Die Wurzeln des islamischen Fundamentalismus
Tilman Seidensticker, Professor für Islamwissenschaft, definiert zu Beginn seiner Ausführungen den Begriff „Islamismus“. (9) Anhand dieser Definition wird deutlich, dass es beim Islamismus um mehr geht, als um die Ausübung von Religion. Ziel ist die
Umgestaltung der Gesellschaft anhand von Werten und Normen, die als islamisch angesehen werden. An…mehrDie Wurzeln des islamischen Fundamentalismus
Tilman Seidensticker, Professor für Islamwissenschaft, definiert zu Beginn seiner Ausführungen den Begriff „Islamismus“. (9) Anhand dieser Definition wird deutlich, dass es beim Islamismus um mehr geht, als um die Ausübung von Religion. Ziel ist die Umgestaltung der Gesellschaft anhand von Werten und Normen, die als islamisch angesehen werden. An dieser Stelle werden zwei Probleme erkennbar und zwar ein inneres und ein äußeres. Hinsichtlich der Werte und Normen besteht innerhalb des Islam keine Einigkeit und die Werte und Normen sollen für die gesamte Gesellschaft, also auch für andere religiöse Gruppierungen, gelten. Beide Probleme führten in der Vergangenheit und führen auch heute zu Konflikten.
Der Islam ist nur auf Basis seiner geschichtlichen Entwicklung zu verstehen. Seidensticker erläutert daher den geschichtlichen Hintergrund, erklärt Wahhabismus und Salafismus, beschreibt die Entwicklung des Osmanischen Reiches, thematisiert den Kolonialismus und geht exemplarisch auf die Situation in Ägypten ein. Wer glaubt, dass hier ein einfaches Bild gezeichnet werden kann, wird eines besseren belehrt. Die Entwicklung ist vielschichtig, so wie auch die islamischen Führer, deren Biografien Seidensticker vorstellt, unterschiedlich sind. Einer der bekanntesten Führer ist Khomeini, der Gründer der Islamischen Republik Iran.
In den Medien wird man ständig mit Organisationen, Parteien und Gruppierungen aus der islamischen Welt konfrontiert, deren Entstehung und Ziele nicht allgemein bekannt sind. In den ausführlichen Beschreibungen werden die unterschiedlichen Strömungen deutlich und die Leser erhalten Informationen, ob es sich um radikalislamistische Gruppierungen oder eher um gemäßigte politische Gruppen handelt. Der Autor relativiert den Zusammenhang zwischen Selbstmordattentaten und der islamischen Religion, da solche Attentate der klassischen islamischen Tradition widersprechen. (113)
Das Buch ist sachlich, kompakt, informativ, aber auch ein wenig trocken. Auf nur 128 Seiten wird viel Inhalt geboten, wenngleich im Hinblick auf die Vielschichtigkeit des Themas Schwerpunkte gesetzt werden. So liegt der Fokus auf der arabischen Welt. Vermisst habe ich Ausführungen zu IS und Syrien, Themen, die in einem Buch von 2014 hätten behandelt werden können. So entsteht der Eindruck, dass das Gefahrenpotenzial des Islamismus nicht hinreichend behandelt wird.