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Wer war dieser Mann, an dem sich die Geister schieden?In diesem Buch wird das Wichtigste über den Menschen und Politiker Helmut Kohl in sechs Kapiteln thematisiert: von seinen Prägungen, seinem Verständnis von Macht über seine Rolle während des Einigungsprozesses und bei der Integration Europas bis hin zur Parteispendenaffäre und seiner familiären Tragödie. Der Leser erhält dadurch nicht nur ein schärfer konturiertes Bild des sechsten Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Er erhält auch neue Einblicke in Kohls Leben, denn Ralf Georg Reuth begleitete Helmut Kohl jahrelang als Journalist und…mehr

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Produktbeschreibung
Wer war dieser Mann, an dem sich die Geister schieden?In diesem Buch wird das Wichtigste über den Menschen und Politiker Helmut Kohl in sechs Kapiteln thematisiert: von seinen Prägungen, seinem Verständnis von Macht über seine Rolle während des Einigungsprozesses und bei der Integration Europas bis hin zur Parteispendenaffäre und seiner familiären Tragödie. Der Leser erhält dadurch nicht nur ein schärfer konturiertes Bild des sechsten Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Er erhält auch neue Einblicke in Kohls Leben, denn Ralf Georg Reuth begleitete Helmut Kohl jahrelang als Journalist und stützt sich bei seinen Analysen nicht zuletzt auf zahlreiche Gespräche, die er mit ihm über Politik und Zeitgeschichte führte.
Autorenporträt
Reuth, Ralf Georg
Ralf Georg Reuth, geboren 1952 in Oberfranken, studierte Geschichte sowie Germanistik und promovierte 1983 über Hitlers Strategie. Er ist Journalist und Autor mehrerer Bücher zur Geschichte und Vorgeschichte des »Dritten Reiches«, aber auch zur Wende 1989/90.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017

Mit Fortune und Gottes Hilfe

Die Widersprüche in Helmut Kohls Leben arbeitet Ralf Georg Reuth gekonnt heraus: Prinzipientreu hielt der Bundeskanzler - trotz der Zusammenarbeit mit dem Unrechtsstaat DDR - am Ziel der Wiedervereinigung fest.

Von Hanns Jürgen Küsters

Schon lange vor seinem Tod begann der Streit um Helmut Kohls Charakterbild und die "richtige Deutung" seines Lebenswerkes. Momentan überwiegt die Ambivalenz. Im Ausland als Kanzler der deutschen Einheit und großer Europäer gefeiert, scheiden sich hierzulande an ihm die Geister. Kohl gehört zu den historischen Figuren, an der sich jeder reiben kann. Der Journalist und Historiker Ralf Georg Reuth entwirft ein meist wohlwollendes Porträt des Machtmenschen aus der Pfalz, will gängige Vorurteile über Kohl zurechtrücken und kommt zu einigen markanten Folgerungen. Wer die politische Biographie Kohls kennt, wird allerdings kaum Neues entdecken. Die benutzten Quellen sind weitgehend bekannt. Und dennoch macht der Facettenschliff der Widersprüche den Reiz dieser "Annäherung" an den "Riesen" aus.

Erzogen im katholischen Glauben in einem NS-kritischen Elternhaus, in der Jugend geprägt von einem föderal denkenden Priester, entwickelt sich Kohls demokratisches Geschichtsbild. Er galt als Modernisierer, besaß einen klaren Blick für Realitäten und dachte in historischen Dimensionen. Doch sei er weder ein Wertkonservativer noch ein Moderner gewesen, betont Reuth. Ein emotionaler Mensch und Alphatier, das von seinen Gefolgsleuten unbedingte Loyalität verlangte, für die Partei wie ein Vater sorgte, aber auch Eiseskälte zeigen konnte.

Filigrane Netzwerke bis zur Parteibasis garantierten ihm Wissensvorsprung und stärkten seine Position. Dieser Prototyp eines Alleinherrschers machte aus der Honoratiorenpartei CDU in den 1970-er Jahren eine fortschrittliche Volkspartei, spielte virtuos auf der Klaviatur, Menschen für sich zu vereinnahmen, letztlich ebenso Hans-Dietrich Genscher, den er für den Machterwerb brauchte. Reuth übernimmt Vorwürfe von Kohls Sohn Walter, der nach dem Zerwürfnis den Vater als Clanchef der Partei, einem Feudalherrn gleich, sieht, der sich Abhängigkeiten schuf.

Daneben erscheint Kohls Leidenschaft und Augenmaß, fähig, Geduld zu üben, die ihm oft als Führungsschwäche und Aussitzen der Probleme ausgelegt wurden. Nur wenige hätten erkannt, dass diese Form der Polarisierung aus Kalkül geschah, Entscheidungen reifen zu lassen und sich dann festzulegen. Solches Verhalten bescherte ihm das Prädikat eines "mittelmäßigen Kanzlers", ohne gesellschaftspolitische Visionen im Amt, dessen Reformen der Haushaltskonsolidierung, Konjunkturbefeuerung und Unternehmensentlastungen sich "nie zu einem Ganzen" fügten. Von geistig-moralischer Wende gar nicht zu reden.

Prinzipientreu hielt er, trotz Zusammenarbeit mit dem Unrechtsstaat DDR, am Ziel der Wiedervereinigung fest. Nach dem 9. November 1989 sei Kohl im Sinne Machiavellis Fortune und Gottes Hilfe zuteilgeworden. Er nutzte beides und schrieb Geschichte. Weniger die friedliche Revolution als vielmehr der wirtschaftliche Kollaps der Sowjetunion, meinte Kohl später, hätte den Mauerfall bewirkt. Dem demokratischen Mythos entsprach es besser, kritisiert Reuth, eine unblutige Revolution zum Ausgangspunkt der nationalen Einheit zu stilisieren als der gescheiterte Versuch Moskaus, die DDR auf Reformkurs zu bringen. Das bestätigte Kohls Bild vom Arbeiter-und-Bauern-Staat, der mit Wegfall des Klassengegensatzes zur Bundesrepublik seine Existenzberechtigung verlor. Ohne das Vertrauen von Ronald Reagan und George Bush senior wäre ihm die Wiedervereinigung nicht gelungen. Gegner fanden sich bei SPD und unter Intellektuellen. Gerhard Zwerenz, Robert Jungk und Dorothee Sölle wollten nicht wiedervereinigt werden, was heute oft verschwiegen wird.

Kohls Kunst bestand darin, die deutsche Einheit mit der europäischen Einigung zu verbinden. Weil dieses Ziel für ihn eine Frage von Krieg und Frieden war, drückte er mit der starken D-Mark der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion einen deutschen Stempel auf, um den Prozess irreversibel zu machen. Dabei übersah er die klaffende Lücke der Leistungsfähigkeit zwischen Deutschland und den anderen EU-Mitgliedern. Nie intendierte er eine Haftungs- und Schuldengemeinschaft. Vielmehr sollte Deutschland durch Selbstbindung der Gefahr des Hegemons entgehen, was heute niemand mehr sieht und Reuth als Pyrrhussieg einstuft.

Bei allem schossen Medien ein "Trommelfeuer der Kritik" auf Kohl ab, verspotteten die "Kanzlerbirne" wegen der provinziellen Herkunft, dem angeblichen Mangel an Intellekt, Kleinkariertheit, seine konservative Attitüde und Selbstgefälligkeit. Dabei drang manche liberale Ansicht des Parteichefs öffentlich kaum durch. Kohl musste erfahren, wie einsam Macht macht. Berauscht von der Droge Politik, dem Kampf um Einflussnahme und Wahlsiege, war die eigene Partei Familienersatz und Kraftquell. Seine Frau Hannelore willigte ein, spielte ihre Rolle, stellte sich öffentlich schützend vor ihren Mann, ertrug seine Machtgier und zerbrach, schwer erkrankt, innerlich daran.

Viele Deutsche tragen Kohl die Parteispendenaffäre nach und wollen Person und Lebensleistung demontieren. Kohl selbst empfand die "schwarzen Kassen" zwar nicht als legal, doch dienten sie in seinen Augen dazu, mehr "Waffengleichheit" mit dem politischen Gegner herzustellen und dem Vaterland zu nutzen. Für alles zahlte er einen hohen Preis. Bis zuletzt litt er unter der Ohnmacht, sah sich als Kampagnen-Opfer, verlangte Gerechtigkeit, kämpfte verbissen um seine Reputation, gegen die Kanzler-Nachfolgerin und brach mit engen Weggefährten wie Heiner Geißler, Kurt Biedenkopf, Nobert Blüm und Wolfgang Schäuble. Das alles hat Züge griechischer Tragödien.

War Helmut Kohl ein Großer? Deutsche Einheit, Europa und die Parteispendenaffäre verbinden sich, wie Reuth meint, untrennbar mit dem Namen. Zwar sei sein Umgang mit der Macht umstritten, dennoch überstrahle Kohl Adenauer als bedeutendster Deutscher der Nachkriegsgeschichte, gemeinsam mit Bismarck. Beide fügten die verbliebene Reichsmasse wieder zusammen. Reicht das? Wir wissen doch: Wahre historische Größe zeigt sich erst nach größerem Zeitabstand. Doch daran fehlt es noch.

Ralf Georg Reuth: Annäherung an Helmut Kohl.

Piper Verlag, München 2017. 229 S., 20,- [Euro].

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"(...) ein biografischer Essay, geprägt von Sympathie für den verstorbenen Kanzler der Einheit, dabei aber stets kritisch bleibend.", Hessische Allgemeine, 25.11.2017