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Die Globalisierung fordert dringend einen intensiveren Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen. Verglichen mit früheren Zeiten hat die Poesie dabei heute eineganz anders gelagerte Verantwortung. Erkundung des Bösen ist die jüngste Gedichtsammlung des chinesischen Dichters Yang Lian in deutscher Sprache. Sie steht in engem Zusammenhang mit den aktuellen Dilemmata Chinas und der Welt: Hongkong, die Pandemie, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, Exilschicksale im neuen Kontext. Krise, Denken und Dichtung stimulieren sich wechselseitig, und die Frage nach der Menschlichkeit schließt…mehr

Produktbeschreibung
Die Globalisierung fordert dringend einen intensiveren Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen. Verglichen mit früheren Zeiten hat die Poesie dabei heute eineganz anders gelagerte Verantwortung. Erkundung des Bösen ist die jüngste Gedichtsammlung des chinesischen Dichters Yang Lian in deutscher Sprache. Sie steht in engem Zusammenhang mit den aktuellen Dilemmata Chinas und der Welt: Hongkong, die Pandemie, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, Exilschicksale im neuen Kontext. Krise, Denken und Dichtung stimulieren sich wechselseitig, und die Frage nach der Menschlichkeit schließt sich an. Einzigartig ist diese Sammlung auch wegen der Übersetzungen durch eine vielseitige Gruppe deutschsprachiger Dichter:innen und Übersetzer:innen. Dichter:innen wie Joachim Sartorius, Jan Wagner, Ann Cotten, Dieter M. Gräf und Hans Christoph Buch führen damit das Projekt gegenseitiger Übertragungen zwischen chinesischen und deutschen Dichter:innen fort, das Yang Lian seit vielen Jahrenbegleitet, und praktizieren so ein gemeinsames poetisches Nachdenken zwischen den Sprachen. Langjährige Übersetzer:innen wie Rupprecht Mayer oder die jüngere Generation um Daniel Bayerstorfer, Lea Schneider und andere verleihen durch ihre unterschiedlichen Herangehensweisen und Übersetzungsstile den Gedichten von Yang Lian einen reichen und vielfältigen Klang. Letztlich wurzelt Erkundung des Bösen als poetisches Ganzes immer im Leben, stellt sich der Krise und schleudert mit Hilfe seiner kreativ-geladenenSprache einen "Blitz in unsere Zeit", wie Frank Kraushaar schreibt.- Yang Lians Gedicht ist streng und genau durchdacht: es verbindet Geschichte und Realität mit metaphysischer Spekulation während es sich Schicht um Schicht in die Tradition vertieft bis es diese transzendiert und den Beweis liefert für die Verbrechen der menschlichen Zivilisation, um sich damit zugleich als Anklage der menschlichen Zivilisation lesen zu lassen. Der hervorragende Logiker und Analytiker Yang Lian hat sein Beweismaterial für uns sortiert, herauspräpariert und zugeordnet. Durch ihn werden augenblicklich die bei einer Mehrheit der Dichter üblich gewordene Gespreitztheit, ihr grundloses Gejammer und ihre zynische Gewundenheit bloßgestellt.- Ai Weiwei- Sollte es wahr sein, daß ein Gedicht zutiefst verstören, gar schockieren, für den Leser aber dank seiner Meisterschaft zugleich erhebend wirken kann, dann ist dieses Gedicht ein Beleg dafür.- Jan Wagner- Yang Lian zeichnet sich durch sein Darstellen des Lebensschmerzes in der Klemme zwischen geschichtlichen Zeitläuften aus ... eine neue Version für ein altes Anliegen der Weltliteratur sowie der chinesischen Literatur wird vorgeschlagen: wie weiterhin schreiben und sich dabei auf die individuelle statt auf eine erzwungene gemeinschaftliche Eingebung berufen?- Allen Ginsberg
Autorenporträt
Yang Lian ist in Bern 1955 geboren und in Peking aufgewachsen. Er wurde 1974, zur Zeit der Kulturrevolution, zur Umerziehung durch Arbeit aufs Land verschickt, wo er zu schreiben begann, und kehrte nach dem Tod von Mao Zedong 1977 nach Peking zurück. Er war Mitbegründer der Dichtergruppe Obskure Lyrik - zeitgenössische chinesische Poesie. Seine langen Gedichtsequenzen fanden innerhalb und außerhalb Chinas in den 1980er Jahren weite Verbreitung. Im Jahre 1988 wurde er nach Australien und Neuseeland eingeladen. Nach seinem Protest über das Massaker von Tian'anmen ist er zum Dichter im Exil geworden. Seine Gedichte und Schriften wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Yang Lian hat 10 Bücher in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Yang Lian hat viele internationale Preise gewonnen, darunter den International Nonino Prize (2012), den Capri International Prize (2014), den Pacific International Poetry Prize (Taiwan, 2016), den Janus Pannonius International Poetry Award (2018), den ersten Sarah McGuire Prize for Poetry in Translation (2021). Er wurde zweimal in das Vorstandsmitglied des PEN International Board gewählt. Er war Stipendiat des DAAD-Programms (1991), Schloss Solitude (1994-1995) und des Wissenschaftskollegs zu Berlin (2012-13). Yang Lian lebt sowohl in Berlin als auch in London.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für den hier rezensierenden Sinologen Wolfgang Kubin erweist sich der chinesische Dichter Yang Lian in diesem Band einmal mehr als "Lyrikgenie". Er wird der "obskuren Schule" der Achtzigerjahre in China zugerechnet, informiert uns der Rezensent. Die Lektüre seiner Gedichte ist "behutsam wie schwermütig", schreibt Kubin. Sie führe den Leser auf einen dunklen "Höllentrip", um ihn im letzten Zyklus des Bandes in das buddhistische Paradies zu entlassen. Wer empfindlich auf Pathos reagiert, sollte mit diesem Band allerdings vielleicht etwas vorsichtig sein, meint der Kritiker. Auch werde den Leserinnen viel "Männlichkeit" zugemutet, schreibt er, wenn der Dichter poetisch die Suche nach seiner toten Mutter verarbeitet, die er vor allem in anderen Frauen zu finden hofft. Dankbar ist der Kritiker nicht nur für diese Lyrik, sondern auch der Übersetzerin Sabine Peschel für ihre Leistung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2023

Yanglisch schreiben
Mit poetischer Axt: Die Gedichte von Yang Lian

Yang Lian wurde 1955 als Sohn eines chinesischen Diplomaten in Bern geboren. Er ist aufgewachsen in Peking, seit 1988 in der Welt unterwegs und schließlich in Berlin-Schöneberg gelandet, wo er seit bald zwanzig Jahren mit seiner erfolgreichen Frau, der Malerin und Erzählerin YoYo (Liu Youhong), eine außergewöhnliche Karriere gemacht hat.

Yang ist einer der wenigen Dichter, die vom Schreiben leben können. Dabei ist er der vielleicht dunkelste Autor der Gegenwart. In den späten Achtzigerjahren habe ich ihn in der Sporthalle von Peking vor Zehntausenden von Menschen vortragen hören. Er kam mir vor wie Tannhäuser oder Parzival. Später haben wir diese Opern gemeinsam in Berlin gehört.

Ihn zu übersetzen, in welche Sprache auch immer, gleicht einer Höllenfahrt. Er sagt von sich selbst, er schreibe yanglish, also ein Chinesisch nach seiner eigenen Art. Der Verfasser dieser Rezension hat dieses Ungetüm von Sprache fünfmal ins Deutsche zu bringen versucht und hält sich dabei für gescheitert. Und was ist mit seiner übrigen Übersetzerschaft? Im anglophonen Raum lesen sich die Übertragungen von Yangs Gedichten wie Vokabelverzeichnisse ohne Sinn und Verstand. Da sie aber hierzulande in die Hände von Meistern gekommen sind, darunter Joachim Sartorius, Ann Cotten, Hans Christoph Buch und Jan Wagner, jubelt das Herz der deutschen Leserschaft. Und das Erlebnis der Lektüre entspricht jenem Wort von Franz Kafka, das zum Grundstein allen Schaffens von Yang Lian geworden ist: Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das Bild der Axt begleitet uns bei der ebenso behutsamen wie schwermütigen Lektüre. Nie so tränenbewegt wie bei diesen Versen.

Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Dichter wird der "obskuren Schule" der Achtzigerjahre in China zugerechnet. Man würde besser von der "hermetischen Schule" sprechen, die neben Bei Dao und Gu Cheng die besten Dichter der Welt zu verzeichnen hat. Das ist hierzulande früh wahrgenommen worden, weswegen Yang Lian - dank des DAAD und Joachim Sartorius - früh, nämlich 1991, für ein Jahr nach Berlin eingeladen worden ist. Seitdem kann sich dieses Lyrikgenie nicht mehr vom Anhalter Bahnhof trennen, in dessen Nähe er wohnt.

Die Veröffentlichung seiner Gedichte durch die rührige Verlegerin Catharine J. Nicely ist selbst ein hermetischer Akt. Wir werden zu einem Höllentrip eingeladen und ganz zum Schluss in das buddhistische Paradies der Leere entlassen. Wir können uns mit und in dem letzten Zyklus, "Außerhalb des Augenblicks", auf das zurückziehen, was uns seit Jahrhunderten so sehr an China gefällt: die Stille, die Einkehr, die Versöhnung mit dem Kosmos. Hier, in den Kurzgedichten, blüht das zuvor in den Langgedichten geschundene Herz auf. Es gibt also doch einen Halt, eine Tankstelle, wie Joachim Sartorius nicht müde wird, vom Poem als Rettung der Welt zu behaupten.

Wir dürfen nicht nur Yang Lian, sondern auch seiner Übersetzerin Sabine Peschel dankbar sein. Nachdem wir uns durch den Band hindurchgeweint haben, erinnern wir uns zuletzt heiter eines anderen Lebens, das uns versprochen war: das Reich der Gelassenheit. So sehen wir friedlich am Ende: Der Weg durch die Hölle hat sich gelohnt. Und so erwachen wir im Tao, dem einzig wachen Leben.

Yang Lian ist ein Repräsentant des Pathos. Selbst eine geneigte Leserschaft mag damit Schwierigkeiten haben. Joachim Sartorius, auf dieses Problem angesprochen, meinte einmal lakonisch, es könne nicht genug Pathos in einem Gedicht geben. Wirklich nicht? Leserinnen wird in diesem Band viel Männlichkeit zugemutet: die Suche nach der toten Mutter, die Finsternis als liebste Vokabel und so weiter. Der Dichter Yang ist noch nicht den Schuhen seiner Kindheit entwachsen. All sein Schreiben ist die Jagd nach der früh verstorbenen Einzigen. Er sucht in einer jeden Frau die Mutter. Und der Vater? Er hat den Sohn von Kindesbeinen an klassische Gedichte auswendig lernen lassen. Heute setzt Yang Zeichen an Zeichen, ohne Grammatik und ohne Syntax.

Zu guter Letzt etwas Prosaisches: Es heißt im Buch, es sei übersetzt worden "aus dem Chinesischen und Englischen" - als hätte Yang auch auf Englisch geschrieben. Das ist nicht der Fall; er beherrscht weder das Englische noch das Deutsche. Er ist bei beiden Sprachen auf seine Verehrerinnen angewiesen, die hier auch nicht zu kurz kommen. Ihnen sei Dank! WOLFGANG KUBIN

Yang Lian: "Erkundung des Bösen".

Aus dem Chinesischen von Sabine Peschel. PalmArtPress, Berlin 2023. 81 S., br., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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