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Er war ein großer Europäer und ein scharfsinniger Kommentator dessen, was die angebliche Randstellung und die Umbrüche seines Heimatlandes Ungarn ausmacht, wer sie definiert und wie man sich ihnen gegenüber verhält. Alswortmächtiger postmoderner Romancier und Erzähler nicht nur seiner wechselvollen Familiengeschichte hat Péter Esterházy sich international einen Namen gemacht. Aber auch in weithin wahrgenommenen Zeitungsartikeln hat ersich als Intellektueller selbstbewusst »Aus dem Elfenbeinturm« über »Leben und Literatur« geäußert, Bücher - von Imre Kertész und Péter Nádas bis hin zu Per Olov…mehr

Produktbeschreibung
Er war ein großer Europäer und ein scharfsinniger Kommentator dessen, was die angebliche Randstellung und die Umbrüche seines Heimatlandes Ungarn ausmacht, wer sie definiert und wie man sich ihnen gegenüber verhält. Alswortmächtiger postmoderner Romancier und Erzähler nicht nur seiner wechselvollen Familiengeschichte hat Péter Esterházy sich international einen Namen gemacht. Aber auch in weithin wahrgenommenen Zeitungsartikeln hat ersich als Intellektueller selbstbewusst »Aus dem Elfenbeinturm« über »Leben und Literatur« geäußert, Bücher - von Imre Kertész und Péter Nádas bis hin zu Per Olov Enquist und Umberto Eco - diskutiert und voller Witz »Problems of dö raiter tudej« erörtert. Dabei ergreift er auch das Wort zupolitischen Themen, bezieht Stellung gegen den aufkommenden ungarischen rechtskonservativen Nationalismus und die mangelnde Verarbeitung der kommunistischen Diktatur. Endlich auch auf Deutsch zu entdecken ist Péter Esterházy als Essayist, der brillant und eigensinnig, polemisch und differenziertfür die Wahrheit eintritt und schon vor vielen heutenoch virulenten Entwicklungen hellsichtig gewarnt hat.
Autorenporträt
Péter Esterházy, geboren 1950 in Budapest, studierte Mathematik an der Universität Budapest und machte sich in Ungarn mit dem Produktionsroman (1979) und der Einführung in die schöne Literatur (1986) als Schriftsteller einen Namen. Breite internationale Beachtung fand er für sein »Opus magnum« Harmonia Cælestis (2000) über die Geschichte seiner Familie. In der zwei Jahre später veröffentlichten Verbesserten Ausgabe setzt sich Esterházy mit der Spitzeltätigkeit seines Vaters auseinander. 2004 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Péter Esterházy starb 2016 in Budapest.

Heike Flemming studierte in Leipzig, Wien und Budapest, lebt als freischaffende Übersetzerin in Berlin und hat 2014 über den ungarischen Gegenwartsroman promoviert. Zu den von ihr übersetzten Autoren zählen Péter Esterházy, Imre Kertész, Szilárd Borbély und László Krasznahorkai. 2010 erhielt sie den Brücke-Berlin- Preis, 2014 den Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis. 2021 wurde sie mit dem Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik sowie dem Hieronymusring der Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Stiftung ausgezeichnet.
Rezensionen
»Péter Esterházy war ein kluger, witziger, schalkhafter, spielerischer, hellwacher, kritischer Zeitgeschichtenerzähler.« Zsuzsanna Gahse / Neue Zürcher Zeitung

»So komplex und assoziativ, so eigenwillig, spontan und eher schwebend äußert sich im westlichen Feuilltons kaum ein Autor.« Gisela Trahms / Welt am Sonntag - die literarische Welt

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Interessant findet Rezensent Thomas Combrink Péter Esterházys journalistische Texte schon. Allerdings muss man, um diese zwischen Polemik und Kommentar oszillierenden Beiträge wirklich zu verstehen, einiges über ihren politischen Entstehungskontext in Ungarn wissen, meint Combrink, und der nur knapp kommentierte Band hilft ihm dabei nur bedingt. Die chronologische Sortierung der Texte sorgt außerdem für eine gewisse Sprunghaftigkeit, die von Esterházys Hang zur Abschweifung, die man aus seinen Romanen kennt, verstärkt wird, moniert er. Stark sind die Texte für ihn vor allem da, wo sich der Autor Persönlichem widmet, Begegnungen etwa oder seiner eigenen Krankheit. Nebenbei erfährt der Kritiker auch einiges über die Rolle von Schriftstellern im Sozialismus.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2023

Als Minutenritter der Sprache
Ständig auf der Suche nach der schönsten Abschweifung: Eine Auswahl journalistischer Arbeiten von Péter Esterházy

Der Untertitel von Péter Esterházys Buch "Das Leichte, das Schwere, der Lärm, die Stille" führt in die Irre. Es handelt sich weniger um "Essays" als um Polemiken, Glossen, Kommentare, Berichte, Reden und Kritiken. Die Texte aus dem Zeitraum von 1985 bis 2015 wurden ausgewählt von der Übersetzerin Heike Flemming. Problematisch ist die Zusammenstellung, weil die Artikel vor allem in ungarischen Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind.

Somit setzte der 2016 gestorbene Autor ein kulturelles, politisches, historisches oder soziales Verständnis voraus - "weil man nicht immer alles sozusagen nach Kräften durchdenken kann, ist dieses Aprioriwissen nötig", so der Schriftsteller über die journalistische Arbeit. Aus deutscher Perspektive ist dieser Hintergrund teilweise schwer zu rekonstruieren. Der Anmerkungsapparat von Heike Flemming ist knapp, das ständige Blättern zwischen Text und Anhang ermüdend. Esterházy bezeichnet Journalisten als "Minutenritter der Sprache", in Zeitungsartikeln gehe es um den Augenblick. In ihrem Nachwort wendet sich die Übersetzerin gegen eine Formulierung von Péter Nádas, der Esterházy einen "Repräsentierschriftsteller" genannt hat. Flemmings Zusammenstellung wirkt wie der Versuch, das Urteil von Nádas zu widerlegen. Dabei sollte man bedenken, dass die beiden Freunde sich publizistisch gern auf die Schippe genommen haben. Der Ausdruck von Nádas zielte vermutlich auch auf die Familiengeschichte von Esterházy, auf die Darstellung des einflussreichen ungarischen Adelsgeschlechtes.

"Das Leichte, das Schwere, der Lärm, die Stille" ist in Kapitel gegliedert, in denen die Texte nach dem Jahr ihres Erscheinens geordnet sind. Dadurch wird die Lektüre sprunghaft. Befand man sich eben noch 2004 auf dem Bodensee-Literaturfestival mit Peter Bichsel, so gelangt man beim nächsten Text des folgenden Kapitels wieder zurück in die Zeit des ungarischen Sozialismus. Diese Wechselhaftigkeit wird durch die Schreibweise von Esterházy verstärkt, der ein Meister der Abschweifung war. In einer Laudatio auf Umberto Eco, die er 2007 auf der Budapester Buchmesse gehalten hat, geht es erst fast zwei Seiten lang um den Hund von Esterházy, den seine Tochter gegen den Willen des Vaters gekauft hatte und der ebenfalls Umberto hieß. In der Besprechung von Thomas Bernhards "Alte Meister" (ihr Titel: "Das Schmähgenie") stehen vor allem Hermann Broch, Géza Ottlik und Gyula Krúdy im Mittelpunkt. Esterházy wendet die in seinen Romanen erprobte Technik des verfehlten Themas auch journalistisch an und wechselt zwischen politischen, historischen, persönlichen sowie literarischen Perspektiven.

Eindrucksvoll und unterhaltsam sind seine Texte, wenn er von persönlichen Erfahrungen ausgeht. Er schildert eine Begegnung mit Bohumil Hrabal in Paris und beschreibt, wie er für Dürrenmatt als Dolmetscher auf einem Kongress tätig war. Unauffällig versucht Esterházy, in ausländischen Buchhandlungen zwischen den Buchstaben E und F die eigenen Werke zu finden. Liebevoll das Porträt, das er von seiner Schreibkraft Gizella Gárdonyi zeichnet, die für ihn eine beratende, mahnende und ermutigende Funktion hatte.

Ein großer Teil des Bandes ist politischen Themen gewidmet. Dabei handelt es sich oft um Artikel, in denen Esterházy den gesellschaftlichen Umbruch in Ungarn und Europa um 1990 kommentiert. Er vergleicht die Zeit im Sozialismus mit der neu entstehenden Demokratie. Er sieht Kontinuitäten, schildert Chancen und Gefahren. Für Esterházy war es wichtig, dass Ungarn nach der Wende geographisch nicht mehr zu Ost-, sondern zu Mitteleuropa gehörte. Wenn er Kritik äußert am Verhalten seiner Mitbürger, will er sich loyal zeigen; auch er hat sich in der Vergangenheit getäuscht. Die Rede vom "Repräsentierschriftsteller" erweist sich als positive Eigenschaft von Péter Esterházy, der sich auf Augenhöhe gesehen hat mit den Menschen in seinem Heimatland. Die Texte zeigen ihn als moralische und intellektuelle Instanz in Ungarn.

Esterházys Behauptungen haben einen suggestiven Charakter. Diese Kraft der Andeutung erschließt sich vor allem denen, die mit ihm den historischen Augenblick geteilt haben. Aus heutiger Perspektive sind die Details interessant. Der Autor schreibt über ungarische Schriftsteller im Sozialismus, bei denen der Aufstand von 1956 nur in chiffrierter Form erwähnt werden konnte. Dann bringt er das Beispiel von den "Sechsundfünfzig Meerschweinchen über dem Garten"; es handelt sich um einen ausgedachten Romantitel, der auf das geschichtliche Ereignis anspielt. Der letzte Text von "Das Leichte, das Schwere, der Lärm, die Stille" enthält prophetische und traurige Sätze: "Ich habe Angst vor dem Alter. Vor den Krankheiten, dem Schmerz, den zunehmenden Instandhaltungsschwierigkeiten. Die Krankheit als Beschäftigung: Das möchte ich vermeiden. Die Hölle stelle ich mir als Krankenhaus vor." Der 1950 geborene Esterházy hat 2017 im "Bauchspeicheldrüsentagebuch" seinen körperlichen Verfall geschildert. Auch dort steht die persönliche Erfahrung im Mittelpunkt. THOMAS COMBRINK

Péter Esterházy: "Das Leichte, das Schwere, der Lärm, die Stille". Essays 1985-2015.

Ausgewählt und aus dem Ungarischen von Heike Flemming. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2023. 448 S., geb., 38,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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