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Der Himmel dunkelte sich im Laufe des Morgens immer weiter ein. Als der Kaffee die Runde machte, sah es draußen aus wie an einem Winterabend ... In Dysons Abteilung stand Bob am Fenster, blickte selbstvergessen in die apokalyptische Dämmerung und aß Toffees aus einer Papiertüte. Er beobachtete die Menschen, die aus dem Durchgang zwischen Court und Fleet Street kamen. Hinter ihm steuerte John Dyson auf einen Nervenzusammenbruch zu. Fleet Street, Ende der sechziger Jahre. John Dyson, Leiter der Abteilung für das Kreuzworträtsel und Vermischte Meldungen, träumt von Fernsehruhm und dem Leben eines…mehr

Produktbeschreibung
Der Himmel dunkelte sich im Laufe des Morgens immer weiter ein. Als der Kaffee die Runde machte, sah es draußen aus wie an einem Winterabend ... In Dysons Abteilung stand Bob am Fenster, blickte selbstvergessen in die apokalyptische Dämmerung und aß Toffees aus einer Papiertüte. Er beobachtete die Menschen, die aus dem Durchgang zwischen Court und Fleet Street kamen. Hinter ihm steuerte John Dyson auf einen Nervenzusammenbruch zu. Fleet Street, Ende der sechziger Jahre. John Dyson, Leiter der Abteilung für das Kreuzworträtsel und Vermischte Meldungen, träumt von Fernsehruhm und dem Leben eines Gentleman, als sich ihm eines dämmrigen Morgens endlich seine große Chance bietet. Mit scharfem Auge und einer gehörigen Portion britischen Humors erzählt Michael Frayn in seinem brillanten Klassiker vom Niedergang der Fleet Street.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Duft der Druckerschwärze
Michael Frayns Erstling / Von Felicitas von Lovenberg

Nichts erinnert heute an der Londoner Fleet Street an die bisweilen ruhmreiche, mitunter turbulente, auf jeden Fall stets aufregende Vergangenheit der Straße als Heimat der großen Zeitungshäuser. Die Nachrichtenagentur Reuters hielt immerhin noch bis vor ein paar Jahren durch, doch die meisten Verlage verabschiedeten sich bereits in den Achtzigern von der Gegend. Doch auch wenn sich dort inzwischen vor allem Anwaltsfirmen niedergelassen haben, steht Fleet Street noch immer für das englische Zeitungswesen in seinen ehrwürdigeren Zeiten vor dem Siegeszug des Boulevards.

Es muss tatsächlich eine denkwürdige Ära gewesen sein, wenn selbst der große englische Skeptiker Michael Frayn sich mit einem Anflug von Rührung daran erinnert. Als er von 1962 bis 1968 beim "Observer" arbeitete, hing über dem ganzen Viertel der "graue, emphatische Geruch von Druckerschwärze" - ein Duft übrigens, der in ihm wie Prousts Madeleine sofort jene "Ehrfurcht und Erregung" wachruft, die er zu Beginn seiner Karriere gegenüber dem Journalistenberuf empfunden hat, wie er im Nachwort verrät.

Von jener Ehrfurcht ist allerdings in "Gegen Ende des Morgens" nicht viel zu spüren, zum Glück. Frayns erster ausgewachsener Roman, der im Original 1967 erschien und den ins Deutsche zu übersetzen bislang trotz des auch hiesigen Ruhms des Autors vierzig Jahre lang versäumt wurde, ist eine zärtliche Persiflage auf das Zeitungsgeschäft, die Wichtigtuerei, Selbstüberschätzung und eine mühsam kaschierte Armut als Hauptmerkmale der schreibenden Zunft entlarvt.

Familienvater John Dyson, Ende dreißig, aber vom gravitätischen Auftreten her gefühlte fünfundfünfzig, leitet das Ressort für Kreuzworträtsel, Naturbetrachtung und Vermischte Meldungen im Gestus jener Abteilungschefs, die allein der Gedanke an alles, was sie zu tun haben, so sehr stresst, dass sie vor lauter Stöhnen und Delegieren kaum mehr selbst zur Sache kommen. Sein Assistent Bob, ein junger Mann von trägem Naturell, lutscht den ganzen Tag über Bonbons und ist so chronisch unfähig zu irgendeiner Form von Aufregung, dass er nicht einmal in Wallung gerät, als seine - mehr aus Bequemlichkeit denn echter Zuneigung geduldete - Freundin Tessa zu Besuch und dann auch noch in sein Bett kommt.

Bob schreibt zwar "wie ein Gott", wie Dyson dem Grünschnabel neidlos versichert, hat aber nicht den Ehrgeiz, seine Situation oder sein Auskommen dadurch zu verbessern. Als Dyson eingeladen wird, an einer politischen Talkshow teilzunehmen, wittert er seine große Chance - und vermasselt den Fernsehauftritt derart gründlich, dass seine Frau daheim kaum noch hinschauen kann. Was aber einer erneuten Aufforderung, an einer weiteren Gesprächsrunde teilzunehmen, natürlich nicht im Wege steht - schließlich hat niemand Relevantes Johns Bildschirmdebüt überhaupt gesehen.

Während sein Vorgesetzter sich also mit den Gesetzmäßigkeiten des Fernsehens, den Schwierigkeiten des Familienlebens und einem renitenten Nachbarn herumschlägt, muss Bob sich mit der plötzlichen Anwesenheit Tessas und den Avancen seiner Vermietern arrangieren - und überdies tatenlos zusehen, wie ein neuer Kollege, den er gerade noch gutmütig einarbeiten will, wie ein Wirbelwind in die stille Schreibstube fegt und das ganze Ressort an sich reißt. In Gestalt von Morris Erskine deutet sich an, welcher Typus vom System des Dilettantismus profitiert - und hier erweist sich Frayn geradezu als prophetisch. Des Opportunisten Stunde schlägt, als der brave John Dyson sich auf einer Pressereise an den Persischen Golf befindet, in deren aberwitzigem Verlauf nicht nur das Klischee vom Spesenritter reichlich bedient wird, sondern mit deren genüsslicher Ausmalung Frayn außerdem klarmacht, dass Menschen, die sich solchen Torturen freiwillig unterwerfen, eigentlich nur zu bedauern sind.

In einer rasanten Mischung aus Witz und Tücke spielt Frayn mit Gemeinplätzen, Stereotypen und Vorurteilen - und es spricht für den Roman, dass er auch nach vierzig Jahren trotz einer Reihe von Anachronismen - wie der ratternden Schreibmaschinen, der bierseligen Lunchpausen der Redakteure und ihres Urvertrauens nicht nur in die höhere Relevanz ihres Berufsstandes, sondern auch die Unkündbarkeit der eigenen Stellung - voller Vitalität ist und überdies nichts an Humor verloren hat. Dabei war selbst damals in der Fleet Street nicht erst das Ende des Morgens, sondern schon des Nachmittags hereingebrochen - "und die Abenddämmerung dräute bereits am Horizont".

Michael Frayns Stern hingegen ging da gerade erst auf. Wie untrüglich sein Gespür für Situationskomik und die Dramaturgie von Dialogen bereits Jahre vor seinen großen Bühnenerfolgen wie "Noises Off" (Der nackte Wahnsinn) oder "Benefactors" (Die Wohltäter) war, beweist dieser frühe Roman über das ständig sich vergrößernde Chaos im Leben eines Jedermann, der im Amerikanischen denn auch den treffenden Titel "Wider die Entropie" trägt. Nicht nur, wer sich noch an die hinreißende Schriftstellerfarce "I don't know how she does it" (Wie macht sie's bloß?, 1989) erinnert, in der Frayn mit seinen immerfort sich selbst entlarvenden, grundsympathischen Charakteren eine ganze Branche und das alltägliche Liebesverhalten demontiert, wird an "Gegen Ende des Morgens" seine helle Freude haben.

Michael Frayn: "Gegen Ende des Morgens". Roman. Mit einem Nachwort des Autors. Aus dem Englischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2007. 317 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das ist Michael Frayns Erstling, erinnert Felicitas von Lovenberg, und es spricht ihrer Meinung nach einiges für den Autor, dass sich sein endlich ins Deutsche übertragene Debüt auch nach vierzig Jahren noch so munter und herzhaft liest. Den Langzeittest hat Frayn deswegen mit Bravour bestanden, erklärt sich die Rezensentin dies, weil seine Darstellung zweier beschaulicher Redakteursexistenzen, die durch einen neuen ehrgeizigen Journalistentypus empfindlich gestört werden, damals nachgerade "prophetisch" war. Schon in seinem Debüt zeigen sich alle Vorzüge Frayns, vermerkt Lovenberg, von der Situationskomik bis zum dialogischen Talent, und so kann sie diese "zärtliche Persiflage" auf das Geschäft mit der Druckerschwärze auch im digitalen 21. Jahrhundert unbesorgt zum Lesen empfehlen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein vergnüglicher Ausflug in eine entschwundene Ära dank Michael Frayns spitzer Feder.« Uwe Kossak / SWR2

»Michael Frayn skizziert seine Charaktere mit geradezu idealtypisch englischer Ironie und so präzise, als hätte er dazu immer einen frisch angespitzten Bleistift benutzt ... Wer dieses herrliche Buch im Bett liest, muss damit rechnen, vor Lachen kaum mehr einschlafen zu können.« Linn Schmidt / Vanity Fair

»Mit genauester Kenntnis der Verhältnisse erzählt Michael Frayn, der in jungen Jahren selbst beim Guardian und Observer arbeitete, vom Alltag in der Redaktion, in der es gemächlich brodelt und die ab Mittag stets im Alkohol versinkt. Außer Evelyn Waughs Scoop gibt es wohl keinen anderen Roman, der das Zeitungswesen so witzig und brillant schildert.« Manfred Papst / NZZ am Sonntag

»Frayns schwarzer Humor spielt in diesem Roman eine tragende Rolle. Dass sich das Zeitungswesen inzwischen verändert hat ..., darauf legt der Autor besonderen Wert: 'Keiner von denen wird die erstaunliche Gabe besitzen, zu trinken, bis der Boden wackelt, und anschließend tausend Wörter über den Verfall der Sitten zu schreiben.' War da nicht eben ein Augenzwinkern zu vernehmen?« Wiener Zeitung

»Ein großartiger Roman, voller Humor, Tragikomik, Liebe zum Detail. Voller Wehmut und Wertschätzung und Augenzwinkern. Grandios.« Medienrat

»In einer präzisen Sprache, die die Lektüre zum Genuss werden lässt, schildert der Autor, wie Journalisten mit dem Fernsehen Hoffnungen und Ängste verbanden. Frayns Buch bleibt nicht an der Oberfläche, sondern zeichnet den grundlegenden Wandel nach.« Petra Nossek-Bock / Nürnberger Zeitung

»Mit Ironie und Humor beschreibt Frayn seine Personen in diesem Abgesang auf die Institution Fleet Street ... jene legendäre ehemalige Hochburg englischer Zeitungsredaktionen in London.« Bruder Gerold Zenoni / Zeitschrift Kloster Einsiedeln

»Wunderbar lakonisch beschreibt Frayn das virtuose, doch völlig inhaltsleere Aneinander-vorbei-Gerede.« Beat Mazenauer / Der Landbote

»Michael Frayn zeichnet Karikaturen, die nachgerade prophetischen Rang erhalten. Der Verfall der guten Sitten bildet sich im Niedergang des Zeitungswesens ab ... Das Fernsehen dominiert als Bild- und Unterhaltungskunst das ältere Schriftmedium. Das ist lustig, unvermeidlich und düster zugleich.« SWR2 Buchkritik

»Jetzt hat der Dörlemann Verlag nachgeholt, was bisher versäumt worden ist. Die federleichte Persiflage Gegen Ende des Morgens liegt endlich in einer geschmeidigen deutschen Übersetzung vor von Miriam Mandelkow.« Heini Vogler / SRF2
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