Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 1,24 €
  • Gebundenes Buch

Lakonisch und mit liebevoller Ironie erzählt Alex Capus die Geschichte des Lügners, Betrügers und Kleinstadt-Casanovas Harry Widmer junior, der vor seinen Gläubigern und seiner schwangeren Geliebten nach Mexiko flieht. Zwar richtet Harry es sich mit den Jahren gemütlich ein am Pazifischen Ozean, aber das süße Nichtstun wird mit der Zeit fad, die Erinnerung immer quälender. Eine Serie dramatischer Ereignisse bewegt Harry schließlich zur Umkehr ... Ein heiteres, weises Buch über die Tatsache, dass alles Streben nach Liebe und Glück letztlich zwar vergeblich, aber doch unbedingt notwendig…mehr

Produktbeschreibung
Lakonisch und mit liebevoller Ironie erzählt Alex Capus die Geschichte des Lügners, Betrügers und Kleinstadt-Casanovas Harry Widmer junior, der vor seinen Gläubigern und seiner schwangeren Geliebten nach Mexiko flieht. Zwar richtet Harry es sich mit den Jahren gemütlich ein am Pazifischen Ozean, aber das süße Nichtstun wird mit der Zeit fad, die Erinnerung immer quälender. Eine Serie dramatischer Ereignisse bewegt Harry schließlich zur Umkehr ... Ein heiteres, weises Buch über die Tatsache, dass alles Streben nach Liebe und Glück letztlich zwar vergeblich, aber doch unbedingt notwendig ist.
Als Inhaber eines Fahrradladens prellt Harry seine Lieferanten, als Kleinstadtcasanova hofiert er die Provinzschönheiten. Und wenn mal eine verheiratete Dame darunter ist: "umso besser". Als der Aufschneider im Liebestaumel die Thai-Schönheit Nancy schwängert und seine Bank auf Zahlung sämtlicher Zinsen drängt, flieht er nach Mexiko.

Liebevoll schildert Alex Capus, wie Harry dort in der einfachen Gemeinschaft eines Küstendorfes zu Haroldo geläutert wird, einem Mann mit Rückgrat und Sinn für Verantwortung. Nach mehr als sechs Jahren macht er sich zu Nancy und seinem Sohn auf. Capus´ großer kleiner Roman erwähnt beiläufig den Gang der Weltgeschichte und erzählt humorvoll und lapidar ein Einzelschicksal, das exemplarisch ist für die Schönheit und Traurigkeit des Lebens.

Autorenporträt
Alex Capus, geboren 1961 in Frankreich, studierte Geschichte, Philosophie und Ethnologie in Basel und arbeitete während und nach seinem Studium als Journalist und Redakteur bei verschiedenen Tageszeitungen und bei der Schweizer Depeschenagentur. 1994 veröffentlichte Alex Capus seinen ersten Erzählband, dem seitdem neun weitere Bücher mit Kurzgeschichten, historischen Reportagen und Romanen folgten. Capus verbindet sorgfältig recherchierte Fakten mit fiktiven Erzählebenen, in denen er die persönlichen Schicksale seiner Protagonisten einfühlsam beschreibt. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt; für seine schriftstellerische Arbeit erhielt er zahlreiche Preise. Daneben hat Capus auch als kongenialer Übersetzer von Romanen des US-amerikanischen Autors John Fante gewirkt. Alex Capus lebt als freier Schriftsteller mit seiner Familie in Olten/Schweiz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2003

Die Welt ist ein Stammtisch
Und Wichtigtuer gibt es überall: Alex Capus flieht nach Mexiko

Die Titel von Alex Capus klingen nach melancholisch verhangenen Schlagern. "Fast ein bißchen Frühling" hieß das letzte, sehr geglückte Buch des Schweizer Autors, das mit dokumentarischer Präzision und Witz die merkwürdige Geschichte zweier Mörder zu Beginn der NS-Zeit erzählte. "Glaubst du, daß es Liebe war?" fragt der neue Roman, in dem es, deutlich blutärmer, wieder um einen jener charmanten Aussteiger geht, wie sie seit dem Erstling "Munzinger Pascha" zum Stammpersonal des 1961 geborenen Autors gehören.

"Laßt mich erzählen, wie mein Fahrradmechaniker Harry Widmer junior ein ziemlich guter Mensch wurde": Der erste Satz gibt die Tonart vor. Erstens klingt das so, als würde hier nicht Text produziert, sondern in beinahe mündlichem Gestus der geneigten Zuhörerschaft eine Geschichte zum Besten gegeben. Zweitens wird mittels des besitzanzeigenden Fürworts gleich ein Sympathieverhältnis begründet; Kälte als gefühlte Temperatur zeitgemäßer Prosa bleibt außen vor. Drittens hat dieser Harry, der uns nahegehen soll, nicht gerade einen Trendberuf. Da er ein Junior ist, muß es auch einen Senior geben: Familientradition scheint eine Rolle zu spielen. Alles Dinge, die im durchschnittlichen Poproman nicht vorkommen. Und viertens wird dann sogar noch eine Moralkurve hin zum "ziemlich" Guten gezogen - als wär's eine Moritat, an der wir uns ein Beispiel nehmen sollen.

Kurzum: Capus schreibt selbstbewußt an allen Trends vorbei. Während die moderne Literatur das monadische Individuum zur Grundfigur gemacht hat, ist der Horizont seines Erzählens das Gemeinwesen - die Kleinstadt, wo es noch eine allgemeinverbindliche Rollenzuweisung gibt. Sein Seldwyla, sein Winesburg/Ohio heißt Olten; die Zwanzigtausend-Seelen-Gemeinde, in der er heute lebt, ist das reale Vorbild für die Kleinstädte seiner Bücher.

Harry Widmer spielt den Part des Wichtigtuers und Provinzcasanovas. Am Stammtisch im "Rathskeller" treffen sich alle, die sich im Städtchen als Entscheidungsträger fühlen, die Bau- und Gewerbemafia, ein paar Lehrer und Redakteure. Mitten unter ihnen, Runden schmeißend, der Besitzer von "Harrys crazy bike corner". Den zugkräftigen Namen hat er dem alten Fahrradladen und Schraubenfriedhof seines Vaters verpaßt; auch sonst fühlt er sich zu Höherem berufen. Doch dann überzieht Harry den Kredit, verprellt die Lieferanten, und die fortan nur noch als "Sauhunde" bezeichneten Freunde aus dem "Rathskeller" wenden sich von ihm ab. Als dann auch noch seine neue Liebe, die Thai-Schönheit Nancy, unmißverständliche Zeichen der Schwangerschaft zu erkennen gibt, brennt der Boden. Harry setzt sich ab nach Mexiko. Dort, am Pazifischen Ozean, macht er zunächst genauso weiter wie bisher - nur daß sein Laden jetzt "Haroldos crazy surf corner" heißt. Erst allmählich sprengt der "ziemlich gute", fürsorgliche Kern die egoistische Schale und beginnt zu treiben.

In der Fremde lernt Harry, daß eigentlich die ganze Welt eine Kleinstadt ist: Überall gibt es einen "Rathskeller", auch wenn er nicht so heißt, und darin den entsprechenden Stammtisch mit den ortsansässigen Wichtigtuern. Vor allem wird in Harry zur eigenen Überraschung die Heimatverbundenheit wach. Er abonniert unter fremdem Namen das Blättchen seines Kaffs und liest es jeweils mit einer Woche Verspätung, dann aber um so neugieriger - um über das Treiben der "Sauhunde" auf dem laufenden zu bleiben, deren Machenschaften er sich aus den Andeutungen der Meldungen gut zusammenreimen kann. Er versteht sich nun mal auf seinesgleichen.

Nach sechs Jahren wagt er die Rückkehr zu Frau und Kind. Und darf feststellen, daß die Kleinstädter auch ihn nicht vergessen haben. Obwohl er doch meinte, seine Spuren gut verwischt zu haben, wird er gleich vom ersten Passanten gefragt: Na, wie war's in Mexiko? Man weiß von seinem Surfbrettverleih und sogar von dem beleuchteten Haifisch auf dem Dach. Daß da jemand in Mexiko das Blättchen abonnierte, war eben doch sehr verdächtig. Bald war Harry Stadtgespräch - und Mexiko einmal sogar das Karnevalsmotto. Schließlich kommen sich auch Harry und seine Thailänderin wieder nahe. Aber dann gibt Capus der Geschichte noch eine kleine, unerwartete Wendung, um der Falle Happy-End zu entkommen.

Die kleine und die weite Welt, der einzelne und die Gemeinschaft - das sind Motive dieser humoristischen Läuterungsgeschichte, einfach und gradlinig erzählt, mit dem berechtigten Vertrauen auf genaue Beobachtung, Menschenkenntnis und Situationskomik. Man mag einwenden, daß das anekdotisch portionierte Erzählen von Capus eine Neigung zu absehbaren Pointen hat. Wie er jedoch das Leben in dem mexikanischen Küstenort schildert, der halbjährlich vom amerikanischen Dollarsegen heimgesucht wird, wie er vor allem Harrys Rückkehr ins Städtchen in Szene setzt: das bietet mehr als Klischees und ist ein Lesevergnügen.

Wer das Negative schätzt, wird sich an der alles durchdringenden Liebenswürdigkeit dieses Erzählens stören. Zwar möchte man denken: Wenn Harry am Ende gut wird, muß er wohl mal schlecht gewesen sein. Aber so schlecht kann keiner sein, daß er beim Menschenfreund Capus nicht doch als im Grunde sympathischer Bursche daherkäme. Zwar gibt es auch in Harrys Geschichte dunkle Momente. Seine Mutter, eine allzu schweigsame Hausfrau, geht eines Tages in den Wald und hängt sich auf. Das ist hart. Aber wie es beschrieben wird, wirft es dann doch gleich wieder eine kleine Pointe ab.

Vor allem fehlen dem Buch die Leerstellen, das Unerklärte, auf das sich der Leser erst einen Reim machen müßte - wie in "Fast ein bißchen Frühling", diesem lakonischen und etwas unheimlichen kleinen Roman, der sich weniger den Oltener Alltagsbeobachtungen als der literarischen Rekonstruktion von Archivmaterial verschrieben hatte. Man wünscht sich, daß Capus öfter mal Urlaub von seinem Seldwyla nehmen würde, um mit solch abgründigen Geschichten zurückzukehren.

WOLFGANG SCHNEIDER.

Alex Capus: "Glaubst du, daß es Liebe war?" Roman. Residenz Verlag, Salzburg 2003. 189 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der Rezensent Michael Adrian ist richtiggehend verzaubert von Alex Capus' Erzählung, die einen auf subtile Weise mit der Welt versöhnt: "Unaufdringlich diesseitig, mit der Welt bekannt ist sein Schreiben, ohne davon viel Aufhebens zu machen, eine Daseinsfeier oder Daseinsklage". Dabei sind nicht mal die Inhalte der Geschichte besonders interessant - die findet Adrian sogar eher trivial. Begeistert ist er vielmehr von Capus "federleichter Prosa" und dessen "Händchen fürs gemeine Detail". Auch gelingt es ihm nicht nur launige Prosa zu schreiben, sondern "den unbeweglichen Gott des Realismus" gelegentlich zupacken zu lassen. Adrian jedenfalls bedauert, als diese Lektüre so schnell schon wieder vorüber ist.

© Perlentaucher Medien GmbH