosexuellen Eltern muss er schon als Kind die skrupellose Überwachung durch den tschechoslowakischen Geheimdienst miterleben. Er flieht in den Westen und kehrt erst als junger Erwachsener in seine Heimatstadt Bratislava zurück. In der Metropole des neuen Turbokapitalismus beginnt seine Karriere in einem Begleitservice für reiche Managergattinen aus dem Westen. Michal Hvorecky hat einen ironischen und grotesken Roman über das neue Europa geschrieben - politisch, sexy und exzessiv.

Autorenporträt
Michal Hvorecky, geboren 1976, lebt in Bratislava. Auf Deutsch erschienen bereits drei seiner Romane und eine Novelle. Hvorecky verfasst regelmäßig Beiträge für die FAZ, Die Zeit und zahlreiche Zeitschriften. In seiner Heimat engagiert er sich für den Schutz der Pressefreiheit und gegen antidemokratische Entwicklungen.

Mirko Kraetsch, geboren 1971. Übersetzer für Belletristik, Dramatik und Lyrik, außerdem Literaturvermittler und Gelegenheitsautor. Übersetzte unter anderem Michal Hvorecky, Emil Hakl, Bianca Bellová und Jaroslav Rudis ins Deutsche.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2009

Schaut mich an, ich bin die Ware
Aus den Bekenntnissen eines bezahlten Liebhabers, der sich am Ende selbst im Bett nicht mehr auskennt: Der slowakische Schriftsteller Michal Hvorecky erzählt vom entfesselten Kapitalismus Von Lothar Müller
Der slowakische Callboy, der in diesem Roman aus seinem bewegten Leben erzählt, entstammt einer ehrenwerten Familie aus Mitteleuropa, der deutschsprachigen Familie Kirchner. Sein Großvater, 1887 in Böhmen als österreichischer Staatsbürger geboren, war bekennender Homosexueller in der tschechoslowakischen Republik der Zwischenkriegszeit, seine Großmutter eine Lesbe, die der Großvater nach der Besetzung durch die Deutschen heiratete. Der Großvater wurde in Auschwitz, die Großmutter in Ravensbrück ermordet. Sie hatten zuvor, um den Anschein einer normalen Familie zu wecken, einen Sohn gezeugt, der 1941 in Theresienstadt geboren wird.
Dieser Sohn, auch er homosexuell, tritt als junger Mann voller Illusionen in die kommunistische Partei ein, hat in den Jahren nach der Niederschlagung des Prager Frühlings Teil an der Vermischung von sexueller Libertinage und politischer Dissidenz, wird Razzien und Verhören unterworfen, heiratet – der Familientradition folgend – eine Lesbe und zeugt mit ihr einen Sohn: Michal Kirchner, den künftigen Callboy, der 1973 in Prag zur Welt kommt.
Der ideelle Gesamterzeuger dieser Familie ist der slowakische Autor Michal Hvorecky, geboren 1976 in Bratislava. Der hat mit dem alten Mitteleuropa nichts am Hut, das in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die politische Opposition im Osten nährte und in den achtziger Jahren die Kakanien–Seligkeit des Westens. Wenn er die Außenseitergenealogie seines Helden auf wenigen Seiten herunterrasselt, winkt er nur ein wenig mit dem Skelett des in die Vergangenheit verstrickten Familienromans, den er nicht geschrieben hat.
Nein, Michal Hvorecky will nicht, dass sein Held so aussieht, als wäre er einer literarischen Tradition entsprungen. Er soll so wirken, als wäre er aus einem Lifestyle-Magazin herausgeblättert worden, oder besser noch, aus dem Katalog des Begleitservice „Eskorta” in Bratislava. Denn da arbeitet er schließlich seit 1996, und wenn er zwischendurch Bilanz zieht, dann klingt das so: „Das Land wurde auch weiterhin von Investoren kolonialisiert, und ich profitierte dank ihrer Gattinnen ebenfalls davon.”
Callboys haben gefügig zu sein. Dieser ist es überaus freiwillig. Er ist erfolgloser Absolvent einer Schauspielschule, wurde in den Verhören seiner Kindheit zum Lügner erzogen und spielt sich und dem Leser gerne den Don Juan vor. Rasch mutiert er zum Luxusgeschöpf, das durch ganz Europa jettet und in Davos im Schatzalp logiert. Michal Kirchner ist eine aufgekratzte Gegenfigur zu den Prostituierten an der bayerisch-böhmischen Grenze, die in den Sozialreportagen in ihren Schaufenster-Käfigen dastehen wie Inkarnationen des postsozialistischen Elends. In seiner Kindheit war der Callboy von der Sehnsucht seiner Generation nach westlichen Markenprodukten geschlagen. Dann machte er mit den nach West-Berlin ausgereisten Eltern in seiner Traumwelt eher gemischte Erfahrungen. Nach dem Mauerfall und dem Tod der Mutter vom Vater zur Rückkehr nach Bratislava zwangsverpflichtet, zieht er aus dem Ende des Sozialismus die Konsequenz, es sei das Beste, mit Haut und Haaren zur Ware zu werden. Auf seine Altersgenossen, die in Deutschland Spargel stechen, blickt er herab.
Der Callboy stürzt, da er sich gehenlässt, die Kontrolle über seinen Drogenkonsum verliert, älter wird und hässlicher, von der Karriereleiter schnell wieder herab. Aber auch dabei steht er mit sich selbst im Einverständnis. Denn er kann nicht an sich irre werden. Sein Autor hat ihn eigens zu dem Zweck erfunden, damit er ein Prinzip verkörpert, das keinen Widerspruch duldet: dass in einer Gesellschaft, die auf der Warenproduktion beruht, alles zur Ware wird. Aber warum wird dann nicht jeder Callboy?
Im Osten Europas, behauptet dieser verkappte Thesenroman, herrschte nach 1989 der Warenfetisch in nie gekannter Radikalität und Unwiderstehlichkeit. Eben erst aus der Mangelwirtschaft des späten Sozialismus entlassen, fanden sich die Osteuropäer in einem Modellversuch des entfesselten Kapitalismus wieder: „Die totale Ökonomie übertraf auch die gewagtesten Träume. Der Osten war zum Westen der Zukunft geworden.”
Konsequent desinteressiert ist der Callboy am politischen Charakter des Epochenbruchs von 1989. Nur ein müdes Achselzucken hat er für die Loslösung der Slowakei von der Tschechoslowakei übrig. In den neuen Eliten kann er nur die alten wiedererkennen. Die Enthüllung, dass seine überwachten Eltern selbst für den Geheimdienst arbeiteten, erschreckt ihn nur kurz. Denn die Zeitgeschichte lässt der Autor seinen Helden nur wie hinter Milchglas wahrnehmen.
Aus diesem Grundriss hätte ein frivoler Schelmenroman hervorgehen können, der listig und verspielt das Erbe der amoralischen Schwadroneure in der mitteleuropäischen Literatur antritt. Aber Michal Hvorecky verschenkt diese Chance. Allzu anspruchslos handhabt er die Form der retrospektiven Ich-Erzählung, allzu beschränkt ist der Horizont des Ich-Erzählers, allzu sehr mangelt es seiner Rollenprosa an Sprachwitz und Phantasie. Seinem Großvater, dem Besitzer einer großen Sammlung erotischer Literatur, macht er zudem in den konfektionierten Bettszenen wenig Ehre: „Unter mir wand sich in dem hell erleuchteten Hotelzimmer die nackte Tereza. Ihr Körper hatte die Farbe weißer Perlen.”
Als sich der Callboy in einer nach Lissabon und in die verschneite slowakische Provinz führenden Episode ernsthaft in die Tochter einer Stammkundin verliebt, landet er im Kitsch: „Auf der Welt gab es nichts außer uns beiden. Ich wusste, dass ich verloren war.” Zur Strafe gerät er, als ihn die Agentur, die ihn gefeuert hat, beim Weiterarbeiten auf eigene Rechnung erwischt, unter die Fäuste eines Bodyguards : „In seinen Augen leuchtete der irre Glanz des Schlächters.”
Nach dem Pulp-Fiction-Tod der Geliebten gibt der Callboy seinen Beruf auf, geht wieder nach Berlin und wird dort Werbetexter. Weil er sprachlich nicht das Zeug hat zum Helden einer Groteske, verordnet ihm der Autor, damit wenigstens der Plot grotesk wird, flugs eine Geschlechtsumwandlung per Tabletteneinnahme: „Und dann fiel mir eines Nachts der Penis ab”. Der zur Frau mutierte Callboy holt sich einen Callboy, wird Mutter und nennt die Tochter nach der toten Geliebten. Aber da hat er den Leser schon hinter sich gelassen.
Michal Hvorecky
Eskorta
Roman. Aus dem Slowakischen von Mirko Kraetsch. Tropen Verlag, Stuttgart 2009. 250 Seiten, 19,90 Euro.
Das Land wurde von Investoren kolonialisiert, und ich profitierte von ihren Gattinnen
Auf der Welt gab es nichts außer uns beiden. Ich wusste, dass ich verloren war
„Die Agentur war verkauft worden und hatte jetzt einen amerikanischen Besitzer, der innovative Methoden einführte. Meine Ratings waren katastrophal.” Foto: James Ball / Anzenberger
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2009

Wo Staunen extra kostet

Der perfekte Ort zum Geldverbrennen: Der slowakische Schriftsteller Michal Hvorecky lässt in seinem neuen Buch "Eskorta" die wilden Jahre des entfesselten Nachwende-Kapitalismus in Osteuropa in Form eines frivolen Schelmenstücks wiederauferstehen.

Michal war in den achtziger Jahren mit seinen Eltern aus der Tschechoslowakei nach Deutschland ausgereist. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems kehrt er zurück nach Bratislava. Auf den ersten Blick ist es die Hölle. Am Bahnhof empfängt ihn "eine Horde aufdringlicher Geldwechsler", die Demonstranten im Stadtzentrum schwenken die Plastiktüten einer neuen Supermarktkette. Doch es dauert nicht lange, bis Michal von den neuen Zeiten profitiert. Kurz nach seinem 23. Geburtstag entdeckt er eine Anzeige. Jungen Männern mit "sympathischem Äußeren" wird eine "gut bezahlte, zeitlich flexible Tätigkeit" in Aussicht gestellt. Michal bewirbt sich, und kurz darauf arbeitet er für den ersten Escort-Service der Stadt: "Die Welt war in Veränderung begriffen, und ich wollte dabei sein."

Der slowakische Schriftsteller Michal Hvorecky erzählt in seinem Roman "Eskorta" die wundersame Erfolgsgeschichte eines postsozialistischen Callboys. Während Geschäftsleute aus aller Welt nach "Bratislava-Gratislava" kommen, um Investitionsverträge zu unterzeichnen und Kapital zu verbrennen, steht Michal ihren gelangweilten Ehefrauen mit erotischen Dienstleistungen zur Verfügung. Sonderwünsche sind im Preis inbegriffen. Seine "starke Seite" ist die Kommunikation, doch zu seinen Stammkundinnen gehört auch eine Amerikanerin, die nach dem Sex vornehmlich in Mineralwasser aus der Hohen Tatra badet - und von Michal verlangt, dass er ihr dabei in einer traditionellen Tracht Gesellschaft leistet: "Ich musste vor ihren Augen wahnsinnig über Wassertoiletten und elektrischen Strom staunen."

Hvorecky ist Jahrgang 1976, und wie viele jüngere Autoren aus Mittel- und Osteuropa neigt er dazu, seine literarischen Texte mit Theorie-Importen aus dem Westen anzureichern. So wird der Folklore-Fetisch der Amerikanerin unter der Überschrift "Postkolonialismus" verhandelt, und der aus Deutschland zurückgekehrte Erzähler selbst hadert nicht nur mit seiner nationalen und kulturellen Identität, sondern als Kind eines schwul-lesbischen Ehepaares auch noch mit seiner Geschlechterrolle. Ein "cultural studies"-Reader ist allerdings noch lange kein Roman: Hvoreckys Debüt "City: Der unwahrscheinlichste aller Orte" (deutsch 2006), in dem es um die körperliche Liebe und Pornographie im Zeitalter des Internet ging, war unter dieser Art von Ballast bereits nach wenigen Seiten zusammengebrochen.

"Eskorta" ist glücklicherweise robuster gebaut. Die theoretische Frage, ob Michal mit seinem neuen Job in erster Linie "die Frau in ihm" töten will, kann man einfach ignorieren und sich stattdessen daran erfreuen, wie er sich ganz praktisch durch die Welt des globalen Finanzkapitals vögelt. Die fiktive Lebensbeichte des charmanten Callboys und professionellen Frauenverstehers liest sich über weite Strecken wie das gutgelaunte Remake eines Michel-Houellebecq-Romans: Boomtown Bratislava verwandelt sich in den späten Neunzigerjahren in die "Metropole des mitteleuropäischen Sextourismus", und mit jedem diskreten Zahlungseingang auf dem Konto des Begleitservices tritt die verdeckte Triebstruktur des entfesselten Kapitalismus deutlicher zutage. "Ihrer Phantasie", verspricht die Website der Agentur, "sind keine Grenzen gesetzt."

"Eskorta" lässt die Jahre der "totalen Ökonomie" in Form eines frivolen Schelmenstücks wiederauferstehen und ist darum genau die richtige, besinnliche Lektüre für unsere krisengeschüttelten Zeiten. Lange hält Michals hormonelle Hausse allerdings nicht an. Nach einem kurzen Höhenflug fallen seine Aktien ins Bodenlose, bis er schließlich nur noch gebucht wird, um einen Langhaar-Chihuahua zum Hundefriseur zu begleiten. Zuletzt wird er ganz aus dem Angebot der Agentur gestrichen. Doch er hat Glück. Michal Hvorecky verordnet seinem Erzähler nach dem Crash ein emotionales Konjunkturprogramm. Der Callboy darf sich verlieben, und damit ist das kapitalistische Märchen schon fast perfekt.

KOLJA MENSING

Michal Hvorecky: "Eskorta". Roman. Aus dem Slowakischen von Mirko Kraetsch. Tropen Verlag, Stuttgart 2009. 252 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr enttäuscht wirkt Lothar Müller von diesem Roman des slowakischen Autors Michal Hvorecky, denn nach seiner Anlage habe Buches durchaus das Zeug zu einem veritablen "Schelmenroman" über den "entfesselten Kapitalismus" in postkommunistischen Zeiten. Michal Kirchner, der 1996 in der Überzeugung, dass in Osteuropa seit 1989 alles zur Ware geworden ist, Callboy wird, erzählt von seinem Aufstieg in der Agentur "Eskorta", dem der Abstieg in Drogensucht folgt und ihn schließlich als Werbetexter in Berlin landen lässt. Ein "verkappter Thesenroman", so der Rezensent missvergnügt, der den durchaus vielversprechenden Stoff durch die witz- und fantasielose Rollenprosa verschenkt sieht und dessen Held, wie er moniert, einen allzu "beschränkten Horizont" aufweist. Während die Bettszenen sich durch Klischees auszeichnen, dräut, wenn die Hauptfigur sich schließlich verliebt, handfester Kitsch, so Müller schaudernd. Und weil Kirchner, wie der Rezensent kritisiert, nicht das sprachliche Format eines grotesken Helden aufweist, so pumpt Hvorecky zumindest die Handlung durch immer absurdere Wendungen auf, denen Müller dann aber nicht mehr wirklich zu folgen bereit ist.

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