• Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Norbert ist neun und verliert beim Scrabble jedes Mal gegen seine Großmutter. Für ihn ist das der Beweis, dass sie ihn ernst nimmt - und er liebt sie dafür wie niemanden sonst. Als er Jahre später doch gegen sie gewinnt, erkennt er schlagartig, was Älterwerden bedeutet - für sie beide. Norbert, ein scheuer Junge mit ungewöhnlicher Beobachtungsgabe, macht allmählich seinen Weg ins Erwachsenenleben. Bei Indianerspielen, Schach und in den Machtspielen der Jungen lernt er seine Rolle einzunehmen. Er lernt, dass auch das Leben im Dorf einem Spiel gleicht. Und er lernt, wie sich der erste Kuss…mehr

Produktbeschreibung
Norbert ist neun und verliert beim Scrabble jedes Mal gegen seine Großmutter. Für ihn ist das der Beweis, dass sie ihn ernst nimmt - und er liebt sie dafür wie niemanden sonst. Als er Jahre später doch gegen sie gewinnt, erkennt er schlagartig, was Älterwerden bedeutet - für sie beide. Norbert, ein scheuer Junge mit ungewöhnlicher Beobachtungsgabe, macht allmählich seinen Weg ins Erwachsenenleben. Bei Indianerspielen, Schach und in den Machtspielen der Jungen lernt er seine Rolle einzunehmen. Er lernt, dass auch das Leben im Dorf einem Spiel gleicht. Und er lernt, wie sich der erste Kuss anfühlt und der erste Verlust. Stephan Enter spürt jenen kleinen Verschiebungen des Blicks nach, die das Vertraute unwiederbringlich verändern können. Die präzisen und einfühlsamen Beschreibungen lassen die Schönheit der ersten Erfahrung, eine Zeit voller Intensität erstehen und machen Spiel zu einem ebenso fesselnden wie poetischen Roman.
Autorenporträt
Stephan Enter, geboren 1968, hat in den Niederlanden bereits den Erzählband Winterhanden und den Roman Lichtjaren veröffentlicht. Die Bücher wurden von der Kritik begeistert aufgenommen und für den Gerard-Walschap- und den Libris-Literaturpreis nominiert. Stephan Enter gilt als eine der wichtigsten Stimmen der jüngeren niederländischen Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2009

Norbert langweilt

Ein Roman kann seinen Leser nur packen, wenn zumindest einer der folgenden Bestandteile besonders gut ist: die Geschichte, die Gedanken, die Sprache oder der Protagonist. Diese fatale Erkenntnis wird glasklar bei der Lektüre von "Spiel" aus der Feder des niederländischen Autors Stephan Enter. Als "nachdenklicher Roman" wird er im Klappentext apostrophiert, als "poetische Meditation über das Erwachsenwerden". Das ist gar nicht so unzutreffend. Aber es ist auch über lange Passagen hinweg entsetzlich langweilig. Der Heranwachsende ist Norbert, Kind einer besseren Familie in der Provinz. Seine Tage mit Freunden beim Spielen im Wald werden beschrieben, seine erste sexuelle Erfahrung mit einem Mädchen, sein erstes Schachturnier. Die Geschichte ist also belanglos - außerdem kein Gedanke erkennbar, die Sprache in keiner Hinsicht besonders und der Protagonist ein wenig sympathischer, unentschlossener kleiner Wicht. "Seine eigenen Klassenkameraden kamen ihm manchmal viel wirklicher vor als er sich selbst", schreibt Enter über Norbert und beschreibt damit seinen eigenen schriftstellerischen Fehler. Das mit Abstand stärkste Kapitel findet sich gegen Ende, als es um die Beziehung zur Großmutter geht. Da wird auch gleich deutlich, warum es plötzlich interessant wird: Die alte Dame ist eine besonders gute Figur. Das macht ihren bald folgenden Tod umso tragischer - nicht nur für den Protagonisten, sondern auch für den ganzen Roman. (Stephan Enter: "Spiel". Roman. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Berlin Verlag, Berlin 200. 252 S., geb., 19,90 [Euro].) bähr

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.11.2009

Was die Rothaut beim Scrabbeln lernte
Der niederländische Schriftsteller Stephan Enter erzählt von einer Kindheit und Jugend im vordigitalen Zeitalter
Der Nachtschnellzug aus Holland schießt hoch über dem Tal aus dem Tunnel. Über ihm spannt sich ein irreal blauer Himmel. Am Horizont erscheinen die schneebedeckten Berge des Wallis, an den Hängen kleben Wälder, Felder und Dörfer. In einem der Abteile sitzt Norbert Vijgh, der kaum ahnen kann, dass sein Leben in diesem Moment eine entscheidende Wendung nimmt. Zum ersten Mal begleitet er seine Großmutter in die Ferien in die Schweiz. Diese Frau, ganz anders als seine Eltern, wird ihm in einer Welt, die ganz anders ist als das heimatliche Brevendal, zu begreifen helfen, wer er ist und was er will.
Keine Sorge: Dass auch Thomas Manns Hans Castorp zu Beginn des „Zauberbergs” mit der Eisenbahn ins Schweizer Hochgebirge fährt, wo er sich Klarheit verschaffen wird über die Weltenläufte und sich selbst, ist sicher nur ein inspirierender Zufall. Denn nichts liegt dem 1968 geborenen niederländischen Schriftsteller Stephan Enter ferner, als seine Leser mit ausgeklügelten literarischen Rätselspielen einzuschüchtern. In seinem Debütroman „Spiel” geht es ihm allein darum, für die uralte Geschichte vom Kind, das sich zum jungen Mann auswächst, eine neue, überzeugende Version zu finden. Dass sein Held Norbert Vijgh autobiographische Züge trägt, lässt sich nicht beweisen, liegt aber ziemlich nahe.
Die Schlüsselszene von der Ankunft in der Schweiz findet sich erst gegen Ende des Buchs. Bis dahin haben wir Norbert Vijgh schon ganz gut kennengelernt. Er wächst als Einzelkind in der niederländischen Provinz in Brevendal auf, das man sich vorstellen muss wie eine kleine Stadt oder ein großes Dorf. Seine Familie, alteingesessen, genießt dort einiges Ansehen. Aber gerade weil sie sich in ihrem ganzen Habitus von der kleinbürgerlichen Mehrheit der Nachbarschaft unterscheidet, hat der Junge mit seinen Spielkameraden manchmal ganz schön zu kämpfen. Viel offener, als sich Erwachsene das jemals trauen würden, lassen sie ihn ihre Ressentiments gegenüber dem scheinbar Privilegierten spüren. Stundenlang spielen sie friedlich miteinander: Und plötzlich bricht unvermittelt eine Aggression aus, gegen die sich Norbert schon allein deshalb nicht so recht wehren kann, weil er von seinen Eltern nicht die nötige Rauheit und Rücksichtslosigkeit gelernt hat.
Dieser Konflikt wiederholt sich in immer neuen Variationen, bis sich die Schulkarrieren der Spielkameraden trennen – und bis Norbert genügend Selbstbewusstsein entwickelt hat, um solchen Angriffen standzuhalten. Enter erzählt seine Geschichte nicht als Kontinuum, sondern in elf Kapiteln, die in sich geschlossen sind wie eine Kurzgeschichte, in ihrer Anordnung aber nur grob der Chronologie folgen. Das widerspricht eigentlich den Regeln des Entwicklungsromans: Aber tatsächlich erinnert sich ja kein Mensch in einem epischen Kontinuum an seine Vergangenheit. Vielmehr orientieren wir uns an bestimmten Schlüsselszenen, deren Abfolge im Laufe der Jahre schon ein bisschen durcheinanderkommen kann.
Und wenn man sich bis in die ganz frühe Kindheit zurückdenkt, kann auch einmal die Perspektive ins Schleudern geraten: Da sieht man sich selbst in frühen Szenen von außen, und nicht immer kann man diesen überraschenden Blickwechsel damit begründen, dass sich eine oft herumgereichte Fotografie mit der Erinnerung mischt. Enter nimmt auch diese Erfahrung auf und wechselt die Erzählperspektive, bis sich in den chronologisch späteren Kapiteln immer mehr der Ich-Erzähler verfestigt: Ein subtiler Trick, das Erwachsenwerden literarisch nachzustellen.
Ein frei komponierter Roman also, doch ein Motiv hält alle Kapitel zusammen: Das Spiel, das ihm seinen Titel gegeben hat. Wer mit Skepsis und Melancholie beobachtet, wie heutige Kinder ihre Zeit vor dem Bildschirm verbringen, wird sich von diesem Buch bestätigt finden. Es geht los mit einem klassischen Indianerspiel am Dorfrand, das eine komisch-überraschende Wendung nimmt, als plötzlich auf dem Kriegspfad zwar keine Rothaut, aber immerhin eine Gruppe schwarzafrikanischer Studenten auftaucht, die in Brevendal in die Geheimnisse niederländischer Geflügelzucht eingeweiht werden. Geradezu anachronistisch mutet der Schachclub im „Cafe Centraal” an, der sich reger Beteiligung erfreut: Wo in der Provinz würden sich heute noch genügend Jugendliche finden, um systematisch wichtige Partien zu studieren? Und wie viele Kinder können noch stundenlang Stöckchen im Bach um die Wette schwimmen lassen?
Doch allzu viel Sentimentalität geht an der Wirklichkeit vorbei. Schon vor den Zeiten des Computers konnten Spiele erschreckend grausam und sadistisch ablaufen. Wer daran zweifelt, lese das sechste Kapitel – auch, weil Enter hier in seiner Erzählkunst zu Hochform aufläuft: in der Beobachtungsgabe, im Timing, in den Dialogen. Norbert also taucht aus der Lektüre eines Ritterromans auf (in dem es übrigens auch nicht gerade zimperlich zugeht) und fühlt den heftigen Drang, sein langweiliges, behütetes Leben mit dem eines echten Helden zu vertauschen. Schneller als es ihm lieb ist, kann er sich als Held bewähren. Noch am gleichen Nachmittag nämlich wird er in einen Bandenkrieg verwickelt, steht alleine gegen acht Feinde, die keine Demütigung scheuen, um aus ihm die Adresse eines Kumpels herauszupressen. Norbert bleibt standhaft. Er muss lernen, dass solch Heroismus nicht mehr viel gilt. Und dass Spiel und Ernst gefährlich nahe beieinander liegen können.
Was aber lernt man überhaupt beim Spielen? Oft genug Dinge, mit denen man gar nicht gerechnet hätte. Wenn Norbert schließlich in der Schweiz mit seiner Großmutter stundenlang Scrabble spielt, nimmt sie ihn wirklich ernst. Erst als er ihr wirklich überlegen ist, gewinnt er auch gegen sie. Was zählen schon die vielen Niederlagen gegen die Erfahrung, für voll genommen zu werden? Die Großmutter ist ein Mensch von altmodischer Konsequenz, und damit imponiert sie Norbert immer mehr. Sie hat keinen Führerschein, benutzt seltsam unmoderne Wörter, und in den Regalen ihres Ferienhauses stehen nur alte Bücher herum, die viel spannender sind als das pädagogisch gut gemeinte Zeug daheim in Holland. Lesen und scrabbeln, reden und wandern: Zehn Sommer wird Norbert seine Großmutter in die Schweiz begleiten und dabei lernen, was es bedeutet, älter und irgendwann erwachsen, also ein ganz eigener Mensch zu werden. Man könnte die Kapitel dieses Kindheits- und Jugendromans wie ein Scrabble-Muster legen, das ganz zufällige Kreuzungspunkte hervorbringt. Und man könnte die Episoden nach ihrem Wert für ihren Protagonisten mit unterschiedlichen Punktzahlen bewerten. Wie auch immer: Dieser Roman ist auch ein letzter Gruß an eine wunderbare Frau. TOBIAS HEYL
STEPHAN ENTER: Spiel. Roman. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Berlin Verlag, Berlin 2009. 252 Seiten, 19,90 Euro.
Die Großmutter hat keinen Führerschein und benutzt seltsam unmoderne Wörter
Als Hollands Dorfjugend noch auf dem Kriegspfad war, kam es gelegentlich zu merkwürdigen Begegnungen. . . Foto: STOCK4B
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als neue Version der uralten Geschichte vom heranreifenden Kind hat dieser Roman unseren Rezensenten überzeugt. Neu ist für Tobias Heyl der Bruch mit der Kontinuität des Rückblicks. Stephan Enter bietet überraschende Außenperspektiven und eine bewusst lax gehandhabte Chronologie der Ereignisse dieser exemplarisch erzählten Kindheit, deren autobiografische Züge Heyl durchaus erkennt. Subtil findet Heyl diesen freien Umgang mit der Tradition, und das zentrale Motiv des Spiels scheint ihm genug, um nicht den Faden zu verlieren und in den Genuss zu kommen von Enters Fabulierkunst, seiner Beobachtungsgabe, Dialogfestigkeit und seinem Timing.

© Perlentaucher Medien GmbH