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Eine bedrückende Kindheitsgeschichte über Schuld und die Unfähigkeit zur Vergebung.Ein Kind wird von seinen Eltern, hochgebildeten Intellektuellen und anerkannten Wissenschaftlern, zu Unrecht bezichtigt, gestohlen und Feuer gelegt zu haben. Die Zeit in einem Erziehungsheim, in das die Eltern den Jungen nach den anscheinend ergebnislos gebliebenen »einfachen« Bestrafungen geben, wird für den an sich selbst verzweifelnden Jungen zur Befreiung. Im Kinderheim gelangt der »Dieb« zu der Erkenntnis, daß er in Wahrheit das Opfer einer Intrige durch das ehemalige Dienstmädchen geworden ist.Das…mehr

Produktbeschreibung
Eine bedrückende Kindheitsgeschichte über Schuld und die Unfähigkeit zur Vergebung.Ein Kind wird von seinen Eltern, hochgebildeten Intellektuellen und anerkannten Wissenschaftlern, zu Unrecht bezichtigt, gestohlen und Feuer gelegt zu haben. Die Zeit in einem Erziehungsheim, in das die Eltern den Jungen nach den anscheinend ergebnislos gebliebenen »einfachen« Bestrafungen geben, wird für den an sich selbst verzweifelnden Jungen zur Befreiung. Im Kinderheim gelangt der »Dieb« zu der Erkenntnis, daß er in Wahrheit das Opfer einer Intrige durch das ehemalige Dienstmädchen geworden ist.Das Bedrückende an dieser Geschichte ist jedoch die Tatsache, daß die Eltern, auch nachdem sie von der kriminellen Energie ihres Dienstmädchens wissen, nicht an die Unschuld ihres eigenen Sohnes glauben und ihm die vollständige familiäre »Rehabilitation« weiterhin verweigern. Schmerzlich muß der Junge erfahren, daß es offensichtlich keine vollständige Erlösung von der Schuld der anderen gibt.Und dies trifft nicht nur für den familiären Mikrokosmos zu, sondern es gewinnt auch gerade dann an Bedeutung, wenn man die Geschichte vor dem Hintergrund der Zeit liest, in der sie sich ereignet hat: der Zeit zwischen 1945 und 1946.
Autorenporträt
Christian Heimpel wurde 1937 in Leipzig als viertes Kind des Historikers Hermann Heimpel und der Pädagogin Elisabeth Heimpel geboren. Nach dem Studium der Landwirtschaft und Volkswirtschaft Tätigkeit in der praktischen Entwicklungspolitik für verschiedene Institutionen der deutschen und internationalen Zusammenarbeit mit der »Dritten Welt«. Ab 1993 Arbeit in Umweltschutzprojekten in Brasilien. Seit 2002 Ruheständler und freier Gutachter. Lebt jetzt in Florianópolis, Brasilien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2004

Das grobe Schweigen
Sag’ die Wahrheit: Der Historiker-Sohn Christian Heimpel hatte keine schöne Kindheit
Hoffen wir, dass das Buch nicht verfilmt wird. Der Stoff von Christian Heimpels „Bericht über einen Dieb” ist arg verlockend für Dokudramas – Hochschwarzwald, Frühjahr 1945. Im Sommerhaus eines Professors, gedrängt gefüllt mit zwei Akademikerfamilien, die sich im Chaos der letzten Kriegsmonate aus Straßburg dorthin geflüchtet haben, geschieht Unerklärliches. Lebensmittel und kleine Wertgegenstände verschwinden. In der Scheune und auf dem Dachboden werden Brände gelegt, gerade noch rechtzeitig werden sie entdeckt. In den Taschen des siebenjährigen Professorensohns findet man Diebesgut und Streichhölzer. Er leugnet und wird bestraft, leugnet weiter und wird nach weiteren Diebstählen und Feuern immer heftiger bestraft.
Schließlich wird er in ein Kinderheim verbracht. Dort bleibt er eineinhalb Jahre, bevor er ins Elternhaus zurückkehren darf – zu Unrecht beschuldigt, wie sich herausstellt. Zugegeben wird der elterliche Irrtum nicht, sondern mit Schweigen übergangen.
Diese Starre ist das eigentliche Thema des kleinen autobiographischen Buchs. Es zitiert aus dem Tagebuch der Mutter, promovierte Pädagogin, die „krankhafte Falten über der Nasenwurzel” des Verstockten entdeckt, ihn mit der Reitpeitsche traktiert, nachher in Tränen ausbricht und vom Kind getröstet werden muss. Es beschreibt Reisen durch gefrorene Landschaften mit Resten „intakter deutscher Truppen” (O-Ton des Vaters). Es lässt den stillen blassen Sohn eines Nazi-Filmkünstlers auftreten und einen blinden Überlebenden aus Dresden.
Das ist schon eine ganze Menge frisson allemand. Später wird das Sommerhaus umstellt, auf der Suche nach jenem Straßburger Kollegen des Professorenvaters, der Einsatzgruppen auf die Jagd nach den Schädeln kommunistischer Politkommissare schickte und aus elsässischen KZs menschliches Versuchsmaterial für seine Rassentheorien rekrutierte. Der bleibt unauffindbar. Der Vater des Erzählers dagegen, rehabilitiert, wird seine neue Stelle in Göttingen antreten.
Hier endet die Erzählung. Der Professorenvater steigt zum einflussreichen Historiker der Nachkriegszeit auf, zum Vorsitzenden der Rektorenkonferenz, Direktor des ersten geisteswissenschaftlichen Forschungsinstituts des Max-Planck-Gesellschaft und zeitweiligem Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Wenn heute über die Karrieren deutscher Historiker vor und nach 1945 gestritten wird, fällt auch sein Name. Aus dem Internet lassen sich mühelos lange Texte für und wider den akademischen Würdenträger Hermann Heimpel herunterladen. Diese Debatten, die seit dem Frankfurter Historikertag 1998 um die nationalsozialistische Vergangenheit späterer westdeutscher Größen des Faches geführt werden, fallen vielleicht deshalb so emotional aus, weil auch sie sich um Familienverhältnisse drehen, um solche akademischer Art. Auf der einen Seite verteidigen mit Professorentiteln Bestallte demonstrativ beleidigt ihre Zieh- und Doktorväter. Auf der anderen wird auf vollständiger Enthüllung des geheimen Doppellebens der Älteren beharrt; gekoppelt mit dem laut eingeklagten Wunsch nach den reinen Ursprüngen des Fachs, die durch strenge moralische Aufarbeitung wiederherzustellen seien.
Der Erzählersohn kennt das. Apologie oder Beweis (also Erlösung) hat er nicht anzubieten. In einem kurzen Epilog bittet er seine Leser, aus seinem Text keine Schlüsse über das Verhalten deutscher Geschichtsprofessoren während des Zweiten Weltkriegs zu ziehen. Bei ihm lernt der zu Unrecht beschuldigte Sohn am Schluss, dass es keine vollständige Lossprechung von der Schuld der anderen gibt.
Der „Bericht über einen Dieb” ist von klebrigem kaltem Zauber, weil er eben keine historische Recherche ist, sondern vom Kinderzauber des Bösen handelt. Das kann man nicht verfilmen, sonst kommt Kitsch heraus. Das Gedicht, dass das mit der Reitpeitsche geprügelte Kind im Februar 1945 auswendig lernen muss, handelt übrigens von der höchsten deutschen Tugend: nämlich immer, immer die Wahrheit zu sagen.
VALENTIN GROEBNER
CHRISTIAN HEIMPEL: Bericht über einen Dieb. Göttinger Sudelblätter. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 48 S., 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Rezensent Valentin Groebner hofft vor allem eines, nämlich "dass das Buch nicht verfilmt wird". Er glaubt allerdings nicht, dass er Gehör finden wird, denn der Stoff dieser autobiografischen Aufzeichnung eignet sich geradezu wunderbar zum "Dokudrama": Im Frühjahr 1945 tummeln sich im Sommerhaus des Geschichtsprofessors Heimpel vor der Verwirrung des Kriegsendes flüchtende Akademikerfamilien. Als auf mysteriöse Weise "Lebensmittel und kleine Wertgegenstände" verschwinden und auf dem Dachboden Brände gelegt werden, wird der damals siebenjährige Sohn Christian dafür bestraft, immer härter, schließlich ins Kinderheim geschickt und von dort zurückgeholt, nachdem seine Unschuld bewiesen ist. Doch das Eingeständnis des "elterlichen Fehlers", so Groebner, wird es niemals geben. Für Groebner ist demnach auch die "Starre" das eigentliche Thema dieses mit viel "frisson allemand" gespeisten Buches, dem, weil es nicht "historische Recherche" sein will, sondern vom "Kinderzauber des Bösen" handelt, ein "klebriger kalter Zauber" anhaftet. Darüber hinaus nimmt er Heimpels Schilderung des Nazitums der Straßburger Professoren zum Anlass, um deren Schuldfrage parallel zu der des Sohnes zu hinterfragen. Heimpel selbst, so Groebner, vermittelt, "dass es keine vollständige Lossprechung von der Schuld der anderen gibt".

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