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"Der Habicht ist ein Buch über einen Mann und einen Greifvogel und ebenso eine Fabel über das Selbstsein und die Ausübung von Macht. Man kann es als Abhandlung zum Wesen der Freiheit, der Erziehung, der Macht, des Kriegs, der Geschichte, der Klassenzugehörigkeit, der Versklavung, der englischen Landschaft und der Irrungen und Wirrungen des menschlichen Herzens lesen, denn all das ist es und noch viel mehr." So beschreibt Helen Macdonald dieses in Tagebuchform verfasste Buch über Whites Versuch, einen Habicht zu zähmen, den wildesten aller Raubvögel. Ausgerüstet mit nichts als einem Falknerbuch…mehr

Produktbeschreibung
"Der Habicht ist ein Buch über einen Mann und einen Greifvogel und ebenso eine Fabel über das Selbstsein und die Ausübung von Macht. Man kann es als Abhandlung zum Wesen der Freiheit, der Erziehung, der Macht, des Kriegs, der Geschichte, der Klassenzugehörigkeit, der Versklavung, der englischen Landschaft und der Irrungen und Wirrungen des menschlichen Herzens lesen, denn all das ist es und noch viel mehr." So beschreibt Helen Macdonald dieses in Tagebuchform verfasste Buch über Whites Versuch, einen Habicht zu zähmen, den wildesten aller Raubvögel. Ausgerüstet mit nichts als einem Falknerbuch aus dem 16. Jahrhundert stellt er sich der schieren Urgewalt des Vogels: Der ruchlose und doch unschuldige Jäger entspricht seinem Idealbild des einsamen Einzelgängers, der er selbst war. Die Zähmung wird zu einem metaphysischen Kräftemessen - White will mit dem Vogel auch sein eigenes launisches Wesen bändigen. Letztendlich wird er lernen, dass dem Freiheitsdrang der Natur kein Einhalt zu gebieten ist. Sein schonungsloser Bericht erscheint hier zum ersten Mal auf Deutsch und gehört zu den intensivsten Beschreibungen der Begegnung zwischen Mensch und Tier überhaupt.
Autorenporträt
Terence Hanbury White wurde 1906 in Bombay, Indien geboren. Zwischen 1930 und 1936 arbeitete er als Englischlehrer an einer staatlichen Schule und begann, nebenbei zu schreiben. Mit der vierbändigen Romanserie über die Artussage Der König auf Camelot gelang ihm ein beachtlicher Erfolg. Der erste Teil wurde 1963 unter dem Titel Die Hexe und der Zauberer von Walt Disney verfilmt. Seine späteren Lebensjahre verbrachte White zurückgezogen auf der Kanalinsel Alderney. 1964 erlitt er während einer Schiffsreise einen Herzinfarkt und starb auf See in der Nähe von Athen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2019

Einen Vogel
abtragen
Klassiker des Nature Writing:
T. H. Whites „Der Habicht“
Die britische Historikerin und Philosophin Helen Macdonald hat in ihr 2014 erschienenes und von der Kritik als Paradebeispiel des gelungenen Nature Writings gelobtes Buch „H wie Habicht“ Fragmente der Biografie des Schriftstellers T. H. White verwoben. White, 1906 in Indien geboren und 1964 in Griechenland gestorben, war ein Exzentriker, der als Grundschullehrer arbeitete, sich intensiv mit dem Mittelalter auseinandersetzte und es mit seinem Werk „Der König auf Camelot“ zu Popularität brachte. 1936 zog White sich von seinem Lehrerberuf zurück, mietete ein Cottage in der Nähe von Buckinghamshire, etwa 100 Kilometer nordwestlich von London gelegen, und ließ sich aus Deutschland einen jungen, männlichen Habicht schicken, um ihn abzurichten.
Ein Unterfangen, das aus mehreren Gründen zum Scheitern verurteilt war: Zum einen, weil gerade der Habicht in seiner Nervosität für Anfänger als ungeeignet gilt. Zum anderen, weil White sich auf ein im Jahr 1619 erschienenes Lehrbuch zum Umgang mit Jagdvögeln stützte. „The Goshawk“, so der Titel des Originals, wurde von White selbst aus verstreuten Notizen zusammengetragen, erschien schließlich 1951 und ist nun in der „Naturkunden“-Reihe des Matthes & Seitz-Verlags in Pauline Altmanns gewohnt eleganter Gestaltung erstmals als deutsche Ausgabe erhältlich.
Gos, so nennt T. H. White den Jungvogel kurzerhand, ist Spiegel und Projektionsfläche zugleich. Der Schlüssel zur Beziehung zwischen Mensch und Tier liege, so schreibt Helen Macdonald es in ihrem kurzen Vorwort, in den Züchtigungen in Whites Kindheit und in seinen unterdrückten sadistischen homosexuellen Fantasien. Das mag eine psychologische Zuspitzung sein, doch wenn White sich nach mehreren Wochen intensiver Arbeit mit dem Habicht vorstellt, dem Vogel mit Freude den Hals umzudrehen oder ihn „mit wilden, kehligen Krächzern der Lust“ in Stücke zu reißen, um zwei Tage später zu notieren, Gos und er hätten sich erneut ineinander verliebt, schwingt in den Aufwallungen des Autors eine Intensität mit, die über das Erleben des Augenblicks hinausreicht.
In bemerkenswertem Vokabelreichtum, den Ulrike Kretschmer in geschliffenes Deutsch übersetzt hat, berichtet White von den Versuchen, den Habicht abzutragen, das heißt, ihn auf der Faust zu tragen, bis der Vogel diesen Platz als natürlich betrachtet und dort einschläft. Das bedeutet im Gegenzug, dass sein Besitzer sich länger im Wachzustand halten muss als der Vogel. Ein Machtspiel, das White an den Rand seiner Belastbarkeit bringt.
Doch es geht in diesem Binnenverhältnis nicht nur um die Unterwerfung der wilden Kreatur und um die Einordnung in ein zivilisatorisches Koordinatensystem. Whites Handeln und auch sein Schreiben setzen den Mensch nicht per se als überlegen voraus. Der Habicht wird, so paradox es klingen mag, zu einem Symbol der Freiheit, an der sein Besitzer partizipieren möchte; zu einem Gefäß, in das White die eigene Wildheit legt. Wir begegnen einem unglücklichen Autor, der den Menschen abgeschworen hat. Gos ist selbst in der Gefangenschaft das, was der von Konventionen beherrschte White niemals war: unbändig, stolz, unabhängig. Die empfindsame Seele des Buchs ist nicht der Autor, sondern das Tier. Greifvögel, das lernt White schnell, können es nicht ertragen, angeschaut zu werden; „es ist ihr Vorrecht, andere zu betrachten“.
Whites literarische Leistung besteht darin, das fundierte Wissen, das er sich erworben hat, zu poetisieren und zugleich die tägliche Routine, das Ringen, die Hoffnungen und Rückschläge, die Arbeit mit Belohnungen und Futterentzug, so spannend zu erzählen, dass aus der Abfolge der Tage tatsächlich ein Bildungsroman en miniature entsteht. Darüber hinaus ist das Buch ein detailreiches Porträt einer Landschaft und eines Landes im vagen Vorgefühl eines kommenden Kriegs.
Seinen eigenen Unzulänglichkeiten und Schrullen begegnet White mit Selbstironie: Nach kurzer Zeit bereits hasst er die Melodie des alten schottischen Kirchenlieds „The Lord’s My Shepherd“, mit der er Gos in Pawlow’scher Manier mit Futter zu locken versucht – vor allem deshalb, weil sein Pfeifen so dilettantisch ist, dass er den Ton nie trifft. Dafür aber ertappt White sich während einer Plauderei mit dem Briefträger dabei, zwischen den Worten kurze Maunzer auszustoßen, die sonst beruhigend auf Gos wirken.
Die Liaison mit dem Habicht findet ein so abruptes wie banales Ende in Form einer gerissenen Schnur. Er habe, so schreibt White in seinem 1951 verfassten Postskriptum, der Verführung widerstanden, einen versöhnlichen Abschluss zu finden. Das Scheitern an der Natur, so die Erkenntnis, ist in das Programm der Zähmung eingeschrieben.
CHRISTOPH SCHRÖDER
Der Mensch wird nicht als
überlegen gesehen, der
Habicht ist ein Symbol der Freiheit
T. H. White: Der Habicht. Aus dem Englischen von Ulrike Kretschmer. Matthes & Seitz, Verlag, Berlin 2019.
188 Seiten,30 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Wieland Freund entdeckt den Naturschriftsteller T. H. White mit diesem Buch. Allerdings hat der Rezensent das Gefühl, der Autor könnte so etwas wie das Missing Link sein zwischen Nature Writing und Fantasy. Das laut Freund hervorragend übertragene Buch jedenfalls gibt Hinweise darauf, meint er, indem es auf alles andere als auf Wohlgefühl zielt. Die Abrichtung des Habichts im Buch misslingt denn auch, und sowieso geht es dem Autor wohl eher darum, selbst ein Habicht zu werden, mutmaßt der Rezensent. In diesem Tier aber wohnt der Wahnsinn, und die Beziehung zwischen Erzähler und Vogel entspinnt sich als Psychodrama, so Freund.

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