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Die Okkupation Griechenlands durch die Deutsche Wehrmacht beeinflusst bis heute das deutsch-griechische Verhältnis. Katerina Králová nimmt die bilaterale Beziehungsgeschichte in den Blick. Ihr Buch bietet grundlegendes Wissen für eine sachliche Diskussion fernab aller Klischees. Ein gemeinsames deutsch-griechisches Erinnern an die Besatzungszeit gibt es (noch) nicht. In Griechenland ist das Geschehen unvergessen, in Deutschland hingegen werden die Greueltaten der Besatzer an der griechischen Zivilbevölkerung verdrängt oder beschwiegen. Die Asymmetrie der Vergangenheitsbewältigungen beeinflusst…mehr

Produktbeschreibung
Die Okkupation Griechenlands durch die Deutsche Wehrmacht beeinflusst bis heute das deutsch-griechische Verhältnis. Katerina Králová nimmt die bilaterale Beziehungsgeschichte in den Blick. Ihr Buch bietet grundlegendes Wissen für eine sachliche Diskussion fernab aller Klischees. Ein gemeinsames deutsch-griechisches Erinnern an die Besatzungszeit gibt es (noch) nicht. In Griechenland ist das Geschehen unvergessen, in Deutschland hingegen werden die Greueltaten der Besatzer an der griechischen Zivilbevölkerung verdrängt oder beschwiegen. Die Asymmetrie der Vergangenheitsbewältigungen beeinflusst bis heute das Verhältnis zwischen den Ländern. Wissensdefizite führen zu Polarisierungen, wie die aktuelle politische Berichterstattung zeigt. Von der deutschen Besatzungspolitik und den direkten Folgen für Griechenland und seine Bevölkerung ausgehend, verfolgt Katerina Králová die deutsch-griechischen Beziehungen seit 1940: über die Restauration in Griechenland nach dem Krieg, die Wiederaufnahme der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, die Strafverfolgung von NS-Kriegsverbrechern und die Debatten um die Reparationsfrage im Zuge des Ost-West-Konflikts, der Wiedervereinigung Deutschlands und der jüngsten Vergangenheit. Das Buch der Historikerin bietet eine verständliche Darstellung der Geschichte bis hin zu den aktuellen Entwicklungen. Die dargestellten Fakten und Zusammenhänge machen die Dringlichkeit der deutschen Aufarbeitung deutlich und mahnen ein nachhaltiges Geschichtsverständnis in beiden Ländern an. In der Tschechischen Republik und in Griechenland ist das Buch bereits publiziert, jetzt folgt die deutsche Übersetzung.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Katerina Králová, Historikerin, ist Professorin an der Karls-Universität Prag. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Zeitgeschichte Griechenlands und Südosteuropas sowie den griechisch-tschechischen Beziehungen. Zuletzt erschien von ihr das zusammen mit Kostas Tsivos verfasste Buch Unsere Tränen sind getrocknet. Griechische Flüchtlinge in der Tschechoslowakei, Verlag Alexandria 2015.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Ausgelaugt
von der Geschichte
Über die grausame deutsche Besatzung
Griechenlands und deren Folgen bis zur Gegenwart
VON KNUD VON HARBOU
Erst jüngst waren sie wieder Gegenstand einer Medienkampagne, die griechischen Reparationsforderungen gegenüber der Bundesrepublik. Begründet wurden die Ansprüche mit den Schäden, die durch die deutsche Besatzung in Griechenland zwischen 1941 bis 1944 verursacht wurden. Scheinen die Rechtspositionen beider Seiten immerhin klar zu sein, so herrscht über die Ursachen hierzulande nach wie vor Unkenntnis. Behaglich richtet man sich unter dem touristischen Sonnenschirm ein und belässt es bei der landschaftlichen Schönheit.
  Jetzt hat der Verlag S. Fischer eine überarbeitete Ausgabe des Standardwerks des englischen Gräzisten und Zeithistorikers Mark Mazower „Inside Hitler’s Greece“ (1993) vorgelegt. Zentrale These bleibt, „dass alles, was in Griechenland auf den Zweiten Weltkrieg folgte (. . .), nur vor dem Hintergrund des totalen Zusammenbruchs von Staat und Gesellschaft zu begreifen ist, den die deutsche Besatzung und ihre tödlichen Folgen mit sich brachten“. Angesichts eines unvorstellbaren Ausmaßes an Mord, Hunger, Ausplünderung und Zerstörung in Griechenland, sieht Mazower als ursächlich das deutsch-italienischen Bündnis. Dieses und nicht, wie lange behauptet, die Alliierten, bedingten als Reaktion die Entstehung der großen linken Widerstandsbewegung EAM (Griechische Nationale Befreiungsfront) und ihres militärischen Ablegers ELAS. Als nach Mussolinis versuchter Invasion ohne klare Kriegsziele Hitler zu Hilfe kam und im April 1941 seinerseits Griechenland okkupierte, entstand ein Machtvakuum. Das „Dritte Reich“ wollte die Griechen nur als Lieferanten für Rohstoffe, Nahrung und Arbeitskräfte, nicht aber, wie ursprünglich vorgesehen, als politische Partner, dazu waren sie Hitler strategisch zu gleichgültig. Deshalb strebten Berlin und in minderem Maße Rom eine bewusst schwache Athener Regierung an, was zur Folge hatte, dass innerhalb weniger Monate die griechische Volkswirtschaft kollabierte. Um zu überleben, schlossen sich die Griechen zunächst spontan zusammen, woraus als soziales Phänomen die Widerstandsbewegung, insbesondere die EAM /ELAS, erwuchs. Sie und ihre Verankerung zumeist im dörflichen Hinterland, wurde mit der gleichen mörderischen Logik von Gewaltexzessen und Terror überzogen, wie zuvor schon jene Bewegungen in Polen und der Ukraine.
  Mazower beschreibt diese Vorgehensweise anhand vieler unbekannter Einzelbegebenheiten, die Einblick in die tief verinnerlichte Täterideologie geben. Dazu zählen auch die skrupellosen und mit beträchtlichem Aufwand betriebenen Deportationen von Juden, allein 60 000 aus Saloniki. Umgekehrt ließ der Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung bis hin zu gezieltem Verhungern den Widerstand rapide anwachsen; die EAM/ELAS zählte nach eigenen Angaben 1944 mehr als eine Million Mitglieder. Hermann Görings Vierjahresplan sah eine Versorgung der Griechen nur an letzter Stelle aller besetzten Länder vor, was die Griechen selbst produzierten, wurde konfisziert. Die Stimmung eskalierte nicht nur wegen dieser Umstände, sondern auch, weil die Deutschen begannen, die bereits angedrohte zivile Mobilmachung umzusetzen. Das löste am 5. März 1943 einen Generalstreik aus, mit der Folge, dass das verunsicherte NS-Regime den mit den Deutschen kollaborierenden Royalisten Ioannis Rallis als Ministerpräsidenten einsetzten, um der Situation Herr zu werden. Der Einfluss der EAM war in den Städten deutlich spürbar geworden, genauso wie auf dem Land, wo sich Partisanenverbände, sogenannte Andarten, unter Führung der ELAS konstituierten. Sie machten eine Kontrolle über den Nordosten, das Zentrum und den Südwesten Griechenlands fast unmöglich.
  Wie sehr die Partisanen der Wehrmacht zu schaffen machten, zeigte sich an den blindwütigen Sühne- oder Vergeltungsmaßnahmen, die mit den Namen der Dörfer Kalavryta, Klissoura, Distomo verbunden, abseits aller Kategorien von Schuld und Unschuld nur dem blanken Terror dienten. Anhand des kleinen westgriechischen Dorfes Kommeno im August 1943 ermittelt das Buch detailliert alle Vorgänge einer solchen Auslöschung. Diese „Säuberungen“ eskalierten sprunghaft, so dass ganze Regionen verwüstet wurden, es blieb das aus dem Russlandkrieg bekannte „tote Land“. Keines der Opfer wurde je entschädigt. Auftrieb erhielt der Widerstand besonders durch die sich abzeichnende deutsche Niederlage und die Auflösungserscheinungen der verbliebenen italienischen Heeresverbände nach dem Putsch gegen Mussolini Ende Juli 1943. Der sich so zuspitzenden Lage planten SS und SD mittels der bewährten Kriegsführung der verbrannten Erde zu begegnen.
  Sehr deutlich zeichnet Mazower die Strukturen der Besatzungsbürokratie in Kooperation zwischen SS, Wehrmacht und Auswärtigem Amt. Immer stärker sah sich diese mit den fest verankerten Widerstandszentren, besonders in Nordgriechenland, konfrontiert. Schon von jeher nur lose mit dem Zentralismus verbunden, nicht nur geografisch, sondern auch mangels Identifikation mit der herrschenden bürgerlichen Schicht, entwickelten die ländlichen Gebiete und Kommunen zusehends neue volksdemokratische Strukturen. Seit 1943 waren die politischen Fraktionen klar aufgespalten: ein bürgerlich-royalistischer Block und die Republikaner, die sich im Antikommunismus einig waren, sowie die Kommunisten, deren Bedeutung seit 1942 kontinuierlich sank.
  Dazwischen die Deutschen, die ihre Sicherheitsbataillone gegen die Engländer positionieren, letztlich aber nur Allianzen gegen die Kommunisten schmieden wollten. „Das Land polarisierte sich immer mehr, der moderate Nationalismus verschwand.“ Je nachdem schlossen sich die Griechen als kleinerem Übel entweder den Deutschen an, die ihre Vorherrschaft in Mittelgriechenland und auf dem Peloponnes brutal festigen wollten oder es kämpften nationalistische Einheiten im Norden direkt gegen kommunistische Hochburgen. Im Sommer 1944 versank Athen beinahe komplett in Anarchie. Die meisten Bewohner waren so erschöpft, dass sie jeden unterstützten, der ihnen ein Ende der Gewalt versprach. „Wir sind von der Geschichte ausgelaugt.“
  Über diesen Fleckenteppich verschiedener Interessen und nicht endender Grausamkeiten ist viel geschrieben worden. Mark Mazower zeichnet hier feinfühlig in einer glänzenden Übersicht die Positionen nach. Stabilisieren sollte sich die innenpolitische Lage nicht: Nach dem überhasteten Abzug der Deutschen 1944 fungierten englische Truppen und die EAM/ELAS noch am ehesten als Kräftezentren. Die Linke hatte dem überlegenen englischen Militär nichts entgegenzusetzen. Ihre Niederlage in Athen war nur das Vorspiel zu einem rechten Terror in den urbanen Regionen. Antikommunistische Politiker eroberten mit US-Hilfe und Unterstützung der Engländer die Macht zurück, die sie während der Besatzung verloren hatten. In den Bergen hingegen formierten sich die Andarten neu in einer Bewegung, die für die von den Briten gesteuerte Regierung zu großer Bedrohung erwuchs. Wenigstens in Athen hatten die Alliierten ihr Ziel einer Restauration der konservativen Eliten erreicht.
  Mazower illustriert das Leben während der Besatzungsherrschaft mit Aussagen Überlebender. Die tschechische Historikerin Katerina Králová greift in ihrer sehr lesenswerten Studie diese für Griechen unvergessene Erinnerung auf, konfrontiert sie mit dem deutschen Beschweigen und entwickelt aus dieser Asymmetrie eine Geschichte der bilateralen Beziehungen: Über die Restauration in Griechenland nach dem Krieg, die Abhängigkeit von der deutschen Wirtschaft, die unterlassene Strafverfolgung der NS-Täter und höchst aktuell die Debatte über die Reparationsansprüche.
Der frühere SZ-Feuilletonredakteur Knud von Harbou ist Historiker und veröffentlichte 2015 ein Buch über die Gründungsgeschichte der SZ („Als Deutschland seine Seele retten wollte“).
Ganze Regionen wurden
verwüstet – als „Vergeltung“ für
Partisanen-Attacken
Mark Mazower:
Griechenland unter Hitler. Das Leben während der deutschen Besatzung 1941-1944. Übersetzt von
A. Emmert, J. Pinnow und U. Schäfer. S. Fischer
Verlag, Frankfurt 2016.
528 Seiten, 29,99 Euro. E-Book: 26,99 Euro.
  
Katerina Králová:
Das Vermächtnis der
Besatzung. Deutsch-griechischen Beziehungen seit 1940. Aus dem Griechischen von Odysseas Antoniadis und Andrea Schellinger. Böhlau-Verlag, Köln 2016. 283 Seiten, 29,99 Euro.
Zeugen wider das Vergessen: Am 10. Juni 1944 ermordeten Soldaten der Waffen-SS
in dem Dorf Distomo 218 Menschen. Die Angehörigen der Opfer kämpfen seit Jahrzehnten um finanzielle Hilfe
aus Deutschland – bislang ohne Erfolg.  
Foto: Yannis Behrakis/Reuters
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Verhandlungssache Kriegsverbrechen
Deutsch-griechische Beziehungen während und nach der nationalsozialistischen Besatzung

Am 26. Januar 2015, dem Tag nach seinem ersten Sieg bei einer Parlamentswahl, legte der noch nicht einmal als Ministerpräsident vereidigte Alexis Tsipras am Mahnmal in dem Athener Vorort Kaisariani vier rote Rosen zum Gedenken an Griechen nieder, die dort 70 Jahre zuvor von der SS erschossen worden waren. Der Ort, sagte sein Sprecher, stehe "für das Verlangen der Griechen nach Freiheit, nach Unabhängigkeit von der deutschen Besatzung". Die Botschaft, die Tsipras damit übermittelte, hatten er und seine Partei im Wahlkampf immer wieder betont: Was die Deutschen den Griechen mit der Besatzung von 1941 bis 1944 angetan hatten, das wiederholten sie nun durch die dem Land auferlegte Sparpolitik. Der Auftritt in Kaisariani bildete den Auftakt zu Tsipras' erster Amtszeit als Ministerpräsident, die vor allem aus Symbolpolitik bestand. Kurz darauf entfachte seine Regierung die Debatte über Reparationszahlungen neu. Über Wochen hielt sich das Thema in den Medien, auch wenn Berlins Regierungssprecher Seibert Athen im März geantwortet hatte, die Frage von Reparationszahlungen sei "rechtlich und politisch abgeschlossen".

Es wäre hilfreich gewesen, wenn Mark Mazowers auf Englisch bereits 1995 erschienenes Buch "Griechenland unter Hitler" schon damals auf Deutsch vorgelegen hätte, denn es bietet trotz einiger Ungenauigkeiten auch heute noch eine gute Einführung in die Verbrechen der deutsch-italienisch-bulgarischen Besatzungszeit in Griechenland - etwa in Kaisariani, wo am 1. Mai 1944 die SS 200 Geiseln erschoss. Stellenweise ist dem Buch anzumerken, dass Mazower sich stark von griechischen Quellen leiten ließ und so auch einige strittige Sichtweisen griechischer Historiker übernahm. Dazu gehört die in Griechenland oft zu hörende Behauptung, die im Winter 1941/42 in Athen wütende Hungersnot sei "die schlimmste im besetzten Europa außerhalb der Konzentrationslager" gewesen. Zählt man das im okkupierten Russland belagerte Leningrad indes zum besetzten Europa, so forderte die Tragödie an der Newa ungleich mehr Opfer, was die Hungersnot in Athen nicht harmloser macht.

Mazower beschreibt die Entstehung und das Vorgehen der griechischen Widerstandsgruppen, lässt aber einen zentralen Aspekt unbeachtet, der in Griechenland lange ein Tabu war und es zum Teil noch ist. Doch ohne diesen Aspekt lässt sich der Bürgerkrieg, der sich nahtlos an die deutsche Besatzung anschloss und 1949 mit dem Sieg der von den Amerikanern unterstützten Bürgerlichen endete, nicht verstehen: Dass auf Seiten der Kommunisten bis zu 30 000 slawischsprachige Mazedonier kämpften, denen das Zentralkomitee der griechischen kommunistischen Partei für den Fall eines Sieges die Abspaltung von Griechenland versprochen hatte, erwähnt Mazower nicht, womit das Bild an einer entscheidenden Stelle verschwommen bleibt. Insgesamt aber schildert er faktenreich, wie die Besatzung das Land in einen Strudel aus Gewalt und Blut hinabzog.

Wo Mazower endet, setzt die tschechische Historikerin Katerina Králová mit ihrer Darstellung der deutsch-griechischen Nachkriegsbeziehungen ein. Sie nutzt vor allem deutsches Aktenmaterial, da die Arbeit in staatlichen griechischen Archiven schwierig sei: "Dies liegt an der umständlichen und hinderlichen Bürokratie, aber auch an der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Archivpersonals ausländischen Forschern gegenüber", so Králová. Dennoch kann sie ihre These belegen, dass der Umgang der Athener Nachkriegsregierungen mit Entschädigungsforderungen für die Okkupationszeit durch die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Bonn "beeinflusst", in manchen Fällen "diktiert" worden sei: "Ab Beginn der 1950er Jahre fungierte die Ahndung von Kriegsverbrechen als Verhandlungsgegenstand zwischen griechischer und deutscher Seite zur Erreichung anderer Ziele." Etwa bei dem "Tabak-Abkommen", das 1950 bei einem Besuch des stellvertretenden griechischen Regierungschefs Giorgos Papandreou in Bonn unterzeichnet wurde: "Als Gegenleistung zur Befreiung von der Tabaksteuer war Griechenland bereit, sich aus den Verhandlungen über Reparationen zurückzuziehen", zitiert Králová aus den Akten. Später war es Athen wegen der hohen Arbeitslosigkeit wichtiger, "Gastarbeiter" nach Deutschland zu entsenden, als Reparationen einzufordern.

Hinzu kommt, dass Griechenlands Politik von 1949 bis zum Sturz der Militärdiktatur 1974 antikommunistisch geprägt war und die Angst vor der Sowjetunion vor allem in den fünfziger Jahren Bonn und Athen einte. Auch aus innenpolitischen Gründen schoben Athener Regierungen "die Verantwortung für die Verwüstung des Landes fast ausschließlich den griechischen Kommunisten und Angehörigen des linken Widerstands zu". Griechische Regierungspolitiker übten Druck auf die Justiz aus, "sich nicht weiter mit der Verhaftung von Kollaborateuren zu befassen".

Die Kollaborateure von gestern wurden zu den Antikommunisten von heute und gingen meist straffrei aus. Einige deutsche Täter nicht. Mehrere deutsche Offiziere wurden wegen Kriegsverbrechen auf Kreta und an anderen Orten zum Tode verurteilt. Alexander Löhr, Hitlers "Oberbefehlshaber Südost", wurde 1947 hingerichtet, in Belgrad allerdings. Viele andere Beteiligte an Massakern wie jenen in Distomo oder Kalavryta wurden jedoch nie belangt. Athen hatte 1959 im Gegenzug für Wirtschaftshilfe gesetzlich die Einstellung der Verfolgung mutmaßlicher deutscher Kriegsverbrecher festgelegt - in der Erwartung, dass die Bonn übergebenen Ermittlungsakten von der westdeutschen Justiz aufgegriffen würden. Enttäuschung folgte, als nach der Überstellung von 685 Fällen "aus den betreffenden Listen nach zweieinhalb Jahren Vorermittlungen kein einziger bekannt war, bei dem es zur Hauptverhandlung gekommen war", so Králová. Das lag zum einen am Unwillen der westdeutschen Justiz, aber auch an den Mängeln der übergebenen Akten, in denen zum Teil nur Vor- oder Spitznamen der Gesuchten auftauchten und nicht einmal deren Einheit genannt wurde.

Die Wechselwirkung zwischen Vergangenheitsbewältigung und Wirtschaftspolitik zeigt Králová auch am Beispiel der Verhandlungen über Entschädigungszahlungen für vom NS-Regime verfolgte Griechen. Zur Endphase der Verhandlungen hielt sich Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß wohl nicht zufällig zu Gesprächen in Athen auf, um den Kauf größerer Mengen an Munition und Textilien aus Griechenland zuzusagen. Parallel dazu wurde zwischen Griechenland und der Bundesrepublik ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet.

In der Entschädigungsvereinbarung von 1960 verpflichtete sich Bonn zur Zahlung von 115 Millionen DM an griechische Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Zuvor hatte Außenminister Evangelos Averoff an den deutschen Botschafter in Athen die Bitte gerichtet, seiner Regierung zuzugestehen, über die Entschädigungssumme "mit einer gewissen Ermessensfreiheit zu verfügen, denn sonst würden die Gelder praktisch zum großen Teil an Juden und Kommunisten gehen". Letztlich erhielten einstige griechische KZ-Insassen als einmalige Zahlung 150 Mark pro im Lager verbrachten Monat. Královás Buch vermittelt einen erhellenden Eindruck von den Nachkriegsbeziehungen zwischen Griechenland und Westdeutschland. Interessant wäre es gewesen, auch zu erfahren, wie die DDR und Griechenland, die 1973 volle diplomatische Beziehungen aufnahmen, mit der Thematik der Besatzungszeit umgingen.

MICHAEL MARTENS

Mark Mazower: Griechenland unter Hitler. Das Leben während der deutschen Besatzung 1941-1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 528 S., 26,99 [Euro].

Katerina Králová: Das Vermächtnis der Besatzung. Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940. Böhlau Verlag, Wien 2016. 283 S., 26,99 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Michael Martens hätte sich gewünscht, das Mark Mazowers Geschichte der deutschen Besatzung Griechenlands bereits früher auf dem hiesigen Buchmarkt erhältlich gewesen wäre, im Original ist das Buch schließlich schon 1995 erschienen. Dann hätte die Berliner Regierung vielleicht nicht ganz so kühl die Frage nach Reparationszahlungen für abgeschlossen erklärt. Mazower bietet ihm eine gute Einführung in das Geschehen, die deutsche Verbrechen im besetzten Griechenland schildert er ebenso kenntnisreich wie auch die Entstehung der Widerstandsgruppen. Allerdings glaubt Martens zu erkennen, dass sich Mazower sehr auf griechische Historiker stützt und dabei auch deren Tabus übernimmt. Etwa wenn es darum geht, ob die griechischen Kommunisten im Bürgerkrieg ihren verbündeten makedonischen Partisanen im Falle eines Sieges die Abspaltung gewährt hätten.

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