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»Regime profitieren immer von den Geschichten, die nicht erzählt werden.« Natalie Amiri und Düzen Tekkal, Herausgeberinnen des Buches
15 Frauen im Iran und im Exil erzählen in diesem Buch ihre bewegenden Geschichten. Einige von ihnen haben Nachrichten aus Gefängnissen geschmuggelt, wie Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Sie sprechen über ein Leben ohne Rechte, aber mit Sittenwächtern, über patriarchale Strukturen und eine neue Generation von Männern, über Gewalt, Erniedrigung, Entmündigung und wirtschaftliche Not.
Ihre Botschaften sind erschütternd, zutiefst berührend und
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Produktbeschreibung
»Regime profitieren immer von den Geschichten, die nicht erzählt werden.«
Natalie Amiri und Düzen Tekkal, Herausgeberinnen des Buches

15 Frauen im Iran und im Exil erzählen in diesem Buch ihre bewegenden Geschichten. Einige von ihnen haben Nachrichten aus Gefängnissen geschmuggelt, wie Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Sie sprechen über ein Leben ohne Rechte, aber mit Sittenwächtern, über patriarchale Strukturen und eine neue Generation von Männern, über Gewalt, Erniedrigung, Entmündigung und wirtschaftliche Not.

Ihre Botschaften sind erschütternd, zutiefst berührend und zugleich voller Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es sind Geschichten, die gehört und verbreitet werden müssen. Lassen Sie uns alle Schallverstärker sein!

»Es gibt Momente im Leben, da merkt man: Jetzt geht es um alles. Es geht darum, dass man als Mensch eine Haltung findet, damit man mit sich selbst weiterleben kann - trotz aller Konsequenzen.« Parastou Forouhar, Künstlerin
Autorenporträt
Natalie Amiri, geboren 1978, ist eine deutsch-iranische Journalistin, Fernsehmoderatorin und Buchautorin. Seit dem 30. März 2014 moderiert sie den Weltspiegel aus München, außerdem das BR-Europa-Magazin EUROBLICK. Sie leitete von 2015 bis April 2020 das ARD-Studio in Teheran. Ihre Berichte über die Revolution im Iran erreichen Millionen Menschen. Ihre Bücher zum Iran und Afghanistan wurden hochgelobte Bestseller.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent René Wildangel bespricht drei Bücher über die Proteste der Frauen im Roman und findet alle äußerst lesenswert. Das Buch von Natalie Amiri und Düzen Tekkal lässt die iranischen Frauen in Gesprächsprotokollen selbst erzählen. Zu Wort kommt beispielsweise die Künstlerin Parastou Forouhar, berichtet der Rezensent, die jedes Jahr in den Iran fährt, um den politischen Widerstand zu unterstützen, seit ihre Eltern vom Regime ermordet wurden. Anonym berichten zwei junge Frauen von der alltäglichen Unterdrückung durch die Islamische Republik und ihrer Gegenwehr. Der Rezensent ist beeindruckt vom "grenzenlosen Mut" der Frauen und tief bewegt von ihren Geschichten, von den Anführerinnen des kürzlich gegründeten Protest-Bündnisses Masih Alinejad, Nazanin Boniadi und Shirin Ebadi hätte er sich allerdings ein genaueres Bild ihres politischen Vorhabens erhofft.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2023

Gewalterfahrungen gehören in diesem Land zum Alltag
Wenn Diplomatie und Dialog versagen: Natalie Amiri und Düzen Tekkal versammeln die Geschichten von fünfzehn Frauen aus Iran

Als Nazanin Boniadi zwölf Jahre alt war, flog sie mit ihren Eltern von Großbritannien nach Iran, um ihre Familie zu besuchen. Während des Aufenthalts war sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Onkel unterwegs, als Männer einer paramilitärischen Miliz sie anhielten und eine Heiratsurkunde verlangten - für die angenommene Ehe zwischen ihr und ihrem Onkel. Auf die Zurechtweisung von Boniadis Mutter drohten die Milizionäre, die Tochter einzusperren.

Ghazal Abdollahi wurde 2015 nahe ihrer Teheraner Universität verhaftet, weil ihr Hijab falsch gesessen haben soll. Sie sollte in einen Van einsteigen, musste ihren Ausweis abgeben. Sie wurde von der Universität verwiesen. Zurück blieben "Demütigung, Angst und Hass", schreibt sie. Auch Ani, die anonym bleiben möchte, wurde in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen, geschlagen und beschimpft. Masih Alinejad wünschte sich als Kind, ein Junge zu sein, um ihre Kleidung freier wählen zu können und ein Fahrrad zu fahren. Shohreh Bayat konnte nicht mehr in den Iran zurückkehren, weil ihr lockerer Hijab bei der Schachweltmeisterschaft 2020 in regierungsnahen Medien für einen Eklat gesorgt hatte.

Fünfzehn Geschichten iranischstämmiger Frauen haben Natalie Amiri und Düzen Tekkal in "Die mutigen Frauen Irans" zusammengetragen. Amiri ist deutsche Journalistin, Moderatorin und Autorin mit iranischen Wurzeln, Tekkal ist deutsche Menschenrechtsaktivistin und Journalistin kurdisch-jesidischer Abstammung. Sie haben ihre Protagonistinnen nach Jina Mahsa Aminis Tod zu ihren alltäglichen Erfahrungen als Frauen in Iran, zu den Protesten gegen das Regime und zu ihren Hoffnungen befragt. Ein Beitrag von der Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde aus dem Ewin-Gefängnis geschmuggelt, wo sie während des Schreibens inhaftiert war. Die Texte führen eindrücklich vor Augen, wie alltäglich Gewalterfahrungen für Frauen in Iran sind und warum Aminis Tod eine solch starke Resonanz in der Bevölkerung verursacht hat: "Dieser Tod betrifft uns alle; es kann jede:n von uns treffen", schreibt Ani.

Die Beiträge heben auch hervor, wie Korruption, Manipulation, Lüge und Gewalt "Wunden" in der Gesellschaft hinterlassen und wie das Mullah-Regime die Beziehungen zwischen Menschen durch Misstrauen "vergiftet". Mit den Aufständen nach Aminis Tod habe sich das geändert. "Wir waren alle gegeneinander. . . . Doch mit Beginn der Revolution öffneten sich unsere Herzen, und das Vertrauen, die Liebe kamen zu uns zurück", so Abdollahi. Die Iranerinnen und Iraner finden nicht trotz Unterdrückung und Gewalt den Mut, weiter auf die Straßen zu gehen, sondern gerade deswegen.

Die Frauen sind sich einig, dass die Proteste Teil eines langen Prozesses des Widerstands, einer Revolution gegen die religiöse Herrschaft der Mullahs sind. In der Vergangenheit habe die Bevölkerung es mit friedlichen Mitteln versucht und auf Reformen gehofft. Aber: "Diplomatie und Dialog versagen, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die das Erhängen eines unschuldigen Kindes vor sich selbst ohne ein Anzeichen von Reue legitimieren können", schreibt Jasmin Shakeri. Deshalb akzeptierten alle, die für einen gewaltlosen Widerstand eintreten, das andauernde Leid der Iranerinnen und Iraner, meint Nasrin Sotoudeh.

Inwiefern sich unterschiedliche Widerstandsformen unterschiedlich rechtfertigen lassen, bleibt ausgeklammert, aber abstrakte Abhandlungen wären im Rahmen dieses Formats ohnehin überambitioniert. Das Ziel jedenfalls ist allen Autorinnen klar: Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung. Daran, dass das durch eine Revolution verwirklicht werden kann, obwohl die letzte Revolution in Iran das heutige Regime hervorgebracht hat, zweifelt keine von ihnen.

Die Beiträge beleuchten eine große Bandbreite von Perspektiven. So stammen die Texte von Aktivistinnen in Iran und Frauen im Exil. Sie stammen von bekannten Persönlichkeiten der iranischen Frauenbewegung wie der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, Schauspielerinnen und Sängerinnen wie Rita Jahanforuz und Nazanin Boniadi, der Grünenpolitikerin und Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, aber auch von Ani und Leily, die anonym bleiben wollen und sich wohl zum ersten Mal Protesten angeschlossen haben. Die Frauen stammen teils aus einem liberalen, aktivistischen Umfeld, Parastou Forouhars Eltern etwa wurden Opfer politischer Morde. Der Widerstand anderer begann bei den traditionellen Vorstellungen der eigenen Familien.

Immer wieder werden Risse in der iranischen Gesellschaft und in der Widerstandsbewegung aufgezeigt. So kommen mit Shila Behjat, Fariuba Balouch, Rita Jahanforuz und Ani die ethnischen oder religiösen Minderheiten der Baha'i, Belutschen, Juden und Kurden zu Wort. Ani erklärt: "Ich habe eigentlich einen kurdischen Namen, habe dann aber als Studentin einen anderen gewählt, weil ich selbst von normalen Leuten beschimpft wurde." Deswegen sei es wichtig, dass Jina Mahsa Amini "Jina" hieß. Dass sie sich auch "Mahsa" nannte, sei Ausdruck einer rassistischen Gesellschaft.

Unklar lassen die Herausgeberinnen dagegen, wie stark sie in die Texte eingegriffen haben. Aus den Vorworten geht hervor, dass sie die Frauen für das Buch interviewt haben, die Beiträge sind jedoch als Fließtexte ohne Fragen und in Ich-Form verfasst. Es ist wohl das Fehlen der Interviewfragen, das an einigen Stellen zu holprigen Übergängen führt. Wichtiger als für den Stil wären die Fragestellungen aber, damit die Leser nachvollziehen können, was die Frauen erzählen, weil sie explizit danach gefragt wurden, und wo sie ihre eigenen Akzente setzen. In einem Buch, das ihre Geschichten erzählen soll, wäre das wichtig gewesen. SARA WAGENER

Natalie Amiri und Düzen Tekkal: "Die mutigen Frauen Irans". Wir haben keine Angst!

Elisabeth Sandmann Verlag, München 2023. 144 S., geb. 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2023

Freiheitskampf
im „Mullah-Staat“
Frauen und ihre wichtige Rolle beim Aufstand in Iran:
Vier Autorinnen bieten Innenansichten
und bewegende Momentaufnahmen
VON RENÉ WILDANGEL
Gleich drei Bücher sind jüngst erschienen anlässlich der starken Proteste in Iran infolge der Ermordung von Jina Mahsa Amini. Dass es sich um einen revolutionären Prozess handelt, dass es kein Zurück mehr gibt, darin sind sich die Autorinnen einig. Sie bieten Innenansichten Irans aus unterschiedlichen Perspektiven: Katajun Amirpur beleuchtet die jüngere Vorgeschichte, Gilda Sahebi den feministischen Kern des Aufstands, und Natalie Amiri und Düzen Tekkal versammeln bekannte und einige weniger bekannte Iranerinnen, deren Geschichten sie aufzeichnen. Auch wenn es einige Überschneidungen gibt: Lesenswert sind sie allesamt.
In Katajun Amirpur Buch „Iran ohne Islam – der Aufstand gegen den Gottesstaat“ geht es im Kern gar nicht um die jüngste Protestwelle, sondern um die Wurzeln der Unzufriedenheit mit der Islamischen Republik. Sie stellt fest, was zumindest jene überraschen dürfte, die Iran nicht aus eigener Anschauung kennen: nämlich dass der „Mullah-Staat“ in den vergangenen Jahrzehnten zu einer postislamischen Gesellschaft geworden sei. Mit dem Begriff bezieht sich Amirpur auf den persischstämmigen Gelehrten Asef Bayat. Das Motto der Islamisten, „der Islam ist die Lösung“, habe sich mittlerweile in Iran umgekehrt: Der Islam ist Teil des Problems – jedenfalls der Islam als leitende Staatsdoktrin im Verständnis der iranischen Führung.
Eine Anekdote gleich zu Beginn illustriert den lang anhaltenden Unmut, aber auch den Mut der Iranerinnen und Iraner und die Freiräume, die sie sich erkämpft haben. Amirpur berichtet von ihrem ersten Aufenthalt im Land 1991, Jahre nach ihrer Kindheit in Iran. Damals habe eine Frau lauthals auf die iranische Politik geschimpft und den damaligen Präsidenten Ali Akbar Rafsandschani beleidigt, er solle seinen Turban ausziehen und sich „vernünftige Sachen“ anziehen. Konsequenzen hatte es keine, sie sprach aus, was viele dachten. Eine ähnliche Szene erlebte der Rezensent bei einem Iran-Aufenthalt 2005: Kaum angekommen vor der ehemaligen amerikanischen Botschaft und heutigen Propagandastätte in Teheran, eilten gleich mehrere Passanten herbei, um zu warnen, dass man diese dumme Regimepropaganda bloß nicht ansehen solle.
Aber auch wenn es heute nur noch um die Überwindung des aktuellen Systems, nicht seine Veränderung geht, macht Amirpur deutlich, wie wichtig die Debatten und die Systemkritik waren, die aus dem religiösen Lager kamen; darunter schiitische Instanzen wie der einst als Chomeini-Nachfolger ausgebootete Großayatollah Montazeri oder Gelehrte wie Abdolkarim Soroush und Hasan Eshkevari. Amirpur erinnert daran, wie weit ihre Forderungen gingen und welch hohen Preis einige von ihnen zahlten: Der Geistliche Eshkevari wurde nach der berüchtigten „Berlin-Konferenz“ 2000 wegen „moharebe“ (Krieg gegen Gott) angeklagt – desselben Straftatbestands, aufgrund dessen die Regierung heute Protestierende hinrichten lässt.
In ihrer Betrachtung erhält die Chatami-Zeit (1997-2005), in der diese Kritiker wirkten, besondere Aufmerksamkeit. Amirpur sieht sie, immer noch, als eine verpasste Chance, denn der damalige Präsident Mohammad Chatami und viele seiner Mitstreiter wollten Iran nachhaltig öffnen und die systematischen Rechtsverletzungen beenden. Er wurde aber in den USA und auch in Europa als Systemrepräsentant des „Mullah-Staates“ weitgehend isoliert. Die weitreichenden US-Sanktionen, so Amirpur, hätten in der Vergangenheit der Zivilgesellschaft das Wasser abgegraben, während sie das Regime kaum trafen.
Diese Betrachtungen sind auch heute wichtig, wenn zwar stets „maximaler Druck“ gegen die iranische Regierung gefordert, aber selten ausbuchstabiert wird, was das konkret heißt. „Es könnte tatsächlich klappen“, lautet Amirpurs knappes Fazit über den begonnenen revolutionären Prozess angesichts der tief verwurzelten Unzufriedenheit jenseits aller ethnischen oder religiösen Identitäten. Allerdings hätte man sich über ihre erhellenden Analyse der Ursprünge der Proteste hinaus noch eine ausführliche Betrachtung gewünscht, was für einen Erfolg der Revolution jetzt notwendig wäre und wie eine andere bessere Zukunft im „postislamischen“ Iran denn aussehen könnte.
Ob Amirpur mit ihren Analysen für Gilda Sahebi, Autorin des Buches „Unser Schwert ist Liebe“, eine „Mullah-Versteherin“ ist? Mit diesem polemischen Begriff beschreibt Sahebi eine Geisteshaltung, die ihrer Wahrnehmung nach sowohl „in der Politik als auch in der medialen Berichterstattung“ in Deutschland vorgeherrscht habe. Dass von „Reformern“ oder „Moderaten“ gesprochen worden sei, sieht sie als Beleg dafür, denn es könne in einem „System wie der Islamischen Republik keine Reformer geben“ – was aktuell zweifelsohne stimmt, aber den von Amirpur ausführlich geschilderten inneriranischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte nicht gerecht wird. Eine differenzierte und kritische Debatte über deutsche Beziehungen zu Iran inklusive ihrer blinden Flecken wäre an dieser Stelle lohnenswert gewesen.
Aber das ist nicht das Kernthema von Gilda Sahebis Buch. Es liefert hervorragende Einblicke in die Protestbewegung und ihre Protagonistinnen. Im ersten Kapitel rekapituliert Sahebi, was seit dem Mord an Jina Mahsa Amini passierte – sie erzählt vom Mut der Protestierenden und von der unerhörten Brutalität des Regimes. Auch die eigene Familiengeschichte lässt sie einfließen, erzählt vom Gefühl des Nachhausekommens bei Besuchen in Iran, von ganz normalen Familienbesuchen, die doch nie normal waren; von Sehnsucht und Schmerz, seit ihr Vater und ein Onkel, einst idealistische Revolutionäre gegen den Schah, vor den Schergen des Regimes fliehen mussten. Seit Beginn der Revolution ist Sahebi eine der präsentesten Stimmen zu Iran in Deutschland – sowohl in den sozialen Medien als auch mit ihrer journalistischen Arbeit. Dafür recherchiert Sahebi immer wieder unter schwierigen Bedingungen aus der Ferne vor Ort, was sie auch im Buch reflektiert.
In ihrem Buch sprechen auch die Protagonistinnen dieser Recherchen selbst, meist mit Pseudonym. Afra berichtet von ihrer Diskriminierung als Kurdin, Jakaw Nick von der Verfolgung als trans Person. Es sind Porträts, die nahegehen und die ganz persönliche Diskriminierung durch das Regimes anschaulich machen. Ebenso wie die Geschichte von Elaheh Mohammadi, einer der Journalistinnen, die als erste über Mahsa Amini berichteten, oder die des vom Regime inhaftierten und gefolterten Rappers Toomaj – der Titel ihres Buches stammt aus seinem Protestsong „Schlachtfeld“. Ein ausführliches Interview mit Nasrin Sotudeh, einer Ikone der Menschenrechtsbewegung, gibt tiefe Einblicke in ihre jahrzehntelange Arbeit als Anwältin und prinzipientreue Gegnerin der Todesstrafe. Sahebi beschreibt den brutalen Einsatz sexualisierter Gewalt des Regimes, die systematische Verfolgung von Journalistinnen oder von medizinischem Personal und wie sie alle trotz größter Widerstände weiterarbeiten. Sahebi gelingt eine erste Bestandsaufnahme der Proteste: engagiert, aktuell und persönlich.
Natalie Amiri und Düzen Tekkal schließlich sind zwei weitere Protagonistinnen, die der deutschen Öffentlichkeit die Geschehnisse in Iran näherbringen. Der große Verdienst des von ihnen herausgegebenen Buchs ist es, den iranischen Frauen selbst eine Plattform zu bieten. Insgesamt 15 bekannte und einige weniger bekannte Persönlichkeiten berichten in den Gesprächsprotokollen von ihrem Blick auf die Proteste und einem Gefühl, das sie vereint: „Wir haben keine Angst“, so der Titel des Buches. Unter ihnen sind nur wenige, die noch immer in Iran leben. Sie äußern sich entweder anonym oder nehmen die Konsequenzen in Kauf. So wie die auch in diesem Buch interviewte Nasrin Sotudeh oder die Menschenrechtlerin Narges Mohammadi, deren Text aus dem Gefängnis geschmuggelt wurde.
Zwei junge Frauen berichten anonym von der systematischen Entrechtung von Frauen durch die Islamische Republik und von ihrer kollektiven Gegenwehr im revolutionären Alltag. Sie werden nicht als furchtlose Heldinnen überhöht, sprechen auch von ihren Sorgen und Ängsten im Angesicht des brutalen Vorgehens des Regimes. Stark sind auch jene Texte, die Hintergründe der Diskriminierung der religiösen und ethnischen Minderheiten thematisieren, der Bahai, der Kurdinnen, der Belutschinnen. Sie tragen jetzt wieder stolz ihre traditionellen Gewänder, die sie einst unter Zwang gegen den schwarzen Tschador eintauschen mussten.
Im Fokus steht oftmals der Schmerz der Exilantinnen, die Iran in den Jahrzehnten nach der Revolution verlassen mussten. So schildert die israelische Sängerin Rita, mit acht Jahren aus Iran geflohen und heute zum Missfallen des Regimes in Iran bekannt und von vielen verehrt, ihre Erinnerungen an ihre Kindheit in Teheran und erzählt von ihrem Traum: Eines Tages gemeinsam mit Shervin in Teheran „Baraye“, die Hymne der Revolution, zu singen. Für Parastou Forouhar, bekannte Künstlerin aus Frankfurt, sind mit Iran besonders schmerzvolle Erinnerungen verbunden. Ihrer bewegenden Geschichte und ihrem grenzenlosen Mut wird in allen drei besprochenen Büchern Raum eingeräumt. Seit ihre Eltern 1998 vom Regime auf bestialische Weise ermordet wurden, reist Forouhar jedes Jahr zum Jahrestag in das Land, um dort ein Zeichen zu setzen. Sogar 2022, während der Proteste.
Bei den Exilstimmen sind schließlich auch jene drei Frauen vertreten, die das jüngst gebildete breite Bündnis für einen Wandel anführen: Masih Alinejad, Nazanin Boniadi und Shirin Ebadi. Von ihnen liest man kaum Neues, erfährt wenig Konkretes; einzig die Notwendigkeit der Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation wird mit Blick auf Handlungsoptionen benannt. Für eine revolutionäre Strategie reicht das nicht. Dabei hätte man gerade von der hochangesehenen Shirin Ebadi gern mehr darüber erfahren, wie der Weg in einen neuen, demokratischen Iran aussehen könnte.
Die Frage, welche konkreten politischen Schritte jetzt notwendig wären, bleibt so in den drei Büchern noch weitgehend unbeantwortet. Aber ihnen gelingt eine umfangreiche, oft bewegende Momentaufnahme der revolutionären Proteste. Die professionellen und persönlichen Einblicke der Autorinnen, ihre Recherchen vor Ort, ihre Einfühlsamkeit und Solidarität machen sie und ihre Bücher zu enorm wichtigen Begleiterinnen der revolutionären Umwälzung in Iran, die gerade erst begonnen hat.
René Wildangel ist Historiker und schreibt unter anderem zum Schwerpunkt Naher/Mittlerer Osten.
Wurde unter Präsident
Mohammad Chatami eine Chance
auf Reformen verpasst?
Trotz der treffenden Analyse
der aktuellen Situation:
Eine revolutionäre Strategie fehlt
Katajun Amirpur:
Iran ohne Islam. Der Aufstand gegen den Gottesstaat. Verlag C.H. Beck, München 2023.
240 Seiten, 25 Euro. E-Book: 18,99 Euro.
Gilda Sahebi:
„Unser Schwert ist Liebe“. Die feministische Revolte im Iran. S. Fischer Verlage, Frankfurt 2023.
256 Seiten, 24 Euro. E-Book: 18,99 Euro.
Natalie Amiri,
Düzen Tekkal:
Wir haben keine Angst! Die mutigen Frauen Irans. E. Sandmann Verlag, Frankfurt 2023.
144 Seiten, 25 Euro.
E-Book: 21,99 Euro.
Seltene Bilder aus Teheran: Nach dem Tod von Mahsa Amini im September 2022 begann die Revolte.
Foto: dpa
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»Den wehrhaften Iranerinnen wird ein Denkmal gesetzt. Zu Recht.« Christian Böhme tagesspiegel.de 20230706