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Breit angelegt untersucht die Arbeit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Wahlrechtsregelungen und geht dabei auch auf die entsprechende (landes-)verfassungsrechtliche Rechtsprechung ein. Die Autorin befasst sich mit grundlegenden und bislang ungeklärten Problemen des Grundgesetzes, insbesondere mit der demokratischen Repräsentation, der Konkretisierung der Wahlrechtsgrundsätze sowie deren Verhältnis zu den Gleichheitsrechten und Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG. Das Werk zeigt letztlich einen eigenen Lösungsweg auf, der nicht an das Wahlrecht anknüpft, sondern auf das Soft Law und die politische Debatte setzt.…mehr

Produktbeschreibung
Breit angelegt untersucht die Arbeit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Wahlrechtsregelungen und geht dabei auch auf die entsprechende (landes-)verfassungsrechtliche Rechtsprechung ein. Die Autorin befasst sich mit grundlegenden und bislang ungeklärten Problemen des Grundgesetzes, insbesondere mit der demokratischen Repräsentation, der Konkretisierung der Wahlrechtsgrundsätze sowie deren Verhältnis zu den Gleichheitsrechten und Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG. Das Werk zeigt letztlich einen eigenen Lösungsweg auf, der nicht an das Wahlrecht anknüpft, sondern auf das Soft Law und die politische Debatte setzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2023

Ein Paritätsgesetz scheitert am Grundgesetz

Drei Dissertationen verwerfen die Quote im Wahlrecht - mit unterschiedlichen Akzenten

Im Jahr 2020 entschieden die Landesverfassungsgerichte von Brandenburg und Thüringen, die dort von SPD, Grünen und Linkspartei beschlossenen Paritätsgesetze seien nicht mit den Verfassungen des jeweiligen Bundeslandes vereinbar. Diese sahen vor, die Parteien zu verpflichten, ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof nach einer Popularklage geurteilt, Quotenregelungen im Wahlrecht seien mit der bayerischen Verfassung unvereinbar. Die meisten Staatsrechtslehrer sehen das auch auf Bundesebene so. Lange Zeit gab es aber kaum juristische Monographien zu der Frage, ob ein Paritätsgesetz tatsächlich gegen das Grundgesetz verstößt.

Das hat sich in den vergangenen Monaten geändert. Drei namhafte Verlage haben jeweils eine Dissertationsschrift dazu veröffentlicht. Die Werke von Anna Gloßner, Valentin Martin Heimerl und Laura Volk haben gemeinsam, die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Staatsrechtslehre zu stützen. Ein Paritätsgesetz auf Bundesebene ist nach Ansicht aller drei Autoren nicht mit dem Grundgesetz kompatibel. Die Pflicht zur Quote greife zu stark in die von der Verfassung geforderte Gleichheit und Freiheit der Wahl ein. Die Freiheit der Parteien, ihre Ausrichtung selbst zu bestimmen, werde ebenso beeinträchtigt wie deren Chancengleichheit untereinander. Diese Eingriffe seien durch den grundgesetzlichen Auftrag, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördern muss, nicht zu rechtfertigen. Denn dieser Auftrag verlange lediglich gleiche Chancen für Kandidatinnen und Kandidaten bei Parlamentswahlen - nicht aber ein im Ergebnis paritätisch besetztes Parlament.

Trotz dieser gemeinsamen Ergebnisse unterscheiden sich die veröffentlichten Doktorarbeiten stark. Dies sieht man bereits am Umfang: Während Heimerls Buch keine 200 Seiten umfasst, kommt Volk auf 430 Textseiten, ohne Literaturverzeichnis. Der Umfang von Gloßners Dissertation liegt ungefähr dazwischen. Alle drei Bücher sind juristisch ertragreich. Sie erfüllen aber unterschiedliche Zwecke.

Valentin Martin Heimerl hat ein solides Basiswerk geschrieben. Er verwirft die grundgesetzliche Zulässigkeit eines Bundesparitätsgesetzes mit stringenter Argumentation. Daran anschließende Folgefragen thematisiert er aber nicht. Seine Überlegungen untermauert der Tübinger Jurist mit zahlreichen Grafiken zum Frauenanteil in den Parlamenten. Das ist anschaulich, wenn auch in juristischen Dissertationen eher ungewöhnlich. Viel Platz spart der Autor dadurch, dass er die Gleichheit der Wahl und die Chancengleichheit der Parteien sowie die Freiheit der Wahl und die Parteienfreiheit jeweils im Zusammenhang behandelt. Inhaltlich lässt sich das gut begründen. Die verfassungsrechtlichen Probleme eines Paritätsgesetzes werden auch aufgrund dieser Herangehensweise freilich nicht so tiefgehend behandelt wie bei Gloßner und Volk.

Den beiden Autorinnen merkt man stärker als ihrem männlichen Kollegen an, dass sie trotz ihrer Übereinstimmung mit der Rechtsprechung darum ringen, den Frauenanteil in Parlamenten auf verfassungskonformem Wege zu erhöhen. Anders als Heimerl gehen beide der Frage nach, ob Bundestag und Bundesrat zum Zwecke einer Paritätsregelung im Wahlrecht das Grundgesetz ändern dürften. Für Anna Gloßner kommt eine solche Verfassungsänderung in Betracht. Der durch die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes geschützte Kerngehalt des Demokratieprinzips stehe dem nicht entgegen. Die Mainzer Juristin kann einem monistischen Repräsentationsverständnis wenig abgewinnen. Insbesondere der bayerische Verfassungsgerichtshof stützte sich in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2018 darauf, jeder einzelne Abgeordnete vertrete stets das ganze Volk. Dies hält Gloßner für "realitätsfern". Dennoch verwahrt sie sich gegen den Ansatz einiger Quotenbefürworter, ein Parlament müsse Spiegelbild des Volkes sein.

Letzteres sieht auch Laura Volk so. Die Heidelbergerin ist aber der Überzeugung, eine Änderung des Grundgesetzes zur Einführung einer Paritätsregelung widerspreche dem Demokratieprinzip. Eine solche Vorgabe im Wahlrecht sei daher dauerhaft durch die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes ausgeschlossen. Die Auffassung des Landesverfassungsgerichts Brandenburg, wonach die Pflicht zur Quote das "grundlegende demokratische Prinzip der Willensbildung von unten nach oben aber geradezu in sein Gegenteil" verkehre, gelte auch auf Bundesebene. Ein paritätisches Wahlrecht und das damit einhergehende Repräsentationsverständnis statuiere Rechte nicht für jedes Individuum, sondern aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit. Dies berühre letztlich die Menschenwürde.

Diesem Verfassungsgut kommt in den Arbeiten der beiden Autorinnen auch an anderer Stelle Bedeutung zu: 2017 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das aus der Menschenwürde und der Handlungsfreiheit des Grundgesetzes abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht die geschlechtliche Identität von Personen schützt, die biologisch weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sind. Möchte ein Intersexueller für ein Parlament kandidieren, stoßen Paritätsregeln an ihre Grenzen. Wer Listenplätze nur für weibliche und männliche Kandidaten reserviert, verwehrt Intersexuellen letztlich das passive Wahlrecht. Anna Gloßner möchte Angehörigen dieser Gruppe deshalb im Gegensatz zu Frauen und Männern eine Kandidatur auf jedem Listenplatz erlauben, sofern sich der Verfassungsgeber auf eine Paritätsregelung einlassen sollte. Das ist eine eigenartige Bevorzugung, die von Laura Volk so nicht verlangt wird. Sie ist aber ebenfalls der Auffassung, dass ausschließlich weibliche und männliche Kandidatenplätze die Rechte Intersexueller verletzen.

Beide Autorinnen erwägen zudem rechtspolitische Alternativen zur Paritätsgesetzgebung, um einen höheren Frauenanteil in Parlamenten zu erreichen. Sie gehen dabei unterschiedlich vor. Anna Gloßner fokussiert sich auf einen "Kodex zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik". Das überzeugt nur bedingt. Das Streben nach derartigem "Soft Law" dürfte dem politischen Wettbewerb kaum zuträglich sein. Gloßners Formulierungsideen für den Kodex muten zudem sehr akademisch an.

Laura Volk diskutiert verschiedene rechtspolitische Ansätze. Überzeugend ist die Idee, bei Bundes- und Landtagswahlen ähnlich wie bei Kommunalwahlen in einigen Bundesländern das Panaschieren und Kumulieren zu erlauben. Die Wähler hätten dann die Möglichkeit, ihre Stimmen gezielt so zu bündeln, dass ein paritätisches Parlament wahrscheinlicher wird. Sie könnten sogar ausschließlich Frauen wählen. Leider sind Volks Ausführungen gerade an dieser Stelle etwas knapp. Das ist angesichts des Gesamtumfangs ihrer Arbeit verständlich. Es wäre aber gut gewesen, diese Idee ausführlicher zu erörtern. An anderer Stelle im Dissertationstext wären dafür Kürzungen verkraftbar gewesen - etwa bei der oftmals etwas ausufernden Wiedergabe von Zitaten der Rechtsprechung.

Solche Nuancen in der Schwerpunktsetzung schmälern den Gesamtertrag freilich nicht. Es bleibt zu hoffen, dass alle drei Bücher viele Leser finden: Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene. Auch für das Europawahlrecht wird immer wieder über Quotenregelungen diskutiert. STEPHAN KLENNER

Anna Gloßner: Paritätsgesetze und repräsentative Demokratie. Neue Ansatzpunkte zur Frauenquote im Wahlrecht.

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2022. 350 S., 98,- Euro.

Laura Volk: Paritätisches Wahlrecht. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und demokratietheoretische Bezüge.

Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2022. 461 S., 119,- Euro.

Martin Valentin Heimerl: Paritätische Aufstellung von Kandidaten für Bundestagswahlen.

Duncker & Humblot, Berlin 2023. 195 S., 69,90 Euro.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Stephan Klenner hat sich durch drei juristische Dissertationen gearbeitet, die sich mit den in Brandenburg und Thüringen eingebrachten und von den Landesverfassungsgerichten verworfenen Paritätsgesetzen beschäftigen. Die Mainzer Juristin Anna Gloßner stützt die Mehrheitsmeinung, dass das Grundgesetz eine verpflichtende Quotierung nicht zulasse, interessant findet Klenner aber, wie sie daran anschließend nach Wegen sucht, mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Gloßner hielte eine Verfassungsänderung für möglich, die von der realitätsfernen monistischen Konzeption abrücke, nach der ein einzelner Abgeordneter das ganze Volk repräsentiere.

© Perlentaucher Medien GmbH