Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 15,00 €
  • Broschiertes Buch

Was gehört für Sie zu einem gemütlichen Abend - Rotwein und Kerzen? Oder Fernseher, Chips und Bier? Vielen gilt Gemütlichkeit als Synonym deutschen Spießertums, mit röhrenden Hirschen und geblümten Ohrensesseln. Die Autorin spürt der "Gemütlichkeit" aus Sicht der Alltagskulturforschung nach. Sie klärt die Entstehungs- und Begriffsgeschichte des bürgerlichen Kulturmusters der Gemütlichkeit und schildert auf Grundlage zahlreicher Interviews, was alles zur Gemütlichkeit gehört - von den Accessoires über die Atmosphäre bis hin zur persönlichen Befindlichkeit. Dabei bietet sie überraschende Einblicke in eine vermeintliche Selbstverständlichkeit.…mehr

Produktbeschreibung
Was gehört für Sie zu einem gemütlichen Abend - Rotwein und Kerzen? Oder Fernseher, Chips und Bier? Vielen gilt Gemütlichkeit als Synonym deutschen Spießertums, mit röhrenden Hirschen und geblümten Ohrensesseln. Die Autorin spürt der "Gemütlichkeit" aus Sicht der Alltagskulturforschung nach. Sie klärt die Entstehungs- und Begriffsgeschichte des bürgerlichen Kulturmusters der Gemütlichkeit und schildert auf Grundlage zahlreicher Interviews, was alles zur Gemütlichkeit gehört - von den Accessoires über die Atmosphäre bis hin zur persönlichen Befindlichkeit. Dabei bietet sie überraschende Einblicke in eine vermeintliche Selbstverständlichkeit.
Autorenporträt
PD Dr. Brigitta Schmidt-Lauber ist wiss. Assistentin am Institut für Volkskunde der Universität Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2003

Oompah-Pah
Jetzt wird's ungemütlich: Brigitta Schmidt-Laubers Gemütlichkeit

So ein Sessel ist doch etwas Urgemütliches. Es ist Nacht, der Regen trommelt, die Teetasse dampft, ein Buch liegt bereit: "Gemütlichkeit" von Brigitta Schmidt-Lauber, ihr Habilitationsthema. "Gemütlichkeit", so hebt es an, "ist ein Begriff, der feste Erwartungen und stereotype Assoziationen auslöst." Stimmt - siehe die ersten beiden Sätze dieser Rezension. "Gemütlichkeit" ist aber auch ein Buchtitel, der feste Erwartungen und stereotype Fragen auslöst. Ist der Band selbst eher gemütlich geraten? Oder versetzt er der Gemütlichkeit einen ungemütlichen Tiefschlag? Der Schlußsatz des Vorwortes läßt Böses vermuten: "Um so dringender scheint die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses (vermeintlich) ,deutschen' Phänomens." Uns schaudert, und das liegt nicht am Regen.

Dennoch: Ohne Lektüre finden wir das Leben ungemütlich. Also weiter im Buch. Wie arbeitet man Gemütlichkeit auf? Erfreulicherweise nicht durch bequeme Thesen, sondern durch harte Fakten. Warum soll es sich eine Kulturwissenschaftlerin beim Thema Gemütlichkeit gemütlich machen? Das können dann ja die Rezensenten. Frau Schmidt-Lauber hat deshalb zunächst eine Quellenrecherche angestellt, in deren Rahmen sie Ideale von Gemütlichkeit aus Medien und Literatur zusammenstellte (das dürfte einiges an Lektüre verlangt haben, ist vielleicht also gar nicht so ungemütlich gewesen). Und dann erbat sie von den Schülern mehrerer norddeutscher Gymnasien schriftliche oder bildliche Darstellungen von Gemütlichkeit.

Warum nur von dort? Ist "Gemütlichkeit" nicht gerade im Ausland, das noch nie eine adäquate Übersetzung für den Begriff gefunden hat, mit Trachtenseligkeit und Blasmusik verknüpft, also eher mit süddeutschen Gepflogenheiten? Das angeblich zweitgrößte Oktoberfest der Welt wird in der kanadischen Zwillingsstadt Kitchener/Waterloo mit den Slogans "Gemuetlichkeit" und "Oompah-Pah Music" beworben. Die Musik aber ist unter uns Deutschen, wie man Brigitta Schmidt-Laubers Untersuchung entnehmen kann, ein besonders individueller Bestandteil von Gemütlichkeit: Nicht jeder will zu den Weisen der Crazy Cow Combo eine flotte Sohle aufs Parkett legen, und nicht jeder räkelt sich wohlig zu "Mariechen saß weinend im Garten".

Gemütlichkeit wird zwar meist mit Geselligkeit verknüpft, aber doch als jeweils eigenständiges Konstrukt beschrieben. Am Schluß werden die zentralen Kategorien dafür genannt: Situation, Atmosphäre, Befindlichkeit - mit einem Wort aus der Philosophiegeschichte: Phänomenologie. Da bleibt dann selbst der empirisch versierten Kulturtheoretikerin kein Ausweg mehr, denn ihre Forschung mag zwar statistisch signifikante Ergebnisse erbracht haben, doch die lassen nicht mehr entstehen als ein diffuses Bild: "Gemütlichkeit kann damit insgesamt sowohl als Ausdruck der Verweigerung gegenüber gesellschaftlichen Normen und Zwängen als auch ihrer Anerkennung gelesen werden." Nun, wenn man Gemütlichkeit jetzt selbst schon lesen kann, dann brauchen wir ja gar kein Buch über Gemütlichkeit mehr, um es gemütlich zu haben. Glück gehabt.

ANDREAS PLATTHAUS

Brigitta Schmidt-Lauber: "Gemütlichkeit". Eine Kulturwissenschaftliche Annäherung. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2003. 257 S., 8 S/W-Abb., br., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Gemütlichkeit - eine kulturwissenschaftliche Herausforderung

Gemütlichkeit gilt weithin als Synonym deutschen "Spießertums". Doch das Thema erschöpft sich keineswegs in solchen Klischees. Brigitta Schmidt-Lauber spürt der Gemütlichkeit aus Sicht der Alltagskulturforschung nach.

Gemütlichkeit ist ein Begriff, der feste Erwartungen und stereotype Assoziationen auslöst - der röhrende Hirsch, Plüschkissen im Wohnzimmer, wuchtige Holzmöbel und geschwungene Sofas, aber auch die Wirtshausrunde in der dörflichen Gaststätte. Die Vorstellungen konzentrieren sich besonders auf das kleinbürgerliche Sozialmilieu und eine geradezu vormodern anmutende Lebensform. Dabei gilt Gemütlichkeit als spezifisch deutsch, auch wenn zumeist offen bleibt, was damit genau gemeint ist.

Doch mit solchen Klischees erschöpft sich das Thema natürlich keineswegs, denn jeder hat eigene Vorstellungen davon, was für ihn gemütlich ist und das muss nicht unbedingt die Nippes-Sammlung sein, auch wenn der Begriff Gemütlichkeit diese Bilder evoziert. Insofern ist Gemütlichkeit sowohl ein Stereotyp als auch eine persönliche Erfahrung. Brigitta Schmidt-Laubers Studie macht deutlich, dass in der alltäglichen Lebenspraxis und Lebensumwelt Gemütlichkeit eine wichtige Rolle spielt, die weit über die klischeehaften Verdichtungen auf die kleinbürgerliche und die "deutsche Gemütlichkeit" hinausgeht.

Schmidt-Lauber schildert die Entstehungs- und Begriffsgeschichte des bürgerlichen Kulturmusters und analysiert mit den empirischen Methoden der Alltagskulturforschung die subjektiven Vorstellungen darüber, was unterschiedliche Menschen gemütlich finden. Zugleich führt sie anhand dieses Themas Grenzen und Möglichkeiten kulturwissenschaftlicher Forschung vor Augen, indem sie fragt, wie alltägliche Selbstverständlichkeiten wie Gemütlichkeit überhaupt zu erforschen sind.
(Rezension im Auftrag des Campus-Verlages)
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Platthaus scheint dieses Buch, eine Habilitationsschrift einer ernsthaften Auseinandersetzung nicht für wert gehalten zu haben. Am Schluss des Buches heißt es, wie wir erfahren: "Gemütlichkeit kann damit insgesamt sowohl als Ausdruck der Verweigerung gegenüber gesellschaftlichen Normen und Zwängen als auch ihrer Anerkennung gelesen werden." So ist es dann wohl ironisch gemeint, wenn Platthaus an einer Stelle immerhin lobend erwähnt, die Autorin habe sich an die "Aufarbeitung" des Themas Gemütlichkeit "erfreulicherweise" nicht mit Hilfe von "bequemen Thesen", sondern mit Hilfe harter Fakten, also empirisch begeben. Dabei findet der Rezensent es zudem offenbar ziemlich lächerlich, dass die Autorin sich zu diesem Zweck von den Schülern mehrerer norddeutscher Gymnasien "schriftliche und bildliche Darstellungen von Gemütlichkeit" erbeten hatte.

© Perlentaucher Medien GmbH
Flucht in die Höhle
"Ein energischer Versuch, das Thema Gemütlichkeit fachgerecht aufzuarbeiten." (Der Spiegel, 10.11.2003)

Plüschkissen im Wohnzimmer
"Die Autorin hat dem Thema Gemütlichkeit mit den Methoden der Alltagskulturforschung nachgespürt. Das Thema ist zweifelsohne aktuell." (Psychologie heute, 01.01.2004)