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In seinem Paß steht: Jean Baptist Warnke. Ein Name, der zum Diplomaten prädestiniert. Und das ist Warnke denn auch geworden. Als zweiter Mann der niederländischen Botschaft in Lima ist er mit Frau und zwei Kindern in Peru stationiert. Ein einträglicher, ruhiger Job. Täglich geht er ins Café die Newsweek lesen – und trifft dabei Malena, die Englisch lernt und ihn ihren Freunden vorstellen will. Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung – warum nicht? Doch schon entgleitet Warnke sein ganzes Leben, während er voller Leidenschaft in den Bann der Studentin gerät. In der japanischen Botschaft in…mehr

Produktbeschreibung
In seinem Paß steht: Jean Baptist Warnke. Ein Name, der zum Diplomaten prädestiniert. Und das ist Warnke denn auch geworden. Als zweiter Mann der niederländischen Botschaft in Lima ist er mit Frau und zwei Kindern in Peru stationiert. Ein einträglicher, ruhiger Job. Täglich geht er ins Café die Newsweek lesen – und trifft dabei Malena, die Englisch lernt und ihn ihren Freunden vorstellen will. Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung – warum nicht? Doch schon entgleitet Warnke sein ganzes Leben, während er voller Leidenschaft in den Bann der Studentin gerät. In der japanischen Botschaft in Lima kommt es bei einem Empfang zu einer legendären Geiselnahme. Die niederländische Botschaft aber ist unter den Gästen nicht vertreten. Den Haag fragt sich, warum eigentlich nicht. Rasant erzählt Arnon Grünberg die Geschichte von einem, der sich raushalten wollte, arriviert zu sein glaubte – da gerät alles aus den Fugen, mit unerhörten Folgen für sein ganzes Leben.
Jean Baptist Warnke hat nicht nur einen Job als Diplomat, er hält sich auch im Privatleben aus allem diplomatisch heraus. Bis er sich in Lima mit Haut und Haar verliebt. Doch wer ist die Studentin Malena? Eine feurige Liebe, die ungeahnten Zündstoff enthält...
Autorenporträt
Arnon Grünberg, 1971 in Amsterdam geboren, lebt und schreibt in New York. Neben allen großen niederländischen Literaturpreisen wie dem Anton-Wachter-Preis, dem AKO-Literaturpreis, dem Libripreis und dem Constantijn-Huygens-Preis für sein Gesamtwerk erhielt Arnon Grünberg 2002 den NRW-Literaturpreis.
Neben seinen literarischen Arbeiten verfasst er einen täglichen Blog und ist in den Niederlanden bekannt für seine Kolumnen und Reportagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2006

Äffchen mit Lostrommel
Arnon Grünbergs Roman "Gnadenfrist"

Ein Mann ohne Eigenschaften und Meinungen, der dann auch noch Jean Baptist Warnke heißt, kann eigentlich nur die diplomatische Laufbahn einschlagen. Warnke ist zweiter Mann der niederländischen Botschaft in Lima, ein idealer Posten für ihn. Der alte Botschafter kümmert sich mehr um sein Gärtchen und seine Vitaminpräparate als um Politik; zum Aufgabengebiet Warnkes gehören die Vorbereitung der Grillparty zu Ehren des holländischen Außenministers, Cocktailpartys und hin und wieder eine Dienstreise zur Ananas-Musterplantage ehemaliger Kokabauern. "Het aapje dat geluk pakt" hieß Arnon Grünbergs Roman im Original: Warnke fühlt sich wie das Äffchen, das auf den Straßen von Lima Glückslose zieht. "Gemütlich und zeitlos, so fühlt es sich an, in einem Irrtum zu leben. Es kann immer so bleiben, es braucht nie aufzuhören."

Daß Warnke im Irrtum lebt, zeigt sich zunächst nur an kleinen Irritationen. Er hört manchmal Geräusche und träumt von einem Amoklauf gegen Frau, Kinder und Freunde. Aus der Bahn geworfen aber wird der glückliche Spießer erst durch seine Begegnung mit einer jungen Peruanerin. Warnke ist viel zu naiv, um Malenas Zutraulichkeit zu mißtrauen. Nicht einmal als sie ihm Päckchen für die Diplomatenpost mitgibt und auf einem "Liederabend" in einem verrufenen Vorort ihre merkwürdigen Freunde vorstellt, schöpft er Verdacht. Erst als Malena ihrem "Chunquituy", ihrem "Schätzchen", beiläufig abrät, den Neujahrsempfang in der japanischen Botschaft zu besuchen, geht ihm langsam ein Licht auf: Wenig später sieht Warnke im Fernsehen "Tupac-Amaru"-Terroristen in die japanische Botschaft eindringen: Grünberg bezieht sich auf das Geiseldrama von 1996/97, das Präsident Fujimori mit einem Massaker beenden ließ. Malena bleibt verschwunden, Warnkes Gnadenfrist ist abgelaufen: Der Diplomat wird seine Stelle und noch mehr verlieren.

Warnke hat Malena geliebt, wie ein gewissenhafter Botschaftsangestellter, dem alle Abenteuer, Ideale und Ideologien suspekt sind, nur lieben kann; ihretwegen hat er sogar begonnen, Gedichte zu schreiben. Jetzt ist ihm der Rückweg ins Idyll verstellt, und der blinde Narr büßt seinen Irrtum bis zur letzten Konsequenz. Er verschmäht die goldenen Brücken, die Den Haag ihm baut, zerfetzt das Kuscheltier seiner Frau und verläßt seine Kinder, um sich in Kirchen und Tramperabsteigen herumzutreiben und von Straßenjungen ausrauben zu lassen. Willenlos und doch seltsam hochgestimmt, taumelt er in einen Abgrund aus Verwahrlosung, Wut und ekstatischer Verzweiflung. Am Ende wird er sich einen Sprengstoffgürtel umschnallen und zum Amokläufer aus Haß und Liebe werden: "Das ist für mein Chunquituy."

Arnon Grünberg gibt keine Erklärungen für das Unbegreifliche, weder politische Rechtfertigungen noch psychologische Begründungen. Mit lakonischer Kälte, hie und da gemildert durch sanfte Ironie und absurden Humor, schildert er den Höllensturz eines arrivierten Diplomaten. Im Nachwort, seinem Bericht über eine Lima-Reise, heißt es: "Was Menschen tun, tun sie aus Sehnsucht nach einem besseren Leben, doch da beginnt das Problem, denn ich glaube an wenig. Nicht an ein Haus, das man sich einrichten muß, nicht an die Ehe, nicht an einen Ort, von dem sich sagen läßt: Hierher gehöre ich, nicht an Familie, Vaterland, Freundschaft. Was ich mit anderen Menschen teile - und das sind die flüchtigen Momente, in denen ich die Menschen nicht als Schatten wahrgenommen habe, sondern als elegant geformte Klumpen Fleisch -, ist Verzweiflung."

Es gibt keine "normalen Menschen", nur Patienten, erfolgreiche, die sich auf Kosten anderer über Wasser halten, und weniger erfolgreiche, die auf eigene Faust untergehen. Was für Malcolm Lowrys Konsul aus "Unter dem Vulkan" der Alkohol und für Graham Greenes Diplomaten Gott, ist für Warnke die unverhoffte Gnade der Liebe: ein metaphysischer Unfall, der ihn allen sozialen, politischen und privaten Beziehungen entfremdet, zum menschlichen Wrack und Selbstmordattentäter macht - und seinem Leben erstmals Sinn gibt.

Grünberg galt bisher als eine Art Amsterdamer Woody Allen, der, ähnlich wie sein Landsmann Leon de Winter, mit jüdischem Witz und grimmigem Behagen die Neurosen, Alltagskatastrophen und erotischen Verwirrungen einer aus den Fugen geratenen Welt aufspürte. In "Der Vogel ist krank" schilderte er die groteske Dreiecksbeziehung zwischen einem resignierten Zyniker, seiner Freundin und einem dreisten Asylbewerber; unter dem Pseudonym Marek van der Jagt hat er die Abgründe von "Amour fou" und der globalen Liebesunordnung noch anarchischer und obszöner ausgeleuchtet. Mit "Gnadenfrist" ist ihm jetzt ein Roman gelungen, der beeindruckt und überzeugt - bis auf den Schluß, denn das falsche Idyll wird zu plötzlich und plakativ in die Luft gesprengt. Aber wie der vierunddreißigjährige Shooting-Star der niederländischen Literatur leichthändig und dabei erschreckend ungerührt eine Tragikomödie diplomatischer Souveränität, bürgerlichen Glücks und westlicher Arroganz im Hexenkessel von Lima erzählt, das macht ihm so schnell niemand nach.

Arnon Grünberg: "Gnadenfrist". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Rainer Kersten. Diogenes Verlag, Zürich 2006. 154 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beeindruckt hat Rezensent Martin Halter Arnon Grünbergs neuen Roman beiseite gelegt. Mit seiner "leichthändig" und dabei "erschreckend ungerührt" erzählten Tragikomödie aus dem Diplomatenmilieu habe Grünberg neue Regionen seiner Kunst erschlossen. Zu diesem Zweck habe er sich nach Lima begeben, genauer gesagt in die dortige Botschaft der Niederlande, wo sich der alte Botschafter mehr um seinen Garten als um die Politik kümmert. Im Zentrum sieht der Rezensent daher seinen pflichtbewußten Stellvertreter Warnke stehen, der bald von einer Liebesaffäre völlig aus der Bahn geworfen wird. Und zwar soweit, dass er beginnt, von einem "Amoklauf gegen Frau, Kinder und Freunde" zu träumen. Grünberg gibt keine psychologischen Erklärungen, sondern schildert das "Unbegreifliche" mit lakonischer Kälte, nur gelegentlich von Humor angewärmt, erklärt der Rezensent, dem das offenbar gut gefallen hat. . Lediglich das Ende ist ihm ein wenig zu plakativ.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2006

Botschafter auf Abwegen
Arnon Grünberg sprengt einen goldenen Käfig
Jede Kultur hat die literarischen Helden, die sie verdient. Bedürfte diese These noch eines weiteren Beweises von der wohlhabenden Nordhalbkugel, mit Arnon Grünbergs neuem Roman „Gnadenfrist” wäre er erbracht. Hauptfigur des Buches ist der satte Biedermann Jean Baptist Warnke, Vize der niederländischen Vertretung in Lima. „Bei einem Botschaftslunch zu Ehren zweier niederländischer Nonnen, die sich seit fünfundzwanzig Jahren für minderjährige Schuhputzer einsetzen, geht Jean Baptist Warnke mit einem Mal auf, daß seine Zufriedenheit schon fast etwas Anstößiges hat. Schöner kann das Leben nicht mehr werden, und das braucht es auch nicht.”
So beginnt das einstige Wunderkind der niederländischen Literatur Arnon Grünberg, 1971 in Amsterdam geboren, seine - nur rund 150, großzügig bedruckte Seiten lange - Version europäischen Heldentums zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Zwar ist damit auch sofort klar, dass sich hinter so viel Wohlgefallen bald ein Abgrund auftun muss, aber das mindert das Vergnügen kein bisschen. Denn der Autor scheint die Sache ziemlich sportlich genommen zu haben. Das Motto des 2004 als Auftragsarbeit anlässlich des Literarischen Büchermonats des Amsterdamer Buchhändlers de Bijenkorf entstandenen Romans muss gewesen sein: Wo die Ausgangslage einen wirklich existenziellen Konflikt eigentlich völlig ausschließt, da macht es nur umso mehr Spaß, die Schraube so lange zu drehen, bis es doch so weit kommt.
Bevor es um Leben und Tod geht, ist der Leser Zeuge, wie sich der biedere Botschafter durch seine ereignislosen Tage schleppt, schlaff seinen Gedanken und Erinnerungen nachhängt, abends gerührt seine beiden wunderbaren Töchter badet und danach neben seiner perfekten Frau vor dem Fernseher sitzt. Präzise vermisst Grünberg den selbstgewählten goldenen Diplomaten-Käfig mitsamt seinem Protagonisten, kein Satz, kein Wort zuviel beschwert die schlanke Prosa. Die vielen feinen Risse in Warnkes Routine-Leben erscheinen nicht als plumpe Volten des Plots sondern vielmehr als unaufdringliche Mitgift des Erzählflusses.
Wenn Warnke dann einem peruanischen Mädchen verfällt, er, der eigentlich peinlich genau darauf bedacht ist, den Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu vermeiden - dann ist man schon so verstrickt in die Geschichte, dass man ihr umso willfähriger folgt, je schräger ihre Wendungen werden. Von denen soll hier aber nur so viel verraten werden: Das Geiseldrama in der japanischen Botschaft von Lima in den Jahren 1996 und 1997, das der peruanische Präsident Fujimori damals mit einem Massaker beenden ließ, spielt eine Rolle und - später - auch ein Bombengürtel um Warnkes Hüfte.
„Diplomatie ist die Kunst des Möglichen”, so wird Warnke an einer Stelle von seinem Chef belehrt. Arnon Grünbergs Buch darf als Beweis dafür gelesen werden, dass die Literatur die Kunst ist, welche die Möglichkeit des Unmöglichen glauben machen kann. Und wenn es nur für ein paar Stunden ist, für eine Art Gnadenfrist. JENS-CHRISTIAN RABE
ARNON GRÜNBERG: Gnadenfrist. Roman. Aus dem Niederländischen von Rainer Kersten. Diogenes Verlag, Zürich 2006. 154 Seiten, 17,90 Euro.
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