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Die vorgelegte Sammlung umfaßt alle frühchristlichen Schriften, die nach Gattung, Inhalt und Anspruch für eine Aufnahme in eine kanonische, d. h. kirchlich maßgebliche und verbindliche Sammlung der Texte der frühesten Christenheit in Frage gekommen wären oder tatsächlich in den Kanon aufgenommen wurden. Außer den Schriften des Neuen Testaments sind dies Schriften, die bis etwa zum Jahre 200 n. Chr. entstanden sind.

Produktbeschreibung
Die vorgelegte Sammlung umfaßt alle frühchristlichen Schriften, die nach Gattung, Inhalt und Anspruch für eine Aufnahme in eine kanonische, d. h. kirchlich maßgebliche und verbindliche Sammlung der Texte der frühesten Christenheit in Frage gekommen wären oder tatsächlich in den Kanon aufgenommen wurden. Außer den Schriften des Neuen Testaments sind dies Schriften, die bis etwa zum Jahre 200 n. Chr. entstanden sind.
Autorenporträt
Klaus Berger wurde 1940 geboren und habilitierte 1971. Von 1974 bis 2006 war er Professor für das Neue Testament an der Theologischen Fakultät in Heidelberg und hat bereits 70 Bücher publiziert. Seit 1994 ist er Familiar des Zisterzienserordens (Heiligenkreuz).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Am Anfang ist nicht mehr das Wort
Klaus Berger und Christiane Nord legen ein neues Neues Testament vor / Von Christian Schuler

Es ist die große Leidenschaft des Heidelberger Neutestamentlers Klaus Berger, zwischen Altem und Neuem, Tradition und Modernität eine produktive Spannung herzustellen. Ob in der Deutung von Wundergeschichten oder in der Annäherung an neutestamentliche Figuren, stets bringt Berger ein "schonendes Prüfverfahren" zur Anwendung, das den Zeugnissen der Vergangenheit mit einem Vertrauensvorschuss begegnet und sie nicht vorschnell neuzeitlichem Problembewusstsein opfert. In einer von Respekt getragenen Begegnung mit jahrtausendealten Texten, die mehr als ein rasch ergreifendes Einfühlen sein will, muss für Berger die Distanz zwischen uns und der Zeit der Bibel anerkannt und ausgehalten werden.

So lässt sich der schmale Grat skizzieren, auf dem die Arbeit mit biblischen Schriften, sei es wissenschaftliche oder rein erbauliche, angesiedelt ist. Wie virtuos Berger auf diesem Grat mitunter zu balancieren versteht, wissen viele interessierte Leser, die ihn zu Recht als einen Autor schätzen, der, ohne seicht zu werden oder in Jargon zu verfallen, theologische Themen einem breiten Publikum nahe zu bringen weiß.

Mit der neuen Publikation stößt Berger sozusagen ins Allerheiligste seiner Disziplin vor. Er übernimmt die vielleicht anspruchsvollste theologische Vermittlungsmission, die es geben kann: Zusammen mit der Übersetzungswissenschaftlerin Christiane Nord legt er eine eigene Übertragung des Neuen Testaments und einer Fülle weiterer frühchristlicher Schriften der ersten beiden Jahrhunderte vor: von der Didache über das kuriose Kindheitsevangelium des Thomas bis zu der gnostisch getönten Poesie der "Oden Salomos" aus dem zweiten Jahrhundert. Den Übersetzungen ist eine programmatische Einleitung vorangestellt, deren Leit- und Zauberwort, gemäß neuester Übersetzungstheorie, "Funktionalität" heißt. Die Fremdheit der alten Glaubenszeugnisse soll nicht nivelliert, aber durch eine auf heutige Adressaten zugeschnittene Übertragung "bis zu einem gewissen Grade nachvollziehbar" werden. Der Grundsatz "Je wörtlicher, desto sinngetreuer" wird verabschiedet zugunsten eines inhaltlich entschiedenen Übersetzens.

In der Werkstatt Berger & Nord wird denn auch kräftig gehobelt, und manchen wird es schmerzen, dass sich unter den fallenden Spänen zahlreiche lieb gewordene (luthersche) Wendungen finden. Es sei an der Zeit, so Berger, die Einsichten einer an Rezeptionsästhetik, Handlungs- und Kommunikationstheorie geschulten neueren Übersetzungswissenschaft endlich in die Exegese einfließen zu lassen. Seine Arbeit versteht er folglich als "erste konsequente Anwendung der neuesten Übersetzungstheorie auf die Bibel".

Große sprachliche Frische ist der erste Eindruck, den das Buch auf den Leser macht. Freundlich und gefällig kommen die heiligen Schriften dem Zeitungsleser von heute entgegen, der feststellt, dass es in den Streitgesprächen Jesu mit Pharisäern und Schriftgelehrten packende Dialoge zu entdecken gibt. In den Briefen des Apostels Paulus nähern sich die Übersetzer an vielen Stellen einer Version, die geeignet ist, auch von nichtprofessionellen Sprechern der Gemeinde vorgelesen zu werden. Das Umstürzlerische, Sperrige, mithin das religiöse Wagnis der Heiligen Schrift, so Berger/Nord, resultiere allein aus ihrer aufrüttelnden Botschaft. Deren Geheimnischarakter müsse man nicht noch zusätzlich durch eine kryptische Übersetzungssprache unterstreichen. Doch wie steht es um diese Botschaft und um den "Sinn" der Texte, dem sich Berger/Nord allein verpflichtet fühlen?

Für einige Unschärfen sorgt der Grundsatz, "dass etwas, das ein damals zeitgenössischer Leser aus Erinnerung ,wissen' könnte", vom heutigen Übersetzer "ergänzt werden darf". Und zwar nicht nur in Klammern oder Fußnoten, Zusätze werden vielmehr auf eine Weise in den Text eingeflochten, dass für den Leser kein Unterschied mehr zwischen Vorlage und Einfügung erkennbar ist. Im ersten Kapitel des Jakobusbriefes etwa dienen die Einschübe der Herausgeber dazu, einen Zusammenhang zwischen den rasch aufeinander folgenden Spruchweisheitchen herzustellen. War eben (Jak 1,8) noch vom Zweifler die Rede, in dessen Brust zwei unversöhnliche Seelen wohnen, so springt der Brief im folgenden Vers zu Betrachtungen über Arme und Reiche. Berger/Nord verknüpfen beide Themen mit dem Satz: "Gegensätze zwischen den Menschen sind dagegen leichter auszugleichen." Kurz darauf warnt der Brief vor den Gefahren der Begierde, denen der Gläubige tapfer zu trotzen habe. Darin sieht Berger, wie seine Einfügung ("Das Ganze ist dann wie zweifaches Zeugen und Gebären") zeigt, eine neue Variante des Themas "Zwiespalt", von dem schon im Zusammenhang mit dem Zweifler die Rede war.

Die zunächst scheinbar lose Sammlung von Sprüchen erweckt so den Eindruck von assoziativ verknüpften Variationen über bestimmte Themen. Ein gewagtes Unternehmen, immer in Gefahr, bemüht zu wirken und den Schriften Gewalt anzutun. Auch wenn es hier wohl gerade noch einmal gut gegangen ist, scheint doch die Methode, dem Text unter allen Umständen eine Bedeutung abzuringen, recht fragwürdig. Hat der Übersetzer wirklich Sinn zu produzieren, wo die Vorlage ihn verweigert? Wird die alte Schrift damit nicht zum Rohmaterial für die Sinnexperimente der Nachgeborenen? Womöglich verrät ja die vermeintliche Rohheit und Uneleganz mehr über den Charakter und den Anspruch einer Schrift als eine forsch zupackende Interpretation.

Im fünften Kapitel desselben Briefes wird an die Adresse der Reichen die Mahnung gerichtet: "Euer Gold und Silber ist verrostet, und sein Rost wird euch zum Zeugnis sein und wird euer Fleisch fressen wie ein Feuer." So übersetzte Luther am Urtext entlang und ähnlich nach ihm viele andere. Bei Berger/Nord heißt es: "Euer Gold und Silber sind oxidiert, und die Reste werden euch anklagen und euer Fleisch zerfressen wie Feuer." Diese Stelle steht für zahlreiche andere, an denen sich die Frage aufdrängt: Was klärt diese neue Übersetzung, welche Perspektiven eröffnet sie? Wird das ebenso starke wie gewagte Bildfeld (Gold, Rost, Fleisch) eingängiger, wenn man es durch ein heterogenes ersetzt (Gold, Oxid, Rest, Fleisch)? Hätte man nicht gleich übersetzen können: "Euer Gold und Silber reagieren mit Sauerstoff"? Und wieso soll etwas, gar das Fleisch, durch Oxidreste von Gold und Silber "zerfressen" werden? Der Jakobusbrief geht in seiner Metaphorik bis an die Grenze des literarischen Anstands. Dass Rost gefräßig ist, weiß man aus dem deutschen Sprichwörterschatz. Dass er das Fleisch des Reichen zerfrisst, ist jedoch nur im Zusammenhang mit Gold und Silber verständlich und wenn man voraussetzt, dass im Bewusstsein des Wohlhabenden Besitz und Körper ineins verschmelzen, seine Schätze sind. Warum "Reste" (Berger) aber das Fleisch fressen sollen, wird auch durch eine funktionale Übersetzungstheorie nicht zu klären sein.

Hin und wieder leiten (oder soll man sagen: hemmen?) theologische Bedenken offenbar die Hand der Übersetzer. In Mk 2 wird Jesus gefragt, warum seine Jünger im Gegensatz zu denen des Täufers nicht fasten. Er antwortet mit einem Bild: Solange sie den Bräutigam bei sich haben, ist Festzeit, und wer hätte je gehört, dass Hochzeitsgäste zur hohen Zeit fasten? Berger fügt nun das Wörtchen "künftige" (Hochzeitsgäste) ein und spricht von einer "Vorhochzeit". Über die Gründe für diesen Eingriff darf man spekulieren. Erschien ihm das für eschatologische Bezüge reservierte Bild ("himmlisches Hochzeitsmahl") hier zu gewagt, so dass er sich bemüßigt sah, das Zusammensein des irdischen Jesus mit seinen Jüngern auf den Rang eines Polterabends zurückzustufen? Das Wort "Vorhochzeit", auch wenn es an "Vorpremiere" denken lässt, ist sowohl als Vokabel wie auch in der Sache ungebräuchlich. So wird hier ein theologisches Problem beseitigt, nur damit es als semantisches wiederkehrt.

Von "Vorhochzeit" zu sprechen ist aber auch theologisch fragwürdig: Denn es heißt einen qualitativen Unterschied zu konstruieren zwischen der leibhaften Präsenz Jesu auf Erden und seiner geglaubten himmlischen Existenz. Auch die Anwesenheit des vorösterlichen Jesus wird in Mk 2 als hochzeitlich verstanden, als großer, freudiger Festtag, an dem zu fasten geradezu widersinnig wäre. Warum muss dieser Diesseits-Optimismus geschmälert werden? Und wer gibt den Übersetzern das Recht, die Schrift dem anzugleichen, was sie für theologisch korrekt halten?

Kurz danach erzählt das Neue Testament die Episode, wie Jesus und seine Jünger am Sabbat Ähren rupfen und dafür von den Pharisäern getadelt werden. Jesus antwortet darauf mit dem bekannten Wort, der Sabbat sei für den Menschen, nicht der Mensch für den Sabbat gemacht. Außerdem sei der Menschensohn Herr über den Sabbat. Bei Berger/Nord wird dieser herrschaftliche Anspruch Jesu ersatzlos getilgt. Hier darf Jesus lediglich "den Sabbat zugunsten der Menschen" auslegen. Wo sich die Übersetzer, die eigentlich "Diener des Wortes" zu sein hätten, selbst zu Herren aufschwingen, muss mitunter sogar das Herrsein Jesu zurückstehen.

Was zunächst als Werk der Sprachbefreiung für sich einnahm, erweist sich bei näherem Hinsehen als Ansammlung neuer Befangenheiten. Und auch der bewusste Verzicht auf eigene sprachliche Genialität, der bei Berger/Nord zunächst angenehm auffiel, ist ein zweischneidig Ding. Statt "wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden" heißt es nun: "Wer sich selbst unten einstuft, der kommt nach oben. Wer sich aber oben einstuft, der wird unten enden." Man muss diese Stelle laut lesen, um zu hören, was für hölzerne Faktenprosa dabei herausgekommen ist.

Je mehr man bei der Lektüre ins Detail geht, desto häufiger fragt man sich, was die neue Fassung den bereits existierenden voraushaben und inwiefern sie "funktionaler" sein soll. Hat nicht auch der Sprachklang eine Funktion? Und was ist gewonnen, wenn das Johannesevangelium mit den Worten "Zuerst war das Wort da" beginnt? Nicht sehr benutzerfreundlich ist zudem die Anordnung der Schriften. Denn, ob kanonisiert oder nicht, alle Texte werden in chronologischer Reihenfolge aufgeführt, so dass auf das Matthäus- das Thomas-Evangelium und auf den Titusbrief der Papyrus Cairoensis folgt, ein etwas dürftiges Fragment von wenigen Zeilen, das offenbar nur der Vollständigkeit halber abgedruckt ist. Da die Datierung bei kaum einem der frühchristlichen Texte unstrittig ist und Berger zum Teil eigene Datierungshypothesen vertritt, wird man hin und wieder ein bisschen suchen müssen, bis man das Gewünschte findet. Und mancher wird darüber staunen, dass das Johannesevangelium bei Berger als das früheste erscheint (68/69).

Der Tübinger Exeget Fridolin Stier schrieb einmal: "Wer übersetzt, muss versetzen. Der Treue verschworen, muss er sie brechen." Aber nicht weil er dem Wortlaut keinen verbindlichen Wert beimäße, sondern weil die Sprachen nicht anders können, als "Ver-setzungen" hervorzubringen. Das Brechen eines Textes geschieht im Übersetzen geradezu von selbst. Dies hat Stier nicht als Lizenz zum Zupacken verstanden oder als Einladung, den Text mit Erklärungen, Ergänzungen und Korrekturen zu überhäufen, sondern als Mahnung zu noch größerer Treue gegenüber Wort, Bau und Klang der Vorlage. Und er hat, nah am griechischen Text entlang, "aus Treue", die er brechen musste und die ihm zuweilen große Ausdrucksnot bescherte, eine packende Übertragung des Neuen Testaments in deutscher Sprache geschaffen, die, obwohl (oder weil?) sie sich durch die Vorlage in die Pflicht nehmen ließ, unverwechselbares Profil hat.

"Das Neue Testament und frühchristliche Schriften". Übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1999. 1373 S., geb., 64,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christian Schuler, der Klaus Bergers populärwissenschaftliche theologische Werke eigentlich schätzt, bleibt bei dieser Neuübersetzung des Neuen Testaments und einiger apokrypher Schriften äußerst skeptisch. Der "Funktionalismus" - die neueste Theorie in der Übersetzungswissenschaft - leuchtet ihm hier überhaupt nicht ein. Er besteht nach Schulers Erläuterung im wesentlichen darin, dass das Deutsch aktualisiert werde, und mehr noch, dass unverständliche Brüche im Original durch für den Leser nicht kenntlich gemachte Zusätze überbrückt werden. Im einzelnen hört sich das so an: Wo es in der Luther-Übersetzung heißt "Euer Gold und Silber ist verrostet, und sein Rost wird euch zum Zeugnis sein und wird euer Fleisch fressen wie ein Feuer", schreiben Berger und seine Mitübersetzerin Christiane Nord "Euer Gold und Silber sind oxidiert, und die Reste werden euch anklagen und euer Fleisch zerfressen wie Feuer" Schuler kann sich nicht helfen: Das ist "hölzerne Faktenprosa".

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